Hemingway Bar Freiburg: Vier Jahrzehnte Breisgauer Barkultur
Hemingway Bar. Es gibt wohl kaum einen Namen, der global häufiger für eine Bar gewählt wird, als jener des cocktailaffinen, trinkfesten US-Literaten. Hemingway Bars sind über den Globus so verstreut wie sonst nur H& M-Filialen. Das hat auch einen Grund: Viele dieser Bars wurden in den 1980ern oder 1990ern gegründet, als die Bezeichnung Hemingway einen Anstrich der Modernität hatte. Viele dieser Orte sind tatsächlich auch Wiegen der Cocktail-Renaissance. Andere wiederum sind in dieser Zeit verharrt und servieren weiterhin funky-farbenden Sex on the Beach anstatt Death in the Afternoon.
Auf die Hemingway Bar in Freiburg trifft jedenfalls Ersteres zu. Auch sie wurde in den 1980-ern gegründet, als der Name Hemingway über einer Trinkstube ein Frischesiegel des Verwegenen und Verführerischen war. Im Gegensatz zu vielen Namensvettern ist die Bar im Hotel Victoria inhaltlich jedoch nicht in der Vergangenheit verharrt. Ganz im Gegenteil. Sie ist vielmehr zur Brutstätte der Freiburger Cocktailszene geworden, eingebettet in einem Hotel, das seit Dekaden als ein grünes Vorzeigehaus gilt.
Der Traum von der englischen Bar in Freiburg
Aber der Reihe nach. Zurück in die Achtziger und zu Karl Späth, der 1964 nach dem Tod seines Vaters Markus Späth die Geschicke des Hotel Victoria übernahm. „Mein Großvater Karl Späth hatte als junger Mann eine Zeit lang in England gearbeitet. Als er den Hotelbetrieb übernahm, hat er immer von einer englischen Bar geträumt. Die hat er dann auch umgesetzt und sich 1980 Möbel aus Großbritannien bestellt, für die damalige Zeit sicher ein besonderer Schritt“, erklärt Johannes Späth.
Der 34-Jährige betreibt in vierter Generation das Haus in der Eisenbahnstraße. 2015 ist er in die Geschäftsführung eingestiegen, die er sich mit seinem Vater Bertram Späth teilt. Dieser wiederum hat mit seiner Frau Astrid das ehrwürdige Gebäude, das bereits 1870 erbaut wurde, seit seinem Einstieg 1985 zu einem Pionierhotel in Punkto Umweltfragen geformt.
Das Hotel Victoria mit seinen auf drei Etagen verteilten, 64 Zimmern hat nämlich in Sachen Nachhaltigkeit und Energiekonzepte mehr Auszeichnungen errungen als Roger Federer Grand-Slam-Titel. Das Ehepaar Späth wohnte etwa schon zu Studienzeiten in München in einem Haus mit Sonnenkollektoren und hat seine Vision eines grünen Beherbungsmodells konsequent weiter betrieben, 2010 etwa gab es dafür den „Environmental Award“, den ersten weltweiten Preis für hervorragenden Umweltschutz.
Die bunten Neunziger auch in der Hemingway Bar
Und dort unten in diesem eleganten Haus, wo früher der historische Weinkeller für kühle Flaschen sorgte, brummt seit 2008 die Hemingway Bar vor sich hin. „Zu Beginn war die Bar als ‚Hotelbar Victoria‘ noch im Erdgeschoss angesiedelt“, erklärt Johannes Späth. „Da gab es einen dicken, skurrilen roten Teppich, dazu einen Pianospieler. Es war ein kleiner Raum und eher für Hotelgäste, Freiburger kamen kaum.“
Sein Vater aber hatte nach seinem Einstieg 1985 als Erstes der Bar den Namen Hemingway verliehen, und die bald folgenden Piña-Colada-Nineties hatten auch Auswirkungen auf die Bar. „Wir hatten eine Riesenkarte mit 100 Cocktails, da war man auch richtig stolz drauf. Viel fruchtige Drinks, Hauptsache bunt“, umreißt Johannes Späth, dessen eigene Kindheitserinnerungen aber eher an das damals noch betriebene Restaurant (das 1964 unter Hans Rudolf Treichler erstmals eine Gault-Millau-Erwähnung für Freiburg erkocht hatte) als an die Bar gebunden sind.
Die Hemingway Bar ist jedenfalls nicht bei Tom-Cruise-Gedenkschirmchen stehen geblieben, sondern hat sich immer weiterentwickelt. Die Namen, die ihre Schule durchliefen – und die für ihre Entwicklung mitverantwortlich waren –, muss man in der Barszene eigentlich niemandem vorstellen: Andreas Schöler, MIXOLOGY-Bartender des Jahres 2018 Jan Jehli, der frühere Made-in-GSA-Sieger Alexander Mayer, Stephan Bahr, Anton Roeder, Steffen Hubert, Florian Hubrich oder Boris Gröner, der 15 Jahre lang vor Ort war, bevor er in die Passage 46 wechselte und schließlich mit Andreas Schöler das One Trick Pony eröffnete – sie alle durchliefen die Hemingway Bar. Ganz getreu dem nachhaltigen Motto des Hotels, setzt die Familie Späth auch beim Personal auf Persönlichkeit, Vertrauen und Kontinuität.
Hemingway Bar
Eisenbahnstraße 54
79098 Freiburg im Breisgau
Mo - So 18 - 02 Uhr
Hemingway Bar in der Gegenwart
Als ein Beispiel dieser Philosophie kann auch der heutige Barchef Florian Schneider gelten, der ebenfalls bereits seit zehn Jahren an Bord ist und 2011 als Student im Service anfing. Wie so viele, ist auch er der Gastronomie treu geblieben. Seine Zeit in der Hemingway Bar deckt sich auch in etwa mit dem Zeitraum, in dem die Bar zu einem der führenden Orte in Deutschland wurde, der Obstbrände in Cocktails verarbeitet.
„Die Aufzeichnungen unserer Barkarten reichen lange zurück. Der erste Cocktail mit Obstbrand, den wir auf der Karte hatten, war 2008 der Professor Langnickel von Mario Kappes aus dem Le Lion, noch von Boris Gröner initiiert”, erinnert sich Florian Schneider. „Der war sozusagen noch geklaut. Der Boom kam dann 2011, 2012. Zu Beginn meiner Zeit im Service 2012 war beispielsweise der Badische Birnenfizz von Jan Jehli ein Bestseller.“
Die Gründe dafür liegen natürlich in der geografischen Nähe zu vielen Herstellern, etwa Florian Faude, der seine preisgekrönten Produkte aus der Brennblase auch mal gerne persönlich vorbei bringt. „Regionalität und Nachhaltigkeit gehören einfach zur Identität des Hauses. Als Bar führt man natürlich Spirituosen von überall auf der Welt, und die Nachfrage danach ist auch da. Aber wenn man jemanden mit einem guten Obstbrand aus der Gegend überzeugen kann, umso besser“, skizziert Florian Schneider die Herangehensweise.
Hemingway Bar mit Blick in die Zukunft
Dieses Prinzip will man natürlich auch nach der Pandemie weiterführen. Momentan ist das elegante Haus noch geschlossen. Aber in der Hemingway Bar ist man auf eine baldige Wiedereröffnung vorbereitet. Erst kurz vor der Krise hatte man renoviert, das Team ist nach einigen Abgängen – die ehemaligen Mitarbeiter Amka Tsogt, Luisa Gogolla und Sarina Fahrer haben beispielsweise im letzten Jahr gemeinsam das Au Contraire im Freiburg gegründet – verjüngt und neu aufgestellt. Und erstmal auch verkleinert.
Dann kommen aber auch hoffentlich die Freiburger wieder, die – anders als zu Zeiten von Großvater Späth – mittlerweile am Tresen in der Überzahl sind. „Etwa 70 Prozent sind Locals, ohne sie könnten wir die Bar auch nicht in dieser Größe betreiben. Dann wären wir nur eine kleine, traurige Hotelbar, in der abends ein paar Geschäftsreisende sitzen“, skizziert Johannes Späth mit Humor.
Der bereits 1961 verstorbene Ernest Hemingway war natürlich nie vor Ort. „Aber sein Sohn war mal hier“, grinst Johannes Späth. Und das kann schließlich auch nicht jede Hemingway Bar von sich behaupten …
Credits
Foto: Hemingway Bar