In der Herbarium Bar in Göttingen trifft Bar auf Botanischen Garten
Zwanzig Prozent der Einwohner Göttingens sind Studenten. Die Stadt steht für Wissensdurst pur. Wer darüber hinaus Durst auf einen Cocktail verspürt, findet in der Herbarium Bar im Freigeist Hotel einen fröhlichen – und mitunter sehr lehrreichen – Tresenplatz.
Die Georg-August-Universität zu Göttingen verfügt über ein klassisches Herbarium. Also eine Pflanzensammlung zu Lehr- und Studienzwecken, bei der die Pflanzengattungen oftmals getrocknet aufbewahrt werden. 800.000 Exponate in 14.000 Kategorien sind es im Fall der Uni.
Über ganz so viele Zutaten verfügt die Herbarium Bar nicht, aber die Qualität und Frische sind auf höchstem Niveau. Yannick Bertram lautet der Name des Pflanzenkundlers hinter dem Tresen. Der 28-Jährige errang bereits einige Würdigungen durch die DBU oder das Gourmet-Magazin Falstaff.
Auf die Botanik(er)
In der Herbarium Bar arbeitet der Barmann mit dem alten botanischen Garten zusammen, und so mutet die Karte auch ein wenig wie ein Lehrbuch an. Gemäß der Lehren von Albrecht von Haller, der den Botanischen Garten 1736 gründete, gliedern sich die Kapitel der Barkarte in den Lebenszyklus der Pflanzen: Samen, Erde, Blatt, Holz, Blüte und Frucht. Dem alten Botaniker widmet die Bar auch ihr hauseigenes Wacholderdestillat, den Von Haller Gin.
Faszinierend wirkt die aufsehenerregende, vertikale Pflanzenwand als Zentrum der Bar. Nachdem der Gast seine Bestellung aufgibt – beispielsweise einen „Hortus Medicus“ –, erfolgt die Ernte der frischen Zutaten, die zu dem jeweiligen Drink gehören, aus der Kräuterwand. In dem genannten Drink vermengt der Bartender Kümmelschnaps, Karotte, Sellerie, Fenchelsamen, Zitrone, Orange und Spicy Ginger.
Die Preise der Drinks liegen zwischen 10 und 16 Euro. Ein Preis, der durch Frische, Aufwand und Qualität der Zubereitung allemal gerechtfertigt ist.
Zu jedem Drink stehen drei hilfreiche Merkmale in der Karte, um die Vorstellung zu begünstigen und die Wahl zu erleichtern. „Pflanzlich – spritzig – Kümmel“ lautet der Dreiklang im Falle des Hortus Medicus.



Herbarium Bar reist von Irland nach Peru und Japan
„Alkoholreich – Vielschichtig – Umorientierend“ heißt es geheimnisvoll bei dem Cocktail „Garden Harbour“. Schwarze Johannisbeere, Calvados, süßer Wermut, Orange und Bitters bieten die Grundlage dafür. Dazu kommt noch ein Single Pot Still Irish Whiskey.
Die Iren spielen eine tragende Rolle in der Gestaltung der Bar. Aus Belfast stammt das Team von Drinksology. Das Bar-beratende Unternehmen designte und konzipierte bereits international renommierte Trinktempel, wie etwa die New Yorker Bars Dead Rabbit oder Blacktail. Zudem entwickelten sie pfiffige Aktionen mit Jameson, Moët Chandon oder Gunpowder Gin.
Weitere Internationalität bleibt gewahrt, indem auch das angeschlossene Restaurant die aktuelle Drinksgestaltung prägt. Intuu lautet der Name des Speisenbereichs, der die peruanische Nikkei-Küche als Inspiration verwendet – jene Küchenstilistik, die aus Peru stammt, wo eine große, japanische Community die Speisetraditionen beider Länder miteinander vermählt. Abwechslungsreiche Varianten von Sushi, Sashimi, Tempura und Ceviche prägen die Karte, Meeresfrüchte, Steak und vegetarische Optionen runden das Angebot ab.
Barchef Yannick Bertram nahm das Intuu-Konzept zum Anlass, den Drink „Don’t call it Ceviche“ zu entwickeln, bei dem er Gin, Limettensaft und Koriander kombiniert. Und auch die Sake- und Tee-Auswahl ist sorgfältig zusammengestellt.


Herbarium Bar
Berliner Straße 30
37073 Göttingen Göttingen
Mo - Sa ab 17 Uhr
Design in Niedersachsen und Von Haller Gin
Bereits die Fassade des Designhotels zeigt die Wertschätzung der Betreiber für zeitgemäße Gestaltung. Klinkerfassade und bodentiefe Fenster wirken einladend und führen in eine fröhliche Lobby. Auf den Zimmern hängen die Gäste ihre Kleidung in Schränke in Retro-Kühlschrankoptik.
Die Bar setzt die moderne Leichtigkeit entsprechend fort. Rings um die pflanzliche Wandinstallation betonen abwechslungsreiche Details den speziellen Charakter der Herbarium Bar. Farbenfrohe Barhocker und Sessel, marokkanische Zementsteinfliesen und schwebende, kupferne Sitzbänke bieten ein abwechslungsreiches Ambiente – und in der Lounge spendet gerade in der Winterzeit ein Kamin wohlige Wärme.
Tradition trifft auf Innovation
Im Sommer hingegen verströmt eine große Dachterrasse mit einer Fläche von 300 Quadratmetern ein entspanntes Urlaubsgefühl. Sand, Sonnensegel, Holzbohlen, Hängematten und eine Boule-Bahn bieten den Rahmen für die Drinks.
Eigentümer und Betreiber des Betriebs sind Georg Rosentreter und Carl Graf von Hardenberg. Letzterer entstammt jenem Geschlecht, dessen Brennereitradition bereits im frühen 18. Jahrhundert beginnt und später in die bekannte Hardenberg-Wilthen AG mündet, bekannt für Kornbrand, Danziger Goldwasser und Persiko. Aktuell entsteht die neue Hardenberg Distillery mit Schwerpunkt auf Whiskey und einem eindrucksvollen Besucherzentrum. Hier, zehn Kilometer nördlich von Göttingen, entsteht auch der Von Haller Gin der Herbarium Bar.
Großartig zu sehen, wie Barkultur ihren Raum auch außerhalb der Metropolen einnimmt. Ein Zwischenstopp in Göttingen lohnt allemal, die Herbarium Bar ist auch nur einen Kräuterwurf vom Bahnhof entfernt.
Credits
Foto: Sebastian Böttcher