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Homebar: das Cocktail-Buch von Klaus St. Rainer

Zuhaus mit Klaus: Das neue „Homebar“ von Klaus St. Rainer in der Preview

Klaus St. Rainer hat sein zweites Buch geschrieben. Nach dem vielbeachteten „Cocktails“ von 2014 widmet sich der Mitbetreiber der „Goldenen Bar“ diesmal ganz ausdrücklich einem anderen, weniger fachlichen Einsatzgebiet: der „Homebar“, die auch den schlichten Titel beisteuert. MIXOLOGY Online mit einer exklusiven Preview des Ende Oktober erscheinenden Werkes. 

Die Homebar hat in den letzten zweieinhalb Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen, und das nicht unbedingt aus angenehmen Gründen. Corona hat viele Menschen, die gern in Bars gehen und Drinks nehmen, gezwungenermaßen und über Monate zu Heimbartender:innen werden lassen. Diese Zeit der Beschränkungen ist zwar (vorerst) vorbei, doch das Wissen um anständige hausgemachte Cocktails wird bleiben. Ebenso die Lust, die eigene Heimbar weiter auszubauen. Zumal die kommenden Monate und Jahre mit ihrem Ausblick auf explodierende Energiekosten eher dazu beitragen werden, dass sich Menschen den einen oder anderen Barbesuch verkneifen werden.

Homebar von Klaus St. Rainer
Klaus St. Rainer mag Graffitis. Das Cover von Homebar wird dem gerecht.
Homebar von Klaus St. Rainer
Für die kalte Jahreszeit: Hot Mezcal Chocolate

Die Homebar kommt nach Hause

Insofern kommt ein Buch mit dem schlichten Titel „Homebar“ (VÖ: 27. Oktober 2022) gewissermaßen zum rechten Zeitpunkt. Doch – um gleich einen Verdacht beiseite zu schieben – mit dieser Sichtweise wird man dem hier vorliegenden Buch und Thema nicht gerecht. Denn Klaus St. Rainer hat sein zweiten Cocktailbuch geschrieben. Und wenn einer der einflussreichsten, kreativsten und besten deutschen Bartender erneut ein Buch schreibt, dann muss man sich das ohnehin anschauen.

Rainer, seit 2010 Mitbetreiber der mit vielfachen Preisen ausgezeichneten „Goldenen Bar“ in München, gehört nicht nur zu den bekanntesten hiesigen Bartender:innen, sondern auch und vor allem zu den größten Verfechtern von Qualität. Diese Prämisse, die das Denken Rainers dominiert, prägte schon sein erstes Buch „Cocktails. Die Kunst perfekte Drinks zu mixen“ (2014). Wer Rainer besser kennt oder die Goldene Bar besucht, der merkt schnell und immer wieder: Was in jedem Cocktailbuch gepredigt wird, nämlich wie wichtig die Qualität der Zutaten sei – bei Rainer wird dieses Denken zum Zentrum und Grundsatz. Nur wenige Bartender:innen setzen sich derart ausgiebig mit Güte und Wertigkeit der verwendeten Grundprodukte und Rohstoffe auseinander, gehen so wenige Kompromisse ein.

Dass sich dieses Denken und Handeln auszahlt, illustriert auch der Erfolg von Rainers erstem Buch: In der 6. Auflage ist „Cocktails“ inzwischen auf dem deutschen Markt erhältlich, es liegen überdies Übersetzungen und Lizenzierungen für andere Länder (z.B. Südafrika, Australien, USA, Japan und China) vor. Und nun also: die Homebar.

Homebar von Klaus St. Rainer
Der Dude würde staunen: der „Big Lebowski“ Cocktail
Eierlikör in Homebar von Klaus St. Rainer
Auch die Herstellung von Eierlikör wird erkläre

Homebar Buch soll animieren anstatt abschrecken

Um es gleich zu sagen: Auch diesmal spielt das Buch zuallererst seine visuelle Stärke aus. Wie schon bei seinem ersten Band hat der Fotograf Armin Smailovic die komplette Bebilderung angefertigt. Eine Zusammenarbeit, die – auch durch die Paarung mit Rainers individuellem Hand-Lettering – erneut überaus authentische, sehr charakteristische Bilder ergibt, die fernab von künstlicher Inszenierung liegen. Vor allem aber sind die Fotos ganz klar der Hauptintention des Buches untergeordnet: „Das Buch soll animieren anstatt abzuschrecken“, nennt Rainer als zentralen Anspruch, mit dem Band in erster Linie Lai:innen unkompliziert mit dem Mixen hochwertiger, klassischer Drinks in Berührung zu bringen. Daher sind sämtliche Fotos im Buch nicht nur in Privatwohnungen angefertigt worden, sondern auch stets mit den dort vorhandenen Tools.

Die Ergebnisse dieses Ansatzes sind Fotos, die einen augenzwinkernden DIY-Charakter vermitteln: Hier dient ein Kochtopf als Rührglas, dort gar eine Sport-Trinkflasche samt Trinkaufsatz als Shaker-Strainer-Kombination. Gleiches gilt für die Wahl der Trinkgefäße, zu denen Rainer gleich im Intro klarmacht: „Mit dem Kauf unterschiedlicher Gläser kann man sich Zeit lassen.“ Auch hier wurden beim Shooting stets die Gläser verwendet, die im jeweiligen Haushalt vorrätig waren. Es gehört Mut dazu, sogar einen Dry Martini weder in einem Martiniglas oder einer Coupette abzubilden, sondern in einem kleinen, geschliffenen Weinkelch.

Homebar absichtlich etwas einfacher gehalten

Doch genau darin liegen der Zauber und auch die Qualität von Klaus St. Rainers neuem Buch. Denn er bricht mit genau jenen Dogmen und Standards, die auch in vielen für Endverbraucher gedachten Büchern auftauchen. Man denke nur an die trockenen Auflistungen bestimmter Grundspirituosen, Arbeitsgeräte oder Gläser, die in zahllosen Titeln auch für Laien als obligatorisch präsentiert werden. Er konzentriert sich hingegen lieber auf die erwähnte Qualität der Zutaten, gibt Anregungen zum Kauf bestimmter Dinge oder Produkte, rät auch hier und da mal vom Kauf der dritten Flasche Bitters ab. Wie für Endverbraucher-Bücher üblich, ist die obligatorische Warenkunde eher knapp gehalten, auch dies mit klarem Gedanken: „Ich habe alles absichtlich etwas einfacher gehalten, was die ‚Nerd-Infos‘ angeht“, so Rainer gegenüber MIXOLOGY. Stattdessen gibt er außerdem an zahlreichen Stellen Hinweise und Anregungen, wie man mit selbst hergestellten Premixes und anderen Vorbereitungen die heimische Cocktailsoirée zu einer für alle entspannten Sache macht, ohne die Güte der Drinks leiden zu lassen.

Und über jene Güte dieser insgesamt rund 75 Drinks aus dem in drei Abschnitte segmentierten Rezept-Teil („Easy Drinking“, „Für Barflies“ und „Fancy & Kreativ“) muss man ohnehin nicht sprechen. Die beherrscht der Autor sowieso fraglos. Eine Wohltat am Rezeptteil ist es vor allem, dass Rainer – auch hier wieder den Laien mitdenkend – nur wenige Signatures abdruckt und sich primär auf Klassisches konzentriert, dort aber auch in vielen Fällen eigene Gedanken und Tipps einbringt, die für die Leser:innen zum tieferen Verständnis des jeweiligen Drinks beitragen. Dass die Rezepte dabei generell, und somit für viele heutige Bartender:innen ein wenig ungewöhnlich, eher zu einer süffigeren Ratio mit meist 5 cl Basis-Spirituose tendieren, unterstreicht den Anspruch, dass es in „Homebar“ nicht darum gehen soll, überall in die knochentrockene Connaisseurs-Ecke zu missionieren, sondern interessierte Menschen behutsam an die Aromenwelten klassischer oder aber klassisch gedachter moderner Cocktails heranzuführen.

Private Begeisterung für gute Drinks

Daher ist die Intention von „Homebar“ ganz eindeutig erfüllt: Das Buch richtet sich nicht an Fachleute oder Leser:innen, die auch schon mit seinem ersten Buch vertraut sind. Rainer und sein Verlag adressieren Menschen, die in den letzten Jahren ihre private Begeisterung für gute Drinks nicht nur in Bars ausleben, sondern auch immer stärker zum Teil ihrer häuslichen Genusskultur machen. Und genau für jene Menschen dürfte das Buch eindeutig die derzeit attraktivste Option auf dem an Cocktailbüchern nicht armen Markt sein. Was natürlich nicht heißt, dass es in der Bibliothek von Profis keinen Platz hat. Nicht nur wegen des starken Looks. Sondern wegen der inhaltlichen Qualität, die uns wieder ins Gedächtnis ruft, wie simpel und schlicht eigentlich ein großer Drink sein kann.

Homebar
Klaus St. Rainer
176 Seiten, 190 x 225 mm, fester Einband
DK Verlag
VÖ: 27. Oktober 2022

Credits

Foto: Armin Smailovic

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