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Guest Bartending auf Events

Warum Guest Bartending symobolisch für ein sich veränderndes Barhandwerk steht

Heute sind Bartender nicht mehr ausschließlich an den eigenen Tresen gebunden. Oft jetten sie von Workshops zu Fachvorträgen und Wettbewerben und teilen den Globetrotter-Lifestyle in sozialen Medien.

In diesem multidisziplinären Professionsalltag nimmt auch Guest Bartending eine tragende Rolle ein. Was aber steckt hinter dem Erfolgsrezept Gastschicht – und was bringt es dem Stammgast?

Wo sind der vertraute Bartender oder die liebgewonnene Bartenderin, die wir zu Feierabend unbedingt in der Kiez-, Szene- oder Lieblingsbar jederzeit antreffen? Die uns jenen Cocktail kreieren, nach dem wir uns nach getaner Arbeit, zwischendurch und manchmal dringendst sehnen? Vertraute, Gesprächspartner, persönliche Gastgeber-Instanzen im Großstadtdschungel. Zumeist sind sie vor Ort. Manchmal aber haben sie Besuch oder gehen fremd.

» Heute kann man Bartender sein, ohne die ganze Zeit Dienst hinter dem Tresen zu verrichten. «

Bartending hat sich verändert

Heute ist Bartending durch multidisziplinäres Engagement ihrer Protagonisten geprägt, durch Weiterbildung bei Workshops, Wettbewerben oder Destillerie-Besuchen – oder einem späteren Wechsel zum Markenbotschafter einer Spirituosenbrand; ganz abgesehen von den unternehmerischen Anstrengungen, die Barbetreiber zudem leisten.

Heute kann man Bartender sein, ohne die ganze Zeit Dienst hinter dem Tresen zu verrichten. Bartending hat sich verändert. „Der moderne Barkeeper ist nicht mehr an die Bar gebunden“, wird der gebürtige Portlander Jim Meehan jüngst in einem Punch-Beitrag zitiert.

Im Februar dieses Jahres gastierte der Bartender, der die New Yorker PDT Bar zu einer der einflussreichsten ihrer Zeit werden ließ, in der Schumann’s Bar am Hofgarten, um sein Bartender Manual vorzustellen und anschließend im Les Fleurs du Mal eine Gastschicht zu geben.

» Vor 20 Jahren war es, vor allem in der Hotellerie, undenkbar, dass ein Gastbartender die Bar übernimmt. «

Austausch bei Wettbewerben und Branchen-Festivals

Guest Bartending macht einen wesentlichen Teil des nomadischen Lebensstils vieler junger Bartender aus. In den vergangenen zehn Jahren hat sich diese Praxis zu einer gängigen und vor allem populären entwickelt, die ihre Wirkung neben dem Austausch bei Wettbewerben und Branchen-Festivals wie dem Bar Convent Berlin gerade in sozialen Medien versprüht und vertieft.

„Vor 20 Jahren war es, vor allem in der Hotellerie, undenkbar, dass ein Gastbartender die Bar übernimmt. Diese Entwicklung hat sich erst vor gut zehn Jahren und in Verbindung mit Social Media manifestiert. Natürlich kannte man Deutschlands Koryphäen und Helden der Nacht, aber organisiert oder vernetzt waren sie in dieser Form nicht“, betont Peter Schütte die Bedeutung des digitalen wie dadurch intensivierten persönlichen Netzwerkens innerhalb der Gemeinschaft.

Schütte, der vor knapp 30 Jahren als Bartender, Trainer und Gründer der Cocktail Convention Bar- und Cocktailschule in das Metier eingestiegen ist, hat die Weiterentwicklung hautnah miterlebt und ist froh über das neue Berufsbild des Bartenders, dem in der heutigen Gesellschaft durch die veränderten Arbeits und Weiterbildungsmöglichkeiten ein durchaus positiv besetztes Standing widerfährt.

Bars wiederum profitieren von neuen Gesichtern

Als nunmehriger nationaler Markenbotschafter des venezolanischen Botucal Rum, international als Ron Diplomático bekannt, begrüßt er auch die Einrichtung des Guest Bartending. „Es ist eine Win-Win-Situation sowohl für die Bar als auch den Bartender, denn sie gucken beide über ihren Tellerrand. Früher war es nur wenigen Bartendern vorbehalten, andere Techniken und Arbeitsweisen kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln. Bars wiederum profitieren von neuen Gesichtern hinter ihren Tresen, ziehen Publikum an, Followers verfolgen ihre Bartender und so weiter“, propagiert er den Austausch wie auch die Option eines kompletten, von der Industrie gesteuerten Bar Take-Overs mit eigens kreierten Cocktail-Rezepten und Sponsorenprodukten. „Als Brand Ambassador ist das für mich noch interessanter, weil ich die Brücke zwischen Marke und Bar schlagen kann“, sagt Schütte. Den Rest – die Vernetzung der Bartender-Community, digitale Aufmerksamkeit, Präsenz und Reichweite und den Interessenaustausch – übernehmen Posts und Hashtags.

» Als Brand Ambassador ist das für mich noch interessanter, weil ich die Brücke zwischen Marke und Bar schlagen kann. «

Peter Schütte

Guest Bartending als Networking- und Marketing-Effekt

„Der Austausch zwischen Gastbartender und Gastbar ist riesig. Als Gastbartender blickt man hinter die Kulissen, lernt andere Abläufe kennen, erkundet den Stil der Bar und ihrer Mitarbeiter und lernt die Gästeklientel von Bar und Stadt kennen“, findet Jason Kandid-Knüsel, der nach Stationen in der Zürcher Clouds Bar oder The Chedi Andermatt an der Seite von Maxim Schulte in der Londoner American Bar The Savoy arbeitet.

Wenn er nicht „gastarbeitet“, wie zuletzt mit Maxim Schulte in der Zürcher Bar am Wasser. „Dreiviertel der Gäste waren aus der Gastronomie, aber auch ein paar Cocktail-Aficionados unserer Stammkunden ließen sich den Barbesuch nicht entgehen“, sagt Dirk Hany, dessen Bar an beiden Besuchstagen komplett ausgebucht war. Mit Schulte und Kandid-Knüsel, der bei den Swiss Bar Awards 2017 zum Barkeeper of the Year gekürt worden ist, hat Hany zwei bekannte Persönlichkeiten und mit ihnen neben dem nicht nur seiner Meinung nach immens wichtigen Networking- auch den Marketing-Effekt an Bord geholt, den „Testimonials“ aus anderer Länder Bars mit sich bringen.

Mit Kollegen aus dem Ausland und Trendsettern mit höherem Bekanntheitsgrad werden die abwechslungsreichen Networking-Get-togethers noch zugkräftiger. „Gerade wenn man sie länderübergreifend veranstaltet. Wir hatten schon Gastbartender aus Russland bei uns“, schätzt Konstantin Hennrich aus der Berliner Stairs Bar den Austausch und die Abwechslung, die er allerdings sehr moderat umsetzt.

Bartender reisen zu Branchengrößen

Vor allem, um seine Gäste mit Veranstaltungen nicht zu überladen. Dass Gastschichten nicht innerhalb des eigenen Umfeldes, sondern zumindest städte- und besser länderübergreifend Sinn und Bereicherung stiften, findet auch Schütte. Vor allem wenn auch noch Branchengrößen wie Jared Brown oder Alex Kratena an den Start gehen und internationales Großstadtflair verströmen. „Zu diesen Events reisen auch Bartender-Kollegen an.“

Von großen Gastauftritten hält Gerhard Tsai nicht viel. „Der Guest Bartender muss zum eigenen Barkonzept passen, und auch umgekehrt muss es stimmig sein. Jemanden nur des Namens wegen für einen Abend zu holen, sehe ich als sehr riskant“, findet der Betreiber der Wiener Bar Tür 7. Grundsätzlich meidet er Gastschichten, hin und wieder aber lässt er Guest Bartender in die gewohnten Abläufe der Tür 7 eintauchen, um sich selbst dann als Gastgeber ein wenig freispielen zu können. Schließlich stünden stets die Dienstleistung, das Gastgeberdasein und der Gast im Vordergrund.

» Die Gäste haben oft nicht so viel davon. «

Susanne Baró Fernández

Guest Bartending oft nur gesponserte Werbeveranstaltung

Wenn eine Bar komplett übernommen wird, gibt es den gewohnten Drink eines Gastes möglicherweise zu dieser Zeit nicht. Hier sieht Susanne Baró Fernández, Betreiberin der Berliner Bar Timber Doodle, den Hund begraben. „Die Gäste haben oft nicht so viel davon“, sagt sie und findet sich damit im Gros der Meinungen über den Guest-Bartending-Wert für den Endkonsumenten wieder.

Den Nutzen von Gastschichten wie Vernetzung, Social Media Spread für die Marken-Bar, Spirituose und Bartender, finanzielle Anreize, der Blick hinter die Kulissen der Gastbar oder die gegenseitige Befruchtung wohl wissend, verzichtet sie auf Gastschichten, weil es ihr um „die tatsächlichen Gäste in der Bar geht“, die bei ihren Stammbartendern „das gleiche wie immer“ trinken möchten, das aber bei einer gesponserten Werbeveranstaltung nur eingeschränkt möglich ist.

Bartending hat sich also verändert. Auch der Gast?

„Mir bleibt vor allem das Gefühl, dass es eine Veranstaltung von und für Bartender sowie die Industrie ist. Der Gastgeber selbst muss ein wenig zurücktreten, mehr erklären, Gäste ins Boot holen und vor allem: überhaupt Gäste holen“, so Baró Fernández, die bisweilen sogar das Gefühl einer gewissen Selbstbeweihräucherung innerhalb der Szene beschleicht und Zweifel an der Notwendigkeit einiger Gastschichten sowie mancher Zusammenstellung von Bars und Gastbartendern hegt.

Comments (2)

  • Peter Schütte

    Eine solide Bestandsaufnahme die Pro & Contra der Thematik gut ausleuchtet. Danke das ich hier einen kleinen Beitrag leisten dürfte. Ich für meinen Teil bleibe bei pro Bartakeover. Man sollte nur die Bar und deren Diversität nicht aus den Augen verlieren.

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  • Goncalo

    Traveling Mixologists

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