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Homebrewing. Die Revolution von Unten.

In der starken Heimbraukultur liegt die Quelle, aus der die nordamerikanische Craft-Beer-Welle entsprang. Verhält sich die hiesige Entwicklung ähnlich?
Die Vereinigten Staaten von Amerika, 1978. Sechs Braukonzerne (Anheuser-Busch, Miller, Coors, Pabst, Stroh, Heilemann) kontrollieren den gesamten Biermarkt. Den gesamten Biermarkt? Nein, nur etwa 90%. Doch im Oktober unterzeichnet Jimmy Carter, 39. Präsident der Vereinigten Staaten und Bruder eines Brauers, ein Gesetz auf Bundesebene, welches das Heimbrauen legalisiert. Damit gibt er der Kleinbrauerszene Zähne in einem Land, in dem das Bier der Großen längst jeden Biss vermissen lässt.
In den folgenden Jahren floriert das Garagenbrauen „unter dem Radar” der Konzerne, und während diese ihre Produkte immer näher am Wasser brauen (Anheuser-Busch zog einst tatsächlich wegen günstigerer Schifffahrtswege nach St. Louis an den Mississippi), wächst im Stillen die Gemeinschaft derer, die Bier mit Geschmack zu schätzen wissen.
Schließlich explodiert der Trend, und in den Achtzigern und Neunzigern heben geschäftstüchtige Brauvisionäre wie die Boston Beer Company, Sierra Nevada und Anchor Steam die Szene aus dem Untergrund und zeigen den Konzernen, dass man sich auch mit charakterstarkem Bier eine goldene Nase verdienen kann.
Dabei ist die Szene der US-Heimbrauer auch heute noch ungebrochen vital. Die National Homebrewers Conference als weltweit größte Zusammenkunft von Amateurbrauern zählte 2013 mit 3400 Besuchern fast doppelt so viele wie im Jahr davor, und stolze 7700 Gebräue wurden für den Wettbewerb zum besten Bier eingetragen. Sponsoren für diese Veranstaltung sind unter anderem die oben genannten Craft Breweries und andere, bekannte Namen wie Dogfish Head und Rogue.
Die Qualitätshürde, US-Version

Viele dieser Heimbrauer machen ihr Hobby zum Beruf. In diesem Jahr werden schätzungsweise 1000 neue Brewpubs und Kleinbrauereien eröffnen. Was essentiell für die Bildung einer facettenreichen Bierlandschaft war, hat aber auch eine Schattenseite: Qualitätsprobleme. In den USA ist Brauer kein Ausbildungsberuf, weswegen viele dieser angehenden Hopfenhelden in Deutschland lernen, um eine Symbiose zu schaffen aus deutschem Know-how und amerikanischer Experimentierfreude.
Wo diese Gelegenheit fehlt, kommt es schon hin und wieder zu Bieren zweifelhafter Güte. Wo „Craft“ nämlich nur für „rebellisch“ und „extrem“ steht, und die dem Wort eigentlich innewohnende, handwerkliche Expertise und Gewissenhaftigkeit fehlen, ist „Craft“ eben nicht gleichbedeutend mit „gut“. Dennoch bietet eine solch lebhafte Braugemeinschaft natürlich einen Fundus an Ideen und Potential, die die amerikanische Bierkultur von einer der langweiligsten zu der vielleicht vielseitigsten überhaupt gemacht haben.
Craft Beer als Heilmittel eines schwindenden Marktes?
Deutschland, 2014. Sechs Braukonzerne, nämlich Radeberger (u.a. Schöfferhofer, Sternburg, alle Berliner Marken), Anheuser-Bush InBev (Beck’s, Hasseröder, Franziskaner), Bitburger (Köstritzer, Wernesgrüner), Oettinger, Krombacher und Brau Holding (Paulaner, Kulmbacher, Hoepfner) beherrschen ca. 50% des Biermarktes, Tendenz steigend. In einem Land der Kleinbrauereien führt der schwindende Bierkonsum zu einem Brauereisterben, das nur die Großen überleben. Doch es gibt einen Silberstreif am Horizont, einen Hoffnungsschimmer namens Craft Beer.
Die Idee ist simpel: Wem es gelingt, beim Konsumenten ein Bewusstsein für Bier besserer Qualität und aromatischer Intensität zu wecken, kann weniger Bier teurer verkaufen und so den Mengenverlust teils ausgleichen, weshalb auch die Großen hier fleißig mitmischen.
Doch wo sind die deutschen Heimbrauer? Spielen sie eine Rolle in dieser Bierrevolution?
Die Qualitätshürde, deutsche Version

Natürlich ist Heimbrauen auch in Deutschland legal, 200 Liter im Jahr für den Eigenbedarf sind steuerfrei. Dennoch ist die deutsche Hobbybrauerszene eine deutlich lokalere Angelegenheit als in den Vereinigten Staaten und als Hype kann man sie auch nicht gerade bezeichnen. Ein Grund hierfür ist einmal mehr die vergleichsweise hohe Durchschnittsqualität der Standardbiere. Klar, je besser das Bier, was man einfach kaufen kann, umso geringer der Anreiz, selbst etwas Vernünftiges zu brauen.
Damit in Zusammenhang steht wiederum das Fachwissen, was man einem ausgebildeten Brauer unterstellt – überlassen wir das doch den Leuten, die es gelernt haben. So wird denn auch der Trend zum besseren Bier überwiegend von gelernten Brauern getragen, schließlich darf man ohne dieses Zertifikat in Deutschland keine Brauerei betreiben.
Ein Schlupfloch bietet hier das Auftragsbrauen, bei dem man eigene Rezepte quasi unter Aufsicht eines „echten“ Brauers einbraut oder einbrauen lässt – ein System, mit dem z.B. Crew Republic und Fritz Wülfing (AleMania) sich bisher beholfen haben, auch wenn das Ziel letztlich stets eine eigene Brauerei ist. Doch solche Rezepte wollen natürlich zuvor im Selbstversuch getestet werden, und so leistet auch in Deutschland das Heimbrauen einen kleinen, aber feinen Anteil zur schönen, neuen Bierwelt.
Bester Anlaufpunkt für Heimbrauer und solche, die es werden wollen, ist übrigens die Webcommunity hobbybrauer.de, wo man sich mit anderen Hobbyisten in der Umgebung organisieren, Ideen und Hinweise holen und über Rezepte und Heimbrauanlagen fachsimpeln kann – vom Läuterbottich aus zwei Baumarkt-Farbeimern bis zur 2500-Euro-Braueule.
Bildquelle: Bier via Shutterstock

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