TOP

FÜNF! Spirituosen, die kein Trend sind, Teil II

Trauen Sie sich an thailändischen Klebreisbrand? Haben Sie schon von mongolischem Milchschnaps gehört? Macht nichts, wir bis vor Kurzem auch noch nicht.  Trotzdem widmen wir ihnen heute unsere Aufmerksamkeit. Denn man lernt ja bekanntlich gerade an der Bar niemals wirklich aus. Auch wenn einige Vertreter eher in die Mutprobenecke gehören.

Andere Länder, andere Trinksitten. Zwar sind Mezcal, Sake, Shochū, Arrak oder sogar haitianischer Clairin längst in vielen guten Bars zuhause. Doch die Welt ist so unendlich weit, dass wohl niemals aus jedem Land oder aus jedem Traditionskreis eine Flasche im Rückbüffet stehen wird. Gut, das muss vielleicht auch gar nicht sein – denn so mancher Brand bleibt wohl eher ein interessantes Abenteuer als eine ernsthafte Alternative für eine Qualitätsbar. Dennoch wagen wir heute erneut den Schritt aus der Komfortzone und begutachten FÜNF! Spirituosen aus aller Welt, die in sehr wenigen oder tatsächlich gar keinen Bars im westlichen Kulturraum zu finden sind. Und die wahrlich alles andere als Trend sind.

1) Brennivín

Beginnen wir mit was Zugänglichem: Der isländische Nationalschnaps ist im Prinzip eine Art Mischform aus Vodka und Aquavit, also typisch nordisch: Gebrannt wird er zumeist aus Getreide, teilweise allerdings auch aus eingemaischten Kartoffeln, das Destillat wird dann zudem mit Gewürzen wie Kümmel versetzt. Neben dem als Marke geschützten „Brennivín“, der Synonym für die Gattung steht, lodern auf der Elfen-und-Troll-Insel freilich noch einige private Brennblasen, aus denen auch Brennivín fließt.

Vielen Island-Urlaubern ist Brennivín gut bekannt, nicht wenigen davon ist er auch in schmerzhafter Erinnerung. Denn wenn alle skandinavischen Länder etwas gemeinsam haben, dann, dass dort gern sehr tief ins Glas geschaut wird. Auch der ein oder andere Bartender, der in den letzten zwei Jahren bei einem der beiden Reykjavik Bar Summits gewesen ist, dürfte sich an die Nachwirkungen des liebevoll „svarti dauði“, also „Schwarzer Tod“, genannten Brandes erinnern. Aber da muss man durch. Wie der Isländer sagen würde: Hú!

2) Kisljarka

Über die teilweise sehr hochwertigen kaukasischen Eaux-de-Vie und Brandys wusste schon der große Kenner Winston Churchill Bescheid, der im Anschluss an die Konferenz von Jalta gleich kistenweise georgische und armenische Weinbrände bei seinem damaligen Kompagnon Josef Stalin orderte. Möglicherweise waren darunter auch ein paar Fläschchen Kisljarka?

Hinter dem Begriff jedenfalls verbirgt sich ein Tresterbrand, der seinen Namen von der Stadt Kisljar am kaspischen Meer erhalten hat. Nach der Destillation wandern die Brände für wenige Monate bis einige Jahre in Eichenfässer. Die kurz gelagerten, günstigen Abfüllungen ersetzten im südlichen Teil des Zarenreichs und der Sowjetunion lange Zeit den Vodka als gängigen Armeeschnaps, die lang gereiften Qualitäten hingegen sind nicht günstig, dafür hochwertig und durchaus eigenständig: Die besondere Traubeneiche schlägt sich mit ihrem Aroma ebenso im fertigen Produkt nieder wie das kontinentale Klima, das für viel Bewegung im Fass und damit eine sehr extraktreiche Reifung sorgt.

3) Lao Khao

Wer in Fernost einfach ins Spirituosenregal greift, muss sich auf einiges gefasst machen: So auch beim zweiten großen thailändischen Nationalbrand neben Mekong, nämlich beim Lao Khao, was übersetzt nichts anderes als „weißer Schnaps“ bedeutet. Während Mekong aus Zuckerrohr hergestellt wird, ist es beim Lao Khao traditionell der typisch südostasiatische Klebreis, der vergoren und destilliert wird.

Guter Lao Khao, der mit rund 40% Vol. abgefüllt wird, hat passend zum Ursprungsprodukt eine leicht nussige Note und liegt geschmacklich mehr oder weniger auf halber Strecke zwischen einfachen Getreidebränden und weißem Rum, wobei ihm dessen fruchtige Noten komplett fehlen. Zu kaufen gibt es den bei den einfachen Arbeitern sehr beliebten, da wirkungsvollen Bier-Ersatz schon für umgerechnet rund einen Euro pro Flasche in jedem Kiosk.

Doch Vorsicht ist geboten: Neben den einigermaßen sauberen und durchaus genießbaren Markenprodukten wandert auf dem Land auch alles mögliche wie Kokoswasser, Wurzeln oder Reste der Zuckerproduktion in die illegale Brennblase und von dort in die Flasche. Diese Fläschchen sind sicher noch günstiger (und wirkungsvoller), aber wir wollen unser Augenlicht ja trotz Neugierde auch wieder mit nach Hause nehmen.

4) Arak

Das „r“ macht den Unterschied: Es soll nämlich nicht um den asiatischen Arrak aus Zuckerrohr oder Palmsaft gehen, sondern um seinen Fast-Namensvetter aus der östlichen Mittelmeerregion – Arak. Traditionell werden bei seiner Herstellung Anisfrüchte in Weinbrand eingelegt und mazeriert, wodurch das im südöstlichen Europa und im Nahen Osten so beliebte Anis-Aroma ins Destillat gelangt.

Dabei ist Arak komplett ungesüßt, etwa im Gegensatz zum Sambuca, und lässt sich als trockene, aromatische Basis durchaus auch in Cocktails einsetzen. Seinen Ursprung hat er nach heutiger Quellenlage wohl im Libanon, verbreitet ist er im gesamten Nahen Osten, sein barkulturelles Zentrum hat er derzeit vor allem in Israel und besonders in Tel Aviv. In den dortigen Bars, die zu den führenden im vorderen Orient zählen, ist er nicht nur ein beliebter Shot und Bestandteil des Herrengedecks, sondern auch immer mehr in zeitgenössischen Cocktailkreationen zu finden.

5) Archi

Zum Schluss noch etwas für ganz Mutige: Archi ist die mongolische Bezeichnung für Milchbrände. Die häufigste Basis hierfür bildet fermentierte Milch vom Yak, einer Rinderart, die in weiten Teilen des östlichen Asiens heimisch ist und schon früh durch die dort lebenden Völker domestiziert wurde. Da bekommt man Durst, gell?

Im Prinzip ist Archi das Abfallprodukt eines Abfallproduktes: Aus der Milch des Yaks wird durch Erhitzung der Rahm abgekocht, den man abschöpft und als Öröm bezeichnet. Er zählt zu den traditionellen Nahrungsmitteln der Nomadenvölker beispielsweise im mongolischen und kasachischen Raum. Der verbleibende Rest der Öröm-Herstellung wiederum nennt sich Tarag, der häufig zu einem säuerlichen, leicht alkoholischen Trunk, dem Choormog, vergoren wird. Haben Sie schon genug? Wenn nicht: Wer gerade einen Brennapparat zur Hand hat, der destilliert aus dem Choormorg nun eben einfach Archi. Die alkoholische Gradzahl ist nach oben offen und im Prinzip nur durch den Mut des Destillateurs begrenzt.

Und Sie dachten, Milk Punch sei das Ende der Fahnenstange?

Credits

Foto: Foto via Shutterstock, Post: Tim Klöcker.

Kommentieren