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Ginepro, Amore mio! Italiens Brenner lieben Gin

Eine Gin-Bar für die Kaffeestadt Triest? Nicht nur das, der Anteil heimischer Destillate am Rückbuffet ist hoch. Spannendes Detail der Italo-Gins: Das markante Profil verdanken die Neuzugänge Grappa-Produzenten und der Kooperation mit Bartendern.

Geht James Joyce gerade in die Bar? Nun, die Richtung stimmt, denn eine Ecke weiter findet sich das Antico Caffé Torinese. Doch der irische Kultautor, der in Triest einst Sprachlehrer war, schreitet nur als Bronzestatue aus. Dabei hätte ihm die Gin-Auswahl von Matteo Pizzolino sicher gefallen. Sein Lokal kannte Joyce schon. Knapp bevor die Italiener 1915 den beiden Kaisern im Norden den Krieg erklärten, wurde es in der österreichisch-ungarischen Hafenstadt eröffnet. Doch nicht die martialische Vergangenheit, sondern die mixologische Gegenwart steht heute im Mittelpunkt in dem mit originalem Teakholz ausgekleideten Trink-Zimmer am Corso Italia.

Denn der zweite „Gin Craze“ ist kein Privileg Nordeuropas, auch wenn man wahlweise an Holland oder England denkt, wenn es um die Wacholderspirituose geht. Und die moderne Variante des mediterranen Gin haben praktisch die Spanier für sich monopolisiert. Dabei beziehen etliche der ikonischen Briten ihr wichtigstes Botanical, den auch in der gesetzlichen Definition als prägenden Geschmack festgelegten Wacholder, aus Italien. Schließlich soll sogar der Genever, Urvater allen Gins, eigentlich hier seinen mittelalterlichen Ursprung haben, deuten Klosterhistoriker an. Und eben hier beginnen Mikro-Destillerien wieder, ihren eigenen Gin zu produzieren. Bestes Beispiel ist Federico Cremasco, von dessen „Fred Yerbis“ Bartender Matteo „die einzige Flasche in Triest“ besitzt.

Gin, als Amaro verkleidet

Mit dem durchgestrichenen „D“ im Schriftzug wirkt er in seiner kantigen Flasche wie ein nordisches Produkt, stellt aber den nach eigenen Angaben ersten Gin aus dem Friaul dar. Dieser besteht zu 100% aus italienischen Zutaten: 43 Botanicals sind es insgesamt, die der Destillateur in Spilimbergo kombiniert. „Yerbis“ steht dabei für die friulanische Dialektvariante des hochitalienischen Wortes „Erbe“; denn die Kräuter haben es Cremasco immer schon angetan. Zwölf seiner Botanicals – etwa Fenchel, Thymian, Lavendel und Bohnenkraut – kultiviert er selbst, den Rest bezieht er aus ganz Italien: Orangenschalen aus Sizilien, der Wacholder für den 43prozentigen „Fred Yerbis“ kommt aus Umbrien.

Geschmacklich ist der schwer erhältliche, von Hand nummerierte Gin (ca. 30 Euro/0,5 Liter) deutlich mit der ur-italienischen Kategorie „Amaro“ verwandt. Statt blumiger Aromen verstärkt er die Bitterkeit des Wacholders noch, ergänzt wird sie nämlich durch weitere Wurzel- und Kräuterauszüge. Dass Cremasco seine Produktion mit einem Wermut und einem Magenbitter fortsetzen will, scheint da nur folgerichtig.

Lakritz: einfach, weils dem Brenner passt

Die Triestiner Bar mit dem Turiner Namen, die Matteo Pizzolino gerade nach Lehrjahren im berühmten Hotel Cipriani in Venedig übernommen hat, bietet unter ihren 36 Gins aber noch andere Italo-Start-ups. Die neue Gin-Liebe grassiert schließlich überall in Friaul und Venetien, wo der Grappa seine Heimat hat. Aus dessen Hochburg Bassano etwa stammt der auch international vermarktete „Marton’s“, mit dem Robert „Roby“ Marton 2013 am Beginn des aktuellen Booms stand. Die mit zwölf Botanicals auskommende Variante mit 47% Vol. wurde gemeinsam mit dem Bartender Luca „Grillo“ Grilletti in Treviso kreiert.

Ähnlich wie Craft-Brauer setzt auch Marton auf einen Geschmack, der ihm persönlich zusagt. „Lakritz war schon immer eine Leidenschaft von mir, sie ist einzigartig und vor allem sehr italienisch“. Gemeinsam mit Anis und sogar Meerrettich gibt sie dem gelblichen Gin die markante Aromatik. Als Signature Drink empfiehlt Roby einen „Italian Mule” (Marton’s Gin, Simple Syrup, Limette, Pimento). Im Gegensatz zu den nur in dreistelligen Flaschenzahlen produzierten neueren Italo-Kreationen ist der „Marton’s“ auch international erhältlich (EUR 34,90 Euro kostet die 0,7-Liter-Flasche).

Grappa-Kings als Gin-Macher

Auch eine internationale Grappa-Größe, Jacopo Poli aus Schiavon, packte jüngst der wacholdrige Ehrgeiz. „Beim Grappa spielt die Rebsorte eine wichtige Rolle, im Fall des Gins kann der Destillateur aber mit seiner eigenen Kreativität spielen“, schildert er den Unterschied aus seiner Sicht. Botanicals suchten Poli und sein Bruder Andrea bewusst in der Umgebung, den Vorbergen der Dolomiten. Zirbe und Bergkiefer sorgen für waldige Noten, Minze ergänzt als frische Zutat die üblichen Verdächtigen Koriander und Kardamom.

„Das Projekt stand fast vor der Aufgabe, da uns die ersten Batches nicht überzeugten“, gibt Poli offen zu. Letztlich gelang in der Vakuumdestillation das gewünschte „Aroma eines Waldspaziergangs“, das in vorerst 1.000 Flaschen gefüllt wurde: Italiens Elektrogenie Guglielmo Marconi fungiert als Pate, die „46“ am Etikett des „Marconi 46“ steht entweder für den Alkoholgehalt oder die Hausnummer der Polis in der Via Marconi. „Wir wollen mit den Großen nicht konkurrieren, wir schlagen nur unseren Stil vor“, so der Grappa-Meister.

The Greedy: Überall blühen Rosen

Noch exzentrischer ist nur noch „The Greedy“. Er stellt das dritte Produkt nach dem Zimtlikör „Cinico“ und einem Sweet & Sour-Mix dar, das Dave Garzon und Francesco „Chicco“ Mortai mit ihrem Label „About Ten“ gemeinsam kreiert haben. Eigentlich betreibt das Duo in Padua die Barschule „Flairtenders“, doch nach zweijährigem Vorlauf wurden gerade die ersten 350 Flaschen mit der diebischen Elster auf dem Label gefüllt. Den Namen „Greedy“ straft das Destillat Lügen – denn mit Aromen geizt dieser Gin wahrlich nicht.

Weißer Pfeffer, Lavendel und eine geballte Dosis Rosenblüten im Duft machen ihn zum vermutlich blumigsten Vertreter im Rückbuffet. Wer ihn nicht kennt, sollte in Kostnotizen gar nicht erst „floral“ schreiben. Nur kennt ihn eben niemand. „Das hier ist auch die einzige Flasche in der Stadt“, bestätigt Matteo in seinem Caffé Torinese. Doch das gilt nicht nur für Triest: auf Facebook scheint es eine anerkannte Sportart zu sein, dass sich Gastronomen als jeweils einziger bezeichen, die den „Greedy“ in ihrer Stadt führen. Gerade mal ein Online-Händler führt ihn um 47 Euro (0,7 Liter). Was ungeachtet des Preises aus deutscher Sicht schade ist, denn zumindest aromatisch machen die Italo-Gins allesamt eine „bella figura”. Heißen wir sie, sobald es geht, auch bei uns willkommen!

Credits

Foto: Triest via Shutterstock.

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