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Zwischen Bourbon und Bildern: Hauke Thüring

Die Philosophie des sympathischen Barchefs der Berliner Institution rivabar setzt auf Solidität, Service, Basishandwerk und Kommunikation. Hauke Thüring schwört dabei auf theoretische Grundlagen, die er dann in der Praxis umsetzen will. Zugleich lassen ihn gewisse Bilder von einer Bar in der Zukunft träumen, die gar keine ist. Aber noch sind wir in der Gegenwart.

Eigentlich ist Hauke Thüring, 27, nach der Schule auf der Suche nach etwas Solidem, vielleicht gar Langweiligem. Dann findet er einen Job, eine Praktikumsstelle im Hotel Maritim am Timmendorfer Strand. Sofort ist er fasziniert von der Eleganz und Quirligkeit an der Bar. Doch ein Arbeitsbereich fixt ihn besonders an: die Backbar und alles, was sich hinter der Sichtbarkeit einer Bar abspielt – die klandestinen Welten, ohne die keine Bar funktioniert.

Apropos funktionieren. Hotels sind ja bekanntlich Meister des Verbergens eigener Schwächen und Managementversäumnisse. Für Thüring ist das die Chance. In Ermangelung ausreichenden Personals für die Hotelbar, ist der inzwischen Auszubildende bis zum Ende seiner Lehrjahre der ständige Bartender in dieser Institution. Der solide und ruhende Pol in einem improvisierten und eher unsoliden Kosmos.

It´s the service, stupid!

Thüring studiert Bücher und Blogs, streamt Videos auf YouTube von anderen Bartendern, arbeitet sich in die Materie ein und bringt sich Techniken bei – Selbstausbildung. Nach dem Ende seiner „Ausbildung“ folgt ein kurzes Intermezzo in einer Studentenkneipe in Kiel, die ihn mit ihrer Belanglosigkeit zurück in die Arme der Institutionen treibt. Im Atlantic Hotel trifft er auf Ravindra Silva, seinen ersten Mentor.

„Dort habe ich erst wirklich verstanden, wie man die theoretisch erworbenen technischen Kenntnisse einsetzt und wie man mit den Produkten kreativ und effizient umgeht. Die Rooftop-Bar im Atlantic ist eine echte High-Volume-Bar mit Traumblick auf die Kieler Förde. Vor allem habe ich viel im Service gearbeitet und dessen überragende Bedeutung begriffen, sei die Hütte noch so voll“, erinnert er sich. Thüring kennt die oft dahergeredeten Lippenbekenntnisse über die Relevanz der Gastgeberschaft. Man liest immer wieder davon. Besucht man dann die entsprechende Bar, erlebt man eher das Gegenteil. „Ich weiß nicht, was so mancher Bartender darunter versteht. Leider trifft man oft auf Selbstdarsteller. Das will ich besser machen. Zum Berufsbild gehört, dass man gerne mit Menschen kommuniziert, das Sprechen und die Beratung zur Stärke ausbaut. Service ist das Wichtigste, guter Service kann auch einen mittelmäßigen Drink retten“, dekretiert Thüring seine Philosophie.

Berliner Wohnzimmer mit Faszination und Schaudern

Nach zweieinhalb Jahren über den Dächern von Kiel zieht es ihn in die Niederungen seiner Lieblingsstadt, nach Berlin. Er landet zunächst in der Pop-up-Bar Rocko & Sanny. Sie kommt seiner persönlichen Vorliebe für Bars in manchem ziemlich nahe. Für Thüring ist eine gute Bar klar definiert: „Sie muss sein wie ein Wohnzimmer. Ein dunkler, verrauchter Raum, wo man sich fallen lassen kann.“ In diesem Sinne schätzt er besonders das Becketts Kopf und das vorübergehend geschlossene Le Croco Bleu. „Ein besonderes Vorbild für mich ist Christian Gentemann mit der Bar Hotel am Steinplatz. Die machen alles richtig. Ein ganzheitliches Konzept, was Kreativität, Drinks und Service angeht“, schwärmt er.

Blende zurück: Nach der Berlinbeginnerschmiede Rocco & Sanny geht es erneut hoch hinaus. Im Berliner Westen, über den Wipfeln des Tiergartens, zu Füßen der Zoo, sorgt die Monkey Bar für Furore. Thüring gehört zum Pionierteam, das diesen Hot-Spot mit aufbaut. „Da habe ich dann wirklich begriffen, was eine High-Volume-Bar ist und auch, wo sie an ihre Grenzen und die der Mitarbeiter stößt“, erinnert er sich mit einer Mischung aus Faszination und Schaudern. Neues Kapitel.

Theorie und Praxis

Thürings Neigung, sich theoretische Grundlagen für das anzueignen, was er dann in die Praxis umsetzen will, lässt ihn das Studium als Betriebswirt für Hotellerie und Gastronomie aufnehmen. Parallel findet er in dem Berlin-Mitte-Dauerbrenner rivabar eine neue Heimat. Hier scheint er mit aller Konzentration seine Vorstellungen umsetzen zu können. „Nach Beendigung meines Studiums im Sommer 2016 fragte mich der Inhaber Jean-Pierre Ebert, ob ich mir vorstellen könne, Barchef zu werden.“

Seither bekleidet er diese Funktion und macht sich daran, an den Dingen zu arbeiten. „Wir entwerfen gerade eine runderneuerte Karte. Um die Verderblichkeit der Produkte besser steuern zu können, wird die Karte kleiner ausfallen, viele Eigenkreationen beinhalten und eigene Cordials sowie Limonaden kommen zum Einsatz“, erklärt er. Das Personal werde ständig trainiert, der Service groß geschrieben. Nichts abgehobenes, aber das gut – so lautet das Credo. Da Thüring ein Bourbon- und Old Fashioned-Fan ist, findet sich diese Spirituose prominent wieder. Privat weicht er gerne auf Mezcal und besonders auf fruchtige Tiki-Drinks mit diesem Kultdestillat aus. Besonders hat es ihm auch die Verbindung aus Food und Drinks angetan, im Idealfall sinnvolles Foodpairing. „Ins Panama würde ich am liebsten einziehen“, beschreibt er seine Metapher für die gelungene Umsetzung dieses Konzepts. Für Thüring die perfekte Vermählung von Theorie und Praxis.

Zu den Ursprüngen

Durch Thürings Kopf, den leidenschaftlichen Cineasten und Hobbyfotografen, laufen Bilder. „Ich mag es gerne rau und mit genauem Blick. Schottland und Island werden meine nächsten Reiseziele sein, um den Blick zu weiten und analog zu fotografieren. Die Dinge müssen auch mal stillstehen.“ Ungefähr so, wie in zehn Jahren. Da sieht sich Thüring, wenn der Kairos ihm einen Schubs gegeben hat, in seiner eigenen Bar. Sie hat aber keinen Tresen, sondern ist zurückgekehrt zu ihren Ursprüngen: ein Spirituosen-Laden mit Ausschank. „Trinken und kaufen, wie vor 150 oder 200 Jahren“, nennt er das – wo auch immer. Analog und solide.

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