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Die Geschichte des Pousse Café Teil 3: französische Kaffeehauskultur

Die Geschichte des Pousse Café, Teil 3 – Die Anfänge der Kaffeekultur in Frankreich

Pousse Cafés sind heute weitestgehend vergessen und spielen in der zeitgenössischen Barkultur keine Rolle. Trotzdem sind sie für die Drinks-Historie ebenso wichtig wie der Punch. In unserer zehnteiligen Serie „Die Geschichte des Pousse Café“ widmet sich Armin Zimmermann allumfassend den bunten Schichtgetränken. In Teil 3: Die Anfänge der Kaffeekultur in Frankreich.

Wie ich beschrieben habe, verbreitete sich die Sitte des Kaffeetrinkens ausgehend vom Osmanischen Reich in Europa. Die ersten Kaffeehäuser entstanden. Betrachten wir deshalb die Anfänge der Kaffeekultur in Frankreich.

Ankunft orientalischer Sitten

Kaffee war in Paris bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erhältlich. Auch im übrigen Europa begann man ungefähr in der Mitte des 17. Jahrhunderts damit, Kaffee zu trinken. Die ersten Kaffeehäuser wurden errichtet, beispielsweise im Jahr 1645 in Amsterdam, 1647 in Venedig, 1650 in Oxford, 1652 in London, 1671 in Marseille, spätestens 1671 in Paris und 1673 in Bremen. Bei den Jahreszahlen gibt es Abweichungen – offenbar ist die Quellenlage nicht immer ganz eindeutig. Der im Jahr 1669 stattfindende Besuch des Botschafters des Osmanischen Reiches, Suleiman Aga, in Paris beförderte dort den Kaffeekonsum außerordentlich.

Angels Tit

Zutaten

1/4 Maraschino
1/4 Crème d’Yvette (hier Tempus Fugit Crème de Violette)
1/4 Bénédictine
1/4 Sahne

Dieses Rezept des Angels Tit stammt aus dem Jahre 1913
Dieses Rezept des „Angels Tit“ stammt aus dem Jahre 1913

Suleiman Aga

Suleiman Aga wurde von Sultan Mehmed IV. im Jahr 1669 nach Paris entsandt. Da die Hofgesellschaft Neuigkeiten liebte, beobachteten sie jede Handlung und Geste des Botschafters aufs Genaueste. Man übernahm seine Gebräuche und begann schon bald nach der Ankunft des Botschafters selber damit, Gäste zu empfangen und ihnen Kaffee zu servieren. Diese Kaffeegesellschaften waren bald in aller Munde.

Man begeisterte sich für die Dinge des Orients und Kaffee wurde das Lieblingsgetränk der Pariser Gesellschaft, auch nachdem der Botschafter wieder abgereist war. Man beschreibt es so: „Nach seiner Abreise betrachteten es alle, denen das unschätzbare Privileg zuteil geworden war, von ihm empfangen zu werden, als Ehrensache, den Gästen eine Kostprobe des Getränks anzubieten, das in aller Munde war. Und so wurde es in der gesamten adligen Gesellschaft allmählich zur Mode, beim Empfang von Gästen Kaffee zu servieren. Bald wollte auch die Bourgeoisie die neue Geschmacksrichtung probieren.“

Die Empfänge des Botschafters müssen in der Tat beeindruckend (wenn auch aus heutiger Sicht moralisch zweifelhaft) gewesen sein. Man schildert sie mit den Worten: „Auf gebeugten Knien servierten die schwarzen Sklaven des Botschafters in den prächtigsten orientalischen Kostümen den erlesensten Mokka-Kaffee in winzigen Tassen aus Eierschalen-Porzellan, heiß, stark und duftend, ausgegossen in Untertassen aus Gold und Silber, auf bestickten, mit Goldbändern besetzten Seidentüchern, den großen Damen, die ihre Fächer mit vielen Grimassen wedelten und ihre pikanten Gesichter – gerötet, gepudert und geschminkt – über das neue, dampfende Getränk beugten.“

Die Ausbreitung französischer Sitten

Mit der Ankunft des Kaffees änderten sich auch die Ess- und Sozialgewohnheiten. Hatte man zuvor bei bestimmten Anlässen Wein getrunken, genoss man nun Kaffee. Man trank ihn zu Hause oder auch nach orientalischer Sitte in Kaffeehäusern und unterhielt sich dabei.

Ich bin der Meinung, dass die Kaffeekultur in Europa stark von französischen Sitten geprägt wurde, die in jener Zeit überall in Europa übernommen wurden. Ausgehend vom Hofe Ludwigs XII. verbreitete sich der Genuss von Kaffee und die damit verbundenen Sitten über ganz Europa. Zwar schreiben manche Autoren, Kaffee sei erst unter Ludwig XV. populär geworden, doch wie wir dem Bericht von Hanna Diyāb entnehmen können, der im vorherigen Kapitel zitiert wurde, war dies schon unter Ludwig XIV. der Fall. Er berichtet 1709 über Estephan, seinen potentiellen Schwiegervater in spe: „Der Minister ließ ihn zu sich rufen und hieß ihn ein Café in Versailles eröffnen, damit die Söhne der Prinzen nicht seinen Laden in Paris besuchten. Er kam der Aufforderung nach, eröffnete dort ein Café und kümmerte sich um die Kaffeeversorgung im Königspalast.“

Kaffeeriecher in Preußen

In jener Zeit brachte der Kaffeekonsum übrigens auch fiskalische Probleme mit sich. Kaffee war zunächst ein teures Luxusgut, das sich anfangs nur Aristokraten und wohlhabende Bürger leisten konnten. Das Geld floss aus den Ländern ab. Friedrich der Große beispielsweise belegte Luxusgüter wie Kaffee deshalb mit hohen Abgaben. Gleichzeitig wurde Kaffee monopolisiert und es durfte nur noch gebrannter Kaffee in verlöteten Dosen verkauft werden. So wollt man den Schmuggel unterbinden. Um die Anordnungen zu kontrollieren, waren sogenannte Kaffeeriecher unterwegs. Diese wurden beschrieben als „eine eigene Menschengattung von Aufpassern, welche die Straßen auf- und abwanderten, und gleich Spürhunden an allen Thüren und Fenstern ihre Geruchsnerven anspannten, um zu riechen, ob irgendwo Kaffee gebrannt worden wäre. Eine solche Masregel mußte allgemeines Murren erregen, und das Gefühl jedes Bürgers zum Verdruß aufreizen, da er in seinem Hause stündlichen Visitationen ausgesetzt war.“

Kaffeeanbau in Frankreich

Doch zurück nach Frankreich. Dort soll bereits im Jahr 1670 ein Franzose versucht haben, in der Nähe von Dijon Kaffee anzubauen. Die Samen gingen zwar auf, aber er hatte keinen Erfolg. 1690 wurde Kaffee von den Niederländern erfolgreich in Batavia angebaut. Von dort gelangten Pflanzen in die Gewächshäuser von Amsterdam. Von dort wurde im Jahr 1712 eine Pflanze an Ludwig XIV. übergeben. Sie starb jedoch, und so erhielt der König vom Bürgermeister von Amsterdam eine neue Pflanze als Geschenk. Von dieser Pflanze, so sagt man, stammten alle Kaffeepflanzen, die im Jahr 1832 in den französischen Kolonien wuchsen.

In den Orangerien Ludwigs XIV. wurde Kaffee angebaut. Der geerntete Kaffee wurde von ihm höchstselbst zubereitet und mit seinen engsten Freunden geteilt. Auch sein Nachfolger Ludwig XV. ließ in Versailles Kaffee anbauen. Jährlich erntete man einige Pfund Kaffee, der König röstete die Bohnen selber und bereitete sich daraus Kaffee zu. Er liebte es, seinen Gästen Kaffee zu servieren.

Fazit

Kaffee war in Paris bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erhältlich. Mit der Ankunft des osmanischen Botschafters im Jahr 1669 nach Paris wurde Kaffee außerordentlich populär. Die Ess- und Sozialgewohnheiten änderten sich, wer etwas auf sich hielt, servierte seinen Gästen Kaffee und man frequentierte Kaffeehäuser. Ausgehend von Frankreich verbreitete sich die Kaffeemode zusammen mit französischen Sitten in Europa. Erst durch die Verbreitung dieser Sitten wurde die Grundlage für den Pousse Café in ganz Europa gelegt.

Ähnlich wie im Osmanischen Reich wurden Kaffeehäuser zu einer wichtigen politischen Institution. Im nächsten Teil werden wir uns näher mit der Rolle der Kaffeehäuser befassen.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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