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Gerhard Kozbach-Tsais Bar in Wien

Im Tratsch-verliebten Wien sorgt eine Bar-Neueröffnung wie Gerhard Kozbach-Tsais „verwirklichter Lebenstraum“ immer für eine Extraportion Spekulationen.
Im MIXOLOGY-Gespräch ließ sich der Bar-Gründer drei Monate vor der Eröffnung in die Karten blicken. Es entsteht eine intime Bar mit ausgesuchten Drinks für erfahrene Genießer.
Die Adresse ist ebenso fein wie unspektakulär am unteren Ende des „Achten“ gelegen. Die sogenannte Josefstadt gilt als einer der feinsten Wohnbezirke der Stadt; alteingesessenes Bürgertum residiert knapp zehn entspannte Gehminuten von der Ringstraße entfernt. Dort, wo zahlreiche Ärzte, Schauspieler und der Bundespräsident ihr Domizil haben, beschränkt sich die Gastronomie auf einen schnellen Mittagstisch und einen möglichst starken Kaffee, Energielieferanten für die Inhaber-geführten Geschäfte und Agenturen. Ab und an wird vor der Abo-Aufführung des ehrwürdigen Theaters in der Josefstadt auch noch auf ein Wiener Schnitzel gegangen. Das war es dann aber auch schon wieder.
Eine One Man-Show
Für Nachtleben mit Stil besteht im von der ehemaligen Stadtbahn-Trasse  abgewandten Teil des Bezirks (heute fährt dort als Kuriosum die Untergrundbahnlinie Nr. 6 oberirdisch) also durchaus Bedarf, wie „Geri“ Kozbach-Tsai als Anrainer schnell klar wurde. Bei einer Ausfahrt mit dem Kinderwagen entdeckte der als Barchef des „Scotch Club“ bekannt gewordene Josefstädter dann auch noch die ideale Location für seine Neueröffnung der Marke „Zimmer, Kuchl, Kabinett“. So werden traditionell die Wiener Kleinwohnungen bezeichnet, die gerade die Minimalbedürfnisse decken. Konkurrenz braucht er nicht zu fürchten, es gibt kein einziges Ladenlokal in der von ihm gewählten Gasse.
Die reine Wohnumgebung stellt aber weniger ein Manko, als vielmehr das Konzept dar, erklärt der frisch-gebackene Mieter: Die noch namenlose Bar („die Tür und die Hausnummer werden im Mittelpunkt stehen“) soll das Gefühl eines Besuchs bei Freunden zuhause transportieren. „Ich öffne persönlich die Tür, nehme den Gästen die Garderobe ab und führe sie an den Platz“, betont Kozbach-Tsai die Serviceorientierung des sorgfältig geplanten Lokals. 30 Sitzplätze sind das Limit der nicht als Speak easy angelegten Bar, die dennoch eine selektive Türpolitik pflegen will: „Im Idealfall kommen die Leute auf Empfehlung und nicht, um sich hier zu betrinken.“ Das Stammpublikum, schwebt ihm vor, soll durchaus auch gesetztere Semester umfassen.
Gäste ohne Hektik
Neben dem Respekt vor dem Gast, den der Asien-Fan ausgerechnet in die Welthauptstadt der unfreundlichen Kellner holen will, spricht er öfters den Faktor Zeit als Markenzeichen seines Bar-Wohnzimmers an. Dass mit der Rauchpistole gesmokte Drinks einfach länger brauchen, erkennt der Gast „am bewusst niedriger gehaltenen Tresen“ von selbst. Die Wohlfühl-Atmosphäre wird durch die Möblierung mit heimeligen Tischen und Stühlen egal welcher Stilepoche unterstrichen. „Auch die Glasware darf durchaus gemischt sein – das ist sie ja auch bei vielen Haushalten“. Entschleunigung offeriert aber auch der geplante Extra-Raum für (Zigarren-)Raucher oder Geschäftsbesprechungen. Die vertraute Atmosphäre eines Wohnzimmers mit leichter Patina soll es auch ermöglichen, „jene Exhibition-Drinks, die im Tagesgeschäft ansonsten schwer umzusetzen sind“, zu servieren.
Dabei soll der Gast sich mit den Drinks auseinander setzen und „bewusst Entscheidungen treffen müssen“. Als Beispiel führt er den Martini an, der bis hin zur Wahl der persönlichen Lieblingsolive zelebriert werden wird. Cocktail-Klassiker dominieren zu Beginn die Karte, wobei frische Produkte, etwa vom unweit gelegenen Naschmarkt, saisonale Schwerpunkte vorgeben können. „Die Mixologie, die hier stattfindet, soll die Gäste zu Beginn nicht überfordern“, denkt er an eine langsame Integration von Trends wie Barrel Aged Cocktails in sein Angebot. Wobei: „Hochwertige Produkte haben natürlich ihren Preis, der spezielle Service wird aber nicht mehr kosten“, will Kozbach-Tsai auch die Kalkulation schlank halten.
Erst Baby, dann Bar
Was das Barfood betrifft, liefern die Asienreisen mit seiner aus Taiwan stammenden Frau Inspirationen, „Schinken-Käse-Toast wird es sicher keinen geben“. Stattdessen sollen wöchentlich wechselnde Gastköche den Induktionsherd zum Glühen bringen. Auch Livekonzerte an der ansonsten von ruhigem Barjazz beschallten Adresse sind geplant. Momentan kann der Rennrad-Besitzer im leeren Gewölbe noch seine Runden auf dem Bike drehen, doch der Fahrplan zur Selbständigkeit steht. Schließlich wird im April erst eröffnet, wenn das zweite Kind des Vienna Bar Community-Mitglieds auf der Welt ist. „Der Sonntag gehört der Familie“, legt sich Kozbach-Tsai auf einen Schließtag fest. Und macht einmal mehr den Eindruck eines Mannes, der „die gesammelten Erfahrungen meines bisherigen Lebens“ in eine mit Spannung erwartete Bar-Eröffnung einfließen lässt.
 
Bildquelle: Roland Graf

Comments (1)

  • Martina

    Bin gerade sehr erstaunt, dass der Autor aus Niederösterreich stammt. Ich hätte auf Berlin getippt, weil die Josefstadt hat wahrlich nicht wenige interessante Restaurants, Kaffeehäuser und Weinbars. Sie ist vom Wohnpublikum wohl nicht so angesagt wie der 7. oder neuerdings der 6., war aber jahrelang auch ein Garant für interessante Lokale – man denke nur an das Tunnel in der Florianigasse oder das más und die Wäscherei. Auch einige interessante Weinbars würde mir ad hoc einfallen. Ich wohne schon seit einigen Jahren in Deutschland, aber ich wäre sehr überrascht, wenn sich die Josefstadt, die immer auch stark vom studentischem Publikum frequentiert war, so dramatisch geändert hätte.

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