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Cocktail Competitions: Die fetten Jahre sind vorbei?

Globale Cocktail Competitions: Die fetten Jahre sind vorbei?

Cocktail Competitions waren für viele Spirituosenmarken einst der Heilige Gral, um vermeintlich wirksam nah an der hochwertigen Barszene zu sein. Diese Entwicklung war bereits leicht rückläufig, bevor der Corona-Cut kam. Wie sich zeigt, haben Lockdown und Krise dazu geführt, dass Wettbewerbsformate von ihren Absendern noch stärker hinterfragt werden. Eine Bestandsaufnahme zwischen Social Media, Ruhm, viel Lärm und so manchem verpufftem Budget.

Wenn man als junger Mensch um das Jahr 2009 herum die professionelle Barszene betreten hat, ist es recht wahrscheinlich, dass man mit der unfassbaren Wachstumsgeschichte globaler Cocktail-Competitions sozialisiert worden ist. Damit soll nicht der Eindruck geweckt werden, als hätte es die vorher nicht gegeben. Aber etwa 2010 begann die Zeit, in der aus zwei wichtigen Wettbewerbsformaten zwei globale Phänomene wurden: Die „World Class“ des Diageo-Konzerns und die „Bacardi Legacy“.

Wie Social Media zwei Platzhirsche entstehen ließ

Der Zeitpunkt war in der Rückschau nicht verwunderlich. Hinter der „neuen“ Bar lag bereits ein knappes Jahrzehnt der Entwicklung, Vernetzung und Konsolidierung. Die Kinderschuhe wurden beiseitegestellt zugunsten rahmengenähter Oxfords, die man zum Prohibitions-Look trug. Alles wurde allmählich größer. Das wiederum wurde dadurch begünstigt, dass im Prinzip erst am Ende des ersten 2000er-Jahrzehnts die wirkliche Wucht von Social Media einsetzte: Facebook als Massenmedium schwappte etwa ab 2009 in viele Märkte abseits der USA. YouTube wandelte sich vom ursprünglichen Slogan „Broadcast Yourself“ und einem charmanten Garagen-Image zu einem professionell nutzbaren und vom Google-Konzern hochentwickelten Vermarktungstool, für das nun vermehrt gezielt Inhalte erstellt wurden. Instagram wurde gar erst 2010 gegründet.

Überhaupt das Smartphone: Etwa ab 2010 wurde es langsam von der Ausnahme zum Normalfall. Die Nutzung des Internets wanderte vom Laptop und Browser immer mehr auf Smartphone-Apps. Die Barszene, wie wir sie heute kennen, entwickelte sich parallel zum Internet, wie wir es heute kennen. An der Bar stand gerade der Cuisine Style in voller Blüte, als das Internet sich ins echte Social-Media-Zeitalter aufmachte. Und wer ganz vorn mit dabei war, der postete im Herbst 2010 seine ersten Cocktailfotos bei Insta auf einem nagelneuen iPhone 4, das damals in der einfachsten Ausführung 629 Euro kostete.

Als World Class und Legacy sich plötzlich selbst vermarkten konnten

Ein zentraler Aspekt dieser generellen Entwicklung von Social Media im Bar-Kontext war das Anwachsen der genannten Cocktail-Competitions zu globalen Erfolgsgeschichten. Mit jedem Jahr ließ sich das Geschehen einfacher verbreiten und visualisieren. Was in den Anfangsjahren noch darauf angewiesen war, primär durch Fachmedien (ob in Print oder Digital) begleitet und an die Szene distribuiert zu werden, wurde mehr und mehr zum Selbstläufer, ob für die ausrichtenden Marken oder aber für die Teilnehmer:innen; zu einem Forum, das die teilnehmenden Menschen selbst bespielen, ausfüllen und für sich nutzen konnten. Und auch die Veranstalter selbst konnten diesen Multiplikations-Effekt für sich nutzen, damals auch noch ohne den Einsatz von bezahlten Posts.

So ist es nur schlüssig, dass die Bartender, die am Anfang der Zehnerjahre die großen globalen Titel abräumten, auch unter anderem jene Protagonisten waren, die zu den ersten neuen globalen Superstars der Branche wurden: Der Franzose Marc Bonneton (2011) und der damals in den USA lebende Japaner Shingo Gokan (2012) wurden durch ihre Gesamtsiege bei der Bacardi Legacy in völlig neue Bekanntheitssphären gehoben. Für ihre folgenden eigenen Projekte und Bars konnten sie plötzlich auf ein zuvor nie dagewesenes Netzwerk zurückgreifen und dieses Netzwerk auch selbst füttern. Allein 2022 hat Gokan drei Bars in Tokio und Okinawa eröffnet.

Den allergrößten Effekt allerdings dürfte der Slowake Erik Lorincz davongetragen haben: Mit seinem Sieg bei der World Class 2010 katapultierte sich der langjährige Headbartender des Londoner Savoy Hotel für einige Zeit in eine nahezu eigene Sphäre der Bekanntheit. Heute – zwölf Jahre später – ist er noch immer einer der erfolgreichsten Köpfe und Unternehmer der Szene, nicht nur als Barbetreiber.

Der Höhepunkt: Cruise Ship, Golfplatz, Fünfsterner

Die Folgejahre brachten dem Phänomen namens globaler Cocktail Competition eine Phase geradezu märchenhafter Strahlkraft. Diageo kaperte für eins seiner World-Class-Finals gar ein ganzes Kreuzfahrtschiff. In einem anderen Jahr wurden sämtliche Finalist:innen, Juror:innen sowie die restliche Truppe aus Markenbotschafter:innen, Presseleuten und Bar-Promi-Gästen erst im wahrscheinlich exklusivsten Golfclub der Welt im schottischen Gleneagles untergebracht und anschließend mit einem eigens gemieteten Zug nach London transferiert. Zu Spitzenzeiten kamen bei den globalen Endrunden der World Class Teilnehmer:innen aus über 60 Ländern zusammen.

Bacardi füllte mit dem Tross seiner Legacy-Events halbe Fünfsternehotels, transportierte in einem Jahr die komplette Entourage erst nach Miami und von dort weiter nach Puerto Rico. Oder man ließ – in wieder anderen Jahren – den finalen Showdown der besten acht Finalist:innen in Locations wie dem Moskauer Petrovsky-Palais, der Sydney Town Hall oder dem randvoll besuchten Berliner „E-Werk“ stattfinden – anschließende Party mit niemals leerem Daiquiri-Brunnen und Live-DJ-Set von Major Lazer inklusive. Mit einem piefigen gebrandeten Tresen, hinter dem ein Dutzend Barleute vor einer Jury ihre Drinks mixten, hatte das nichts mehr zu tun. Die Legacy-Finals waren zu ihrem Höhepunkt regelrechte Mega-Events mit vielen hundert Gästen, per Livestream transportiert auf wahrscheinlich tausende Bartenderhandys.

Lohnt? Sich? Das?

Über die Kosten und auch die realwirtschaftliche Rentabilität solcher Veranstaltungen wurde stets munter gemutmaßt. Doch so hoch diese Kosten auch gelegen haben mögen, schreckten sie eine Zeit lang nicht ab. Im Gegenteil. Zur Legacy und zur World Class (die immer in einer eigenen Zweier-Liga spielten) gesellten sich nach und nach andere Competitions mit weltweitem Anspruch: Nikka Whisky aus Japan zog seinen „Perfect Serve“ weniger als Cocktail-, sondern eher als Gastgeber-Wettbewerb auf. Besonders aktiv war auch der Pernod-Ricard-Konzern, der mit den Formaten „Absolut Invite“, „Beefeater MXLDN“, „Chivas Masters“ und dem „Havana Club Grand Prix“ auf Kuba (in Deutschland damals mit dem Vorentscheid „Academia del Ron“) zeitweise vier weltweite Competitions unterhielt.

Bacardi legte nach und spendierte zusätzlich zur Legacy auch seiner Gin-Marke Bombay Sapphire für einige Jahre eine globale Competition mit einem Höchstwert von ebenfalls rund 20 teilnehmenden Staaten. Nachdem der Bombay-Wettbewerb wieder auf Nordamerika reduziert worden war, bekam dafür Bacardis Tequila-Tochter das globale Format „Patrón Perfectionists“. Wie viele weitere Wettbewerbe auf kontinentalem Level von Brands veranstaltet wurden, lässt sich kaum noch beziffern. Für Bartender:innen, die Lust auf Wettkampf, kreative Herausforderungen, viel Netzwerken und kostenlose Reisen hatten, waren es Goldgräberzeiten.

Der Nutzen einer Finalteilnahme im gleißenden Rampenlicht und durch das Netzwerken vor Ort war für einige Barleute – und nicht immer unbedingt die letztlichen Gesamtsieger:innen – von teilweise unschätzbarem Wert. Gerade für Finalisten aus kleinen, sonst international eher wenig beachteten Ländern und Märkten zeigte sich das vielfach. Zwei Beispiele? Der Zypriote Dinos Constantinides oder Jad Ballout aus Beirut im Libanon. Beide gewannen zwar am Ende nicht, standen aber jeweils im globalen Top-8-Finale der Legacy. In den Folgejahren waren sie mit ihren Bars sozusagen Stammgäste bei den internationalen Award-Formaten und Bestenlisten. Zur „Bacardi-Family“ mit ihren vielen um die Welt verstreuten anderen Barleuten und viel reisenden Markenbotschafter:innen zu gehören, konnte sich auszahlen. Die meist etwas bescheidenen und teilweise auch unbeholfen auftretenden Vertreter:innen der deutschsprachigen Szene spielten in diesem Reigen praktisch keine Rolle. Aber das ist ein anderes Thema.

Wenn der Putz des Palastes zu bröckeln beginnt

Ungefähr ab 2017 jedoch ließen sich leichte Rückgänge im Bombast feststellen, wenn auch nur auf dezente Weise: Für die Finalwoche der Legacy in Berlin gab es kein Fünfsternehotel mehr, sondern die Entourage wurde im Amano Grand Central untergebracht. Bescheiden geht immer noch anders, aber wer das Geschehen über Jahre verfolgte und kannte, stellte sowas fest. Außerdem schien es so, dass sich eine Abnutzung in der öffentlichen Wahrnehmung etablierte: Die Meldungen über den oder die Sieger:in wurde zum Alltag, einmal im Jahr tickerte ein Name durch den Äther. Ein kleines bisschen schlich sich dabei ein Gefühl ein, als würde man lesen, dass der FC Bayern gerade Deutscher Meister geworden sei. Zudem mehrte sich die Zahl an Barleuten, die Competitions ausdrücklich nicht als ihr persönliches Bekanntheits-Instrument der Wahl ansahen. Vielleicht gerade weil das Bling-Bling manche abschreckte. Während Diageo und Bacardi jedoch ihr Programm weiterfuhren, stellte Pernod Ricard seine großen Formate der Marken Absolut, Beefeater, Chivas und Havana Club allesamt ein.

Und dann kam Covid.

Wie alles andere in der (Bar-)Welt wurden auch Cocktail-Competitions von einem auf den anderen Tag abgestellt. Es gab sie einfach nicht und es interessierte sich auch niemand mehr für sie. Die Bar hatte andere Probleme. 2020 fand kein globales Finale von World Class oder Legacy statt. Diageo nahm 2021 einen neuen Anlauf und führte die komplette globale Endrunde online im Remote-Verfahren durch. Bacardi holte das Finale mit den ursprünglichen Aspirant:innen von 2020 auf der gleichen Weise im Jahr 2021 nach. Digitales Feuerlöschen, wie es vielerorts stattfand. Die Siege das Kanadiers James Grant (World Class) und Praphakorn Konglee aus Thailand (Legacy) – sie dürften in den Geschichtsbüchern der Bar auf ewig mit einem Sternchen oder Anführungszeichen versehen sein.

Neustart in einer neuen Welt

Eigentliches Aufsehen gab es aber 2022. Denn nach dem zweiten vollen Covid-Jahr, einer beginnenden Lockerung aufgrund von Impfschutz und entstehender Immunisierung sowie einem allgemeinen globalen Aufatmen fand Diageos World Class wieder in gewohnter Manier statt – mit über 50 Finalist:innen in Sydney. Wen wundert es. Nach zwei Jahren der digitalen Ferne sehnte sich die Menschheit nach nichts so sehr wie nach echtem, physischem Kontakt. Doch die Legacy? Es gab keine. Gar keine. Bleibt das so? Die Antwort des Veranstalters darauf ist überraschend transparent und ehrlich.

„Es wird auch 2023 keine Bacardi Legacy geben“, erklärt Martin Thibault, Head of Advocacy bei Bacardi Deutschland, der ebenfalls einräumt, dass ihn und seine Kolleg:innen im Lauf von 2022 sehr viele einschlägige Nachfragen erreicht hätten. Sie soll allerdings wiederkommen, dann wahrscheinlich nach insgesamt dreijähriger Pause: „Die Legacy muss sich neu erfinden. Dieser Prozess ist gerade in der Entwicklung und wir werden voraussichtlich 2024 mit einem neuen Konzept starten“, so Thibault weiter.

Die Gründe für diesen fundamentalen Neuaufbau seien in den Bedürfnissen der Branche verwurzelt. So habe die Entscheidung für die Überarbeitung weniger aus der internationalen Konzernleitung hergerührt, sondern aus vielen einzelnen Ländern und Märkten: „In vielen Regionen haben wir einen Rückgang der Teilnehmerzahlen bemerkt und daraus unsere Konsequenzen gezogen – etwa die, dass ein Wettbewerb, der sich so sehr auf einen einzelnen Drink und dessen Vermarktung fokussiert, wahrscheinlich nicht mehr zeitgemäß ist“, meint der Bacardi-Mitarbeiter. Ziel des nun entstehenden, neuen Konzeptes soll es ihm zufolge sein, die Legacy zu einem ganzheitlicheren Programm auszubauen, das „tiefer in die Materie eindringt. Wir wollen die Bartender:innen rund um die Welt nach wie vor engagen und ihnen eine Bühne geben. Aber dafür müssen wir uns von einigen Zwängen lösen, die bei der bisherigen Form der Legacy bestanden haben.“

Das Geld anders einsetzen

Eine Erkenntnis der Pandemie war in vielen Unternehmen auch, die vorige Budgetpolitik zu durchleuchten und sich neu aufzustellen. Grundlegender und langfristiger sind daher die beschriebenen Veränderungen bei Pernod-Ricard, wie der deutsche Teamleader Education & Advocacy, Christian Balke, erläutert. Als früherer langjähriger Markenbotschafter für Havana Club kennt er die große Zeit der Competitions selbst sehr gut und erinnert sich: „Unsere früheren Competitions haben natürlich riesigen Spaß gemacht. Aber man sollte alles, was man macht, immer mal wieder hinterfragen.“

Bei Pernod-Ricard seien er und viele andere Mitarbeitende irgendwann zu einem klaren Ergebnis gekommen: Man wolle weg vom Konzept einer Competition, die sich an eine extrem verengte Zielgruppe aus Bartender:innen richtet. Dabei räumt er die Pandemie als weiteren Stein des Anstoßes ein: „Corona hat Probleme verdeutlicht, die schon vorher da waren.“ Sozusagen als Nachfolge hat der Konzern unter Balkes Federführung die international aufgestellte Bildungs- und Netzwerk-Plattform „SIP“ entwickelt: „Das Ziel ist für uns inzwischen, mit einem Programm wie SIP die Kompetenzen zu bündeln und auf internationaler Ebene Branchen und Menschen zu vernetzen – und zwar aus der gesamten Gastronomie mit Bars, Clubs, Restaurants, Hotels und anderen Bereichen. Ich glaube, es macht mehr Sinn, als Connector zu fungieren.“ Überdies, so Balke, rolle Pernod in Form des zusätzlichen Formats „Bar World of Tomorrow“ (BWOT) seit 2021 unter der inhaltlichen Leitung von Kelsey Ramage („Trash Tiki“) ein Programm aus, das sich explizit auf die Bedürfnisse und die Ansprache der Bar-Community beziehe. In Deutschland sollen unter der BWOT-Flagge ebenfalls „zeitnah Workshops und Trainings für die Barszene“ angeboten werden. Denn natürlich wolle Pernod „die gesamte Hospitality-Branche“ adressieren, die „Bartender-Zielgruppe ist aber nach wie vor sehr wichtig für uns“, schließt Balke ab.

Damit legt Pernod-Ricard einen Weg an den Tag, wie ihn auch Brown-Forman Deutschland vor gut einem Jahr gegangen ist: Aus dem mehrere Jahre lang geführten, vielbeachteten „Master Of American Whiskey“, ein Hybrid aus Education und Wettbewerb, wurde vor rund einem Jahr das „Bar-Fabric“-Programm, das sich komplett vom Wettbewerbsgedanken entfernt und sich stattdessen vollständig auf Aspekte wie Weiterbildung, Networking und Community Management konzentriert – und neben Deutschland gleichzeitig in Großbritannien ausgerollt wird. Senior Brand Advocacy Manager Ann-Sophie Brune-Bau erklärt dazu: „Jedes Konzept hat seine Zeit. Vor rund sieben Jahren haben wir Master of American Whiskey als innovatives Programm und mit großer Resonanz seitens der Bartender Community gestartet. Es ging schon damals um weit mehr als einen reinen Cocktailwettbewerb.“

Entscheidend für die frühere Konfiguration sei aber auch gewesen, dass Brown-Forman Deutschland sich bis vor Kurzem sehr stark auf sein Whiskey-Portfolio konzentriert habe. Mit den Akquisition oder Entwicklung von Marken wie Fords Gin, Slane, Diplomatico Rum, Glendronach und zuletzt Gin Mare sei die Range aber deutlich diverser geworden. Man habe nicht nur selbst neue Expertise gewonnen, sondern: „Zeitgleich haben sich die Bedürfnisse und Ansprüche der Bartender:innen weiterentwickelt. Es war somit an der Zeit, unser Programm auf ein neues Level zu heben und dabei nicht nur Spirituosenkategorie-übergreifende Inhalte anzubieten, sondern auch alle Ebenen der modernen Hospitality wie auch der Wissensvermittlung einzubeziehen“, begründet Brune-Bau den Schritt hin zu einem rein edukativen Programm.

Die Zeit wird zeigen, welche Rolle Competitions einnehmen sollen

Und Diageos World Class? Speziell hierzulande gab es diesbezüglich kürzlich Neuigkeiten: Der hiesige Gewinner von 2019, Sembo Amirpour aus Bonn, hat im Herbst 2022 den Posten als World-Class-Ambassador für Deutschland angetreten, der seit rund eineinhalb Jahren vakant gewesen war. Für die nahe Zukunft der World Class gibt er zu Protokoll: „In den letzten Jahren sind die Anmeldungen von Bewerber:innen durch verschiedene Faktoren beeinflusst worden und waren leicht rückläufig. Grund dafür war hauptsächlich die Corona-Pandemie, die die gesamte Branche beeinträchtigt hatte.“ Die Wiederaufnahme samt großem Finale in Sydney scheint jedoch zufriedenstellend verlaufen zu sein, denn insgesamt will man an der inhaltlichen und formalen Disposition der World Class auch künftig festhalten, wie Amirpour bestätigt: „Wie wir 2022 mit Freuden feststellen konnten, ist die Entwicklung der Anmeldungen wieder stark steigend und wir erwarten in diesem Jahr wieder eine Anzahl an Teilnehmer:innen wie auf dem Stand vor der Pandemie – sogar noch darüber hinaus. Ein klarer Aufwärtstrend ist zu erkennen!“

Damit bildet die World Class – Stand heute – also eher die Ausnahme. Das Konzept soll beibehalten werden, während vielerorts ansonsten Events eingestellt oder Konzepte massiv transformiert werden. Dabei muss man fairerweise hinzufügen, dass die World Class aus inhaltlicher Perspektive immer schon diverser und vielfältiger war als andere Formate, die doch fast immer ausschließlich Cocktailwettbewerbe blieben.

Ob sich dieser Weg also für Diageo weiter lohnt, kann nur die Zeit zeigen. Und diese Zeit steht vor massiven Herausforderungen. Reisen wird, wie alles andere, massiv teurer. Corona führt noch immer – aktuell beim Blick nach China – zu Verwerfungen der früheren globalisierten Strukturen. Der russische Krieg in der Ukraine tut sein Übriges.

Die Skepsis der Konsument:innen gegenüber den teilweise immer dystopischer werdenden Sozialen Medien und der dort erzeugten Scheinwelt steigt seit vielen Jahren; ein Begleitumstand, der auch Teilnahmen an Competitions für Barleute weniger reizvoll machen könnte. Was einst der Zauber war, könnte verpuffen. Generell scheint sich die Barszene außerdem vermehrt aufzuspalten in einen Teil, der Competitions sehr ernst nimmt, und einen weiteren Teil, der ihnen keine wirkliche Beachtung mehr schenkt. Ob also ein derartiges Invest langfristig Sinn macht, werden die entsprechenden Brands im Lauf der Jahre selbst bewerten müssen. Hinzu kommt der simple Begleitumstand, dass auch das zentrale Problem des Personalmangels sich niederschlagen wird. Denn wo Personal rar ist, dürfte es tendenziell seltener möglich sein, dass Mitarbeiter:innen wegen einer Teilnahme an einer Competition mehrfach pro Jahr für ein paar Tage mehr oder weniger außer der Reihe in den Urlaub gehen – zumal eine wachsende Zahl von Barleuten inzwischen ein anderes Verständnis von der Nutzung ihrer Urlaubstage zu wirklichen Erholungszwecken entwickelt hat. Eine Competition ist vieles. Aber keine Erholung.

Den vielzitieren Königsweg kann es ohnehin nicht geben. Nur eins steht fest: Die großen Cocktail-Competitions können nicht mehr zurück nach 2013. Denn 2023 bietet eine Welt, die wir uns vor zehn Jahren nicht vorstellen konnten. Es ist kein Wendepunkt. Aber der Scheitelpunkt scheint erreicht.

Credits

Foto: mitoria - stock.adobe.com; Bearbeitung: Editienne

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