Gin & Tonic, lang lebe der Klassiker
Gin Tonic, bzw. Gin & Tonic, ist seit einiger Zeit ein Topseller im Longdrinkbereich. Auch, wenn er nie ganz weg war, so ist die Kombination aus Wacholder und Bitterlimonade seit Jahren ein Trendsegment. Doch die Renaissance des beliebten Highballs bringt auch Kuriositäten mit sich. MIXOLOGY ONLINE hinterfragt den Trend zu immer phantasievolleren Garnituren im Gin & Tonic.
Gin Tonic oder Gin & Tonic, egal wie man diesen Longdrink schreibt, er erfreut sich derzeit ungebrochener Beliebtheit! Speziell an diesen ersten Frühlingstagen gelüstet es viele Connaisseurs nach frischen, belebenden Drinks, die Saison von Scotch, Old Fashioned und Hot Buttered Rum ist vorbei. Ideale Bedingungen also für die nächste Welle an Gin & Tonics. Zwar kann der britische Highball mit der bitteren, frischen Aromatik auf eine lange, stolze Geschichte zurückblicken: als Medizin gegen die Malaria im sumpfigen indischen Klima.
Aber es gab lange Zeiten – insbesondere auf deutschem Boden – , in denen er sein Dasein eher am Rande der trinkenden Bevölkerung fristen musste. Und wenn doch, dann kam meist Gordon’s mit Schweppes Tonic auf den Tisch, garniert mit der obligatorischen Zitronenscheibe. Aber lange Zeit war es ohnehin beliebter Brauch, in so ziemlich jedes kohlensäurehaltige Getränk ein Stück Zitrone zu werfen.
The Times They Are A-Changing
An die Stelle zweier Benchmark-Produkte ist ein überbordendes Angebot sowohl an Gin als auch an Tonic Water getreten. Alte Firmen wie Fentimans finden immer mehr Zuspruch, aber auch junge Häuser wie Fever Tree oder Thomas Henry haben den Filler-Markt nachhaltig und qualitätsorientiert belebt, vom Gin ganz zu schweigen. Und quasi analog zur neuen Vielfalt der Produkte hat sich eine neue Lust an der Garnitur etabliert. Ursprünglich beheimatet in Spanien, wo der „Ginebra con Tónica“ traditionell kreativ ausstaffiert wird, ist der Trend des phantasievollen Dekorierens auch in andere Länder herübergezogen. Während Zitrone und Limette ausgedient haben, finden sich nun Kräuter, andere Früchte, diverse Zesten, Pfeffer oder die mittlerweile fast „normal“ gewordene Gurke. Aber auch „exotische“ Garnishes wie Paprika, Zimtstangen, getrocknete Beeren oder Currypulver wandern gemeinsam mit den flüssigen Bestandteilen ins Glas, das in Spanien freilich eine bauchige Copa sein muss.
Optik oder Aromatik?
Doch diese neue Praxis hat nicht nur Freunde. Der Kerngedanke beim Garnieren eines Gin & Tonic sollte sich von selbst verstehen: Im Normallfall will der Bartender durch ein geeignetes Garnish die Charakteristik des jeweiligen Gins hervorheben und ihm dadurch mehr Spielraum gegenüber dem Filler einräumen. Hinzu kommt, auch wenn mancher es nicht hören will, die optische Komponente: ein dezent garnierter Drink sieht einfach ansprechender aus als ein Glas voll farbloser Flüssigkeit.
Doch die Kehrseite dieser Idee liegt auf der Hand, weshalb immer mehr Kenner vom Garnieren Abstand nehmen. Wenn die gewählte Garnitur, sei es nun Rosmarin, Gurke oder eine lange Grapefruitzeste, zwar ein zentrales Aroma des Gins hervorhebt, was passiert dann mit den anderen Düften und Komponenten? Schließlich hat der Master Blender nicht umsonst eine halbe Ewigkeit über die geeignete Auswahl an Botanicals meditiert, damit ein komplexes Aromenprofil entsteht. Eines, das zwischen verschiedenen Noten oszilliert und mit fortlaufendem Genuss sogar die Richtung wechseln kann. Wird eine zu intensive Garnitur gewählt, ist genau diese Vielfalt gefährdet oder gar mit einem Mal erschlagen. Im schlimmsten Fall schmeckt der Drink vom Anfang bis zum Ende gleich, monoton und oberflächlich, egal wie viel Schmelzwasser ihm Raum zum Entwickeln gibt. Und das alles nur, weil die Garnitur zu dominant ist. Da kann man gleich Vodka-Tonic trinken.
Phantasie vs. Gin Tonic Purismus
Noch komplizierter wird es indes bei so untypischen, optisch oft signifikanten Garnituren wie Roten Pfefferbeeren, anderen Gewürzpulvern, Teemischungen oder infundierten Konfitüren, oft auch bei einer Art Mehrkomponenten-Garnitur: „Einen Gin Mare mit Thymian, weißem Pfeffer, kandierter Orange und Goldberg Tonic bitte!“ Abgesehen davon, dass natürlich auch so etwas zur Entstellung des eigentlich simplen aber ausreichend komplexen Highballs führt, verändert sich hier sogar die Textur des fertigen Produktes. Zwar will niemand behaupten, dass ein solcher Drink nicht schmeckt – im Gegenteil!
Es stellt sich nur die Frage: Ist das noch ein Gin Tonic?! Oder etwas anderes, ein Twist oder eine Anlehnung vielleicht? Man denke an den mittlerweile wohlbekannten Garden Tonic. Ein schöner Drink mit angenehmer Würzigkeit auf bitterfruchtiger Basis. Aber mit einem Gin & Tonic hat das nur den zweiten Teil des Namens gemeinsam.
Wofür man sich entscheidet, bleibt jedem selbst überlassen. Abwechslung und Innovationsdrang sind es schließlich, die für aufregende Neuerungen sorgen. Aber ein klassischer Gin & Tonic ist keine Bowle. Er bleibt ein Zweiteiler. So wie auch erst Angostura und Zitronenzeste aus einem Brandy mit Ginger Ale einen Horse’s Neck werden lassen. Aber dafür gibt es dann ja auch einen anderen Namen. Ein Gin & Tonic jedenfalls ist ein Gin & Tonic ist ein Gin & Tonic, um es mit Gertrude Stein zu sagen. Mehr muss gar nicht sein.
Oliver Steffens
Zugegeben, man kann uneins sein, ob der sich ankündigende Garniturentrend sinnhaft ist, entscheidend ist doch aber am Ende der Geschmack.
Am Ginthusiast Stand auf der Hanse Spirit hatte ich zehn Marken und zu jeder Marke haben ich und mein Team in einer Verkostung vorab eine Garnitur ausgewählt und ich muss sagen, dass das mir richtigen Garnitur das Geschmackserlebnis teilweise erheblich gesteigert werden konnte.
Nicht immer macht eine Garnitur Sinn. Aber manchmal eben schon. Und es gibt viele Gäste, die diese schätzen und nur noch wenige, die noch auf ihre Gurkenscheibe im Hendrick’s berichteten wollen
Oliver Steffens
Autokorrektur from hell