TOP

Fünf! Tipps für angehende Gin-Produzenten

Gin wohin das Auge reicht. Vor Jahren noch als verstaubtes Getränk verlacht, boomt das Segment heute wir kein anderes. Dies verleitet viele Produzenten zu Schnellschüssen. MIXOLOGY-Herausgeber Helmut Adam hat daher FÜNF! Tipps für ambitionierte Wacholderneulinge zusammengeschrieben.
Fast keine Woche vergeht, in der nicht eine neue Gin-Probe auf dem Redaktionstisch landet. Nach dem Whisky haben die vielen im GSA-Raum ansässigen Obstbrenner nun die nächste Trend-Spirituosenkategorie für sich entdeckt. Während Whisky traditionell im ländlichen Raum verwurzelt ist und der Konsument die Preise bei Jahreszahlen auf dem Etikett brauner Flaschen klaglos zu zahlen bereit ist, scheint bei Gin häufig das Wissen zu fehlen. Vieles, das uns erreicht, ist unausgereift und wird wohl nicht mehr als die erste Abfüllung erleben. Im Folgenden listen wir daher ein paar durchaus provozierende Tipps für angehende Gin-Produzenten, die von einer goldenen Wacholderzukunft träumen.
1) Nenne den Gin nicht „Black Forest Dry Gin“
Du bist ein Obstbrenner, der im Schwarzwald beheimatet ist? Dann ist Dir hoffentlich klar, dass neben Dir gerade 100 andere Obstbrenner aus dem Schwarzwald an einem Gin basteln. Glaube mir, die Nische ist besetzt! Wenn Du irgendwann einmal die Schwelle von 10.000 Flaschen überschreiten möchtest, empfehle ich Dir, erst einmal in Bars zu gehen und zu realisieren, für welche Zielgruppe Du jetzt produzierst.
Gin landet nicht auf dem Digestif-Wagen eines Restaurants, wo Deine Obstbrände bereits stehen. Gin ist ein Aperitif, ein abendlicher Cocktail-Begleiter und überaus urbaner Geselle. Geruch der Scholle ist in Ordnung, aber ohne Weltläufigkeit und den gewissen Touch Coolness kommst Du über Deine Region und eine Nachricht im lokalen Anzeigenblatt nicht hinaus.
2) Nicht schon wieder der Dachboden
Du hast eine Rezeptur Deines Urgroßvaters in der verstaubten Kiste auf dem Dachboden gefunden? Wirklich? Das ist zum Gähnen! Bitte lass Dir eine andere Geschichte einfallen oder erzähl einfach die Wahrheit. Nämlich, dass Du Dir ein Rezepturbuch für Brenner besorgt hast.
Statt des Dachbodens wäre vielleicht erst einmal die Überlegung angebracht, ob die Geschichte Deines Betriebs sich wirklich für einen Gin eignet. Gibt es in Deiner Region eine Wacholdertradition? Habt ihr bereits seit mehreren Generationen Kräuterschnäpse oder –Liköre produziert? Und selbst falls dies zutrifft – wieso unbedingt auf den überlaufenen Gin-Zug aufspringen, statt eine bestehende Tradition neu zu interpretieren? So wie das Team des Michelberger beispielsweise?
3) Übertreibe nicht mit den Zitrusschalen
Ja, Zitrusaromen machen sich gut in einer botanischen Mischung. Nur, tu mir bitte den Gefallen und wirf nicht zu viel davon in Deinen Ansatz. Ich habe zu viele Gins verkostet, in denen so viel Zitrusöl steckte, dass ich meine Zunge genauso gut mit einer Zitronenseife hätte einreiben können.
Also, geh bitte nicht den leichten Weg. Die Standardaromen beherrschen andere, die seit 100 Jahren Gin herstellen, besser als Du. Sie haben bessere Quellen für den Einkauf, mehr Wissen, wie die einzelnen Botanicals zusammenwirken. Hau bitte nicht die erstbeste Mischung zusammen und füll sie gleich nach dem Brennen in Flaschen ab. Eine frisch gebrannte Spirituose muss ruhen. Ja, das Kapitel hast Du in Deinem Brennerbuch überblättert. Und ich habe Deinen Gin gleich nach dem ersten Schluck sofort wieder in den Spucknapf abgelegt. Vielleicht kann man damit noch die Personaltoiletten desinfizieren?
4) Weniger ist mehr
Dein Gin hat eine „Rekordzahl“ von 178 Botanicals? Im Ernst, ist das Dein Alleinstellungsmerkmal? Und was genau soll ich davon schmecken? Bevor Du lustig Botanicals zusammenschmeißt, informiere Dich bitte erst einmal über die Urspünge dieser Spirituose. Wo hat Gin begonnen? Was sind die Ur-Formen dieses Gaumentropfens?
Im nächsten Schritt mach Dich schlau, wie Dein Gin verwendet werden soll. Auch wenn uns viele Hersteller anderes glauben machen wollen, ist der Purtrinker im Gin-Segment noch eine durchaus rare Spezies. Soll Dein Gin dann vielleicht in einem Gin & Tonic gut funktionieren? Oder gar in einem Martini Cocktail? Oder möchtest Du in die derzeitige Gin-Champions-League aufsteigen und in einem Martinez landen? Noch nie von diesem Drink gehört? Nun, dann geh vielleicht erst mal in eine Bar.
5) Nicht nur für den Gaumen
Du bist ein vielfach ausgezeichneter Brenner? Hast bei Wettbewerben die letzten Jahre nur Goldmedaillen abgeräumt? Dein Gin kann locker mithalten mit den Tanquerays, Beefeaters und Monkey 47 dieser Welt? Wieso um alles in der Welt packst Du ihn dann in diese 08/15-Flasche, pappst ein schäbiges Etikett drauf und gibst ihm einen uninspirierten Namen?
Meinst Du, dass der Konsument gerade Dein Produkt aus dem Regal nimmt oder in der Bar ordert, wenn Du satte 30 Euro für den halben Liter verlangst? Das Auge trinkt mit. Gerade in der Welt der Bars. Ohne einen ordentlichen und stimmigen Auftritt wird das hier nichts. Prosit!

Credits

Foto: Gin via Shutterstock

Comments (1)

  • André Werner

    gleich fünf wahre Worte

    reply

Kommentieren