„In Sachen Wahnsinn gibt es keine Ausbildung.“ Hubert Peter im Interview
Hubert Peter hat nichts dagegen, kopiert zu werden. Den meisten Kollegen werde es nur schnell zu mühsam, eine Bar-Karte auf Wildsammlungen aufzubauen. Der Gründer des Wiener „Bruder“ hingegen setzt den nächsten Schritt: Die eigene Landwirtschaft krönt das fünfte Bestandsjahr. Hubert Peter im großen Interview über Wanderungen und Wahnsinn.
Jetzt sei er also auch „für Wiener Verhältnisse ein alter Hund“, wie Hubert Peter zur Begrüßung lacht. Der 35-Jährige meint damit aber nicht sich selbst, sondern die fünf Jahre des Bruder, den er von Anbeginn weg mit Lucas Steindorfer als Küchenchef und partner in crime führt. Gemeinsam hat man in der Windmühlgasse im 6. Wiener Bezirk eine der ungewöhnlichsten Bars des Landes etabliert. An manchen Tagen gehen hier mehr Naturweine und Wermut pur als Cocktails über den Tresen, hinter dem sich die „Plutzer“ stapeln. Die imposanten Glasballons sind quasi das Kapital der Bar, die haltbargemachte Essenz aus der Botanisiertrommel des Hubert Peter.
Kurze Stationen in längst verblichenen Lokalen wie Die Au, Kussmaul, der famosen Barrikade in der gescheiterten Wiener Markthalle und dem Pop up Rien haben seine Idee der weitgehend autarken Bar vorgeformt. Mit Steindorfer kam ab dem Rien ein echter Bruder (daher weht der Wind!) im Geiste dazu. Oder, wie es der Vorarlberger in Wien formuliert: „Der Wahnsinn ist mit uns mitgewachsen.“ Dass Huber Peter ein eher stiller Star in der österreichischen Szene ist, bedeutet nicht, dass er nicht viel zu sagen hätte. Witziges und Wesentliches. Manchmal sogar in einem Satz. MIXOLOGY-Autor Roland Graf schrieb mit.
MIXOLOGY: Lieber Hubert, das Konzept des Bruder war an Deinen ersten Stationen noch nicht so klar umrissen. Ab wann wusstest Du, dass es jetzt passt?
Hubert Peter: Experimentell waren wir wohl immer. Aber damit ist dann mit der Selbständigkeit auch das Forageing dazugekommen. Das Interesse war immer da bei mir, aber im Kussmaul hätte ich ja nicht einmal die Zeit dafür gehabt. Ein bisschen was gab es schon im Rien und hier war das dann klar, dass es ganz in diese Richtung geht.
MIXOLOGY: Forageing bedeutet auch zeitliche Flexibilität – die Kirschblüte wartet ja nicht auf Dich. Wie teilt man sich das ein?
Hubert Peter: Naja, an sich geht sich das heute sogar besser aus. Wir sind ja auch als Team im Bruder gewachsen und gut aufgestellt mit heute neun Leuten. Angefangen haben wir zu dritt. Dadurch ist das heute auch gesettled. Wir haben eine Viertagewoche, womit Du drei Tage die Möglichkeit hast zu sammeln und etwas zu verarbeiten. Dazu haben wir mittlerweile auch viele Kontakte geknüpft, wo man uns entgegenkommt und sagt: ‘Ich habe das im Garten, pflücke es und bring‘s Dir vorbei – und hol mir gleich ein Menü bei Dir.’
»Seit 1. Januar 2024 bin ich daher ganz offiziell eingetragener Landwirt und habe in Vorarlberg zwei Hektar mit Sträuchern bzw. als Streuobstwiese bepflanzt. Das ist natürlich für einen Ort wie unseren von Vorteil, wenn Du genau das anbaust, was Du brauchst.«
— Hubert Peter
MIXOLOGY: Das Sammeln im Wald reicht aber nicht, Du gehst aktuell einen Schritt weiter…
Hubert Peter: Ich habe mich in den letzten Jahren richtiggehend weitergebildet, weil mich das Thema so sehr interessiert hat. Und ich will das auch in Zukunft machen. Seit 1. Januar 2024 bin ich daher ganz offiziell eingetragener Landwirt und habe in Vorarlberg zwei Hektar mit Sträuchern bzw. als Streuobstwiese bepflanzt. Das ist natürlich für einen Ort wie unseren von Vorteil, wenn Du genau das anbaust, was Du brauchst. Und weiters stehen da zwei Leute – in meinem Fall Vater und Mutter – dahinter, die beide in der Sache interessiert und vor Ort sind. Das ist sicher noch ein Schritt mehr in die Richtung, mit dem man in der Sache ernster werden kann. Und vor allem auch mehr ‘Stock’ für die Bar zur Verfügung hat,
MIXOLOGY: Die Zutaten sind das eine. Wie aber läuft die Rezeptentwicklung bei Dir? Suchst Du Pflanzen für eine bereits vorhandene Idee oder geben die Funde die Drinks vor?
Hubert Peter: Normalerweise erstellen wir zuerst ein Produkt und davon ausgehend dann verschiedene Rezepte. Also, wenn wir sehen, dass Sachen funktionieren, versuchen wir sie fix in ein Programm hineinzuziehen. Wenn eine Zutat in einem Drink funktioniert, geht das dann ja auch im Austausch. Dann kommt also z. B. je nach Saison Rhabarber wieder raus und wird durch eine andere saure Zutat ersetzt. So bleibt man auch immer kreativ, wenn man etwas Neues entdeckt und das dann einbaut im Cocktail. Das ist eigentlich ein unendliches Thema. Zugleich versuchen wir das in einer Menge zu produzieren, dass das auch als Cocktail ein oder zwei Monate auf der Karte sein kann. Und für das kommende Jahr organisiert man das dann so, dass man wieder genug davon hat – oder eventuell sogar mehr. Wenn Du da einmal anfängst, kommst Du auf viele kleine Details: Eine Tanne schmeckt eben je nach Jahreszeit komplett unterschiedlich. Da muss man genau schauen, wann man erntet.
MIXOLOGY: Schau, schau – und wann erntet man idealerweise?
Hubert Peter: Für mich ist der Frühsommer eigentlich die beste Jahreszeit, weil dann die Säfte schon richtig drinnen sind und die Bäume für den Geschmack auch bereits etwas Sonne abbekommen haben. Wenn Du oft Tannen schneidest, merkst Du auch den Unterschied ganz deutlich: Wieviel Geschmack und Power da schon drinnen ist – das ist ganz anders als im Winter!
MIXOLOGY: Das bedeutet natürlich auch einen großen Aufwand beim Haltbarmachen?
Hubert Peter: Ja, wobei wir das für unsere Drinks recht simpel gestalten. Wir machen meistens einen Ansatz (= Mazerat der Wildzutaten, Anm. d. Red.) und schauen dann, dass wir immer genug vorrätig haben. Die vier Signature Cocktails wechseln wir sehr oft, also einen pro Woche. Die Longdrinks bleiben dafür immer gleich. Das geht sich von der Kühlfläche perfekt aus. Denn jeder Cocktail mehr wäre logistisch schon wieder schwierig. Aber ich habe auch immens viel konserviert, das eventuell auch als Ersatz fungieren kann. Wir haben außerdem begonnen, Holunderblüten zum richtigen Zeitpunkt zu ernten und zu konservieren. Die werden schön flach einvakuumiert und gefroren. Das ist von Vorteil, wenn ich im Winter etwas Florales brauche, kann ich in die Tüte reifen und habe das parat. Vom Platz und Energiefaktor her ist das nicht so eine große Sache, sofern gut präpariert wurde. Das bedient auch den dekorativen Aspekt, der mir schon wichtig ist. Dass da nicht nur ein Drink steht, sondern auch was Bissfestes.
»Beispielsweise habe ich alle Rezepturen in Evernote drin und jeder Mitarbeiter kann die benutzen oder mitnehmen. Ich mache kein Geheimnis draus, weiß aber auch, wieviel Arbeit drinsteckt. Mit einem Likör fängst Du die eigene Bar nicht an – Du brauchst alles. Nur musst Du dann auch jeden Tag aufstehen und es frisch machen!«
— Hubert Peter
MIXOLOGY: Im Bruder habe ich immer das Gefühl, dass auch das Thema Cocktail-Pairing zum Essen funktioniert, das ansonsten praktisch immer scheitert. Woran liegt das?
Hubert Peter: Im Endeffekt muss man sich jeden Tag auf die Gäste einstellen und herausfinden, was deren Ziel ist. Wollen die am Ende einfach nur betrunken sein, dann haben wir natürlich genug Alkohol da, um diesen Durst auch zu stillen [lacht]. Dann gibt es wieder eher kulinarisch Interessierte, die vielleicht weniger Alkohol, aber viele kleine Sachen probieren möchten. Daher hat die Getränkebegleitung bei uns mehrere Zweige. Das steuert dann der jeweilig Verantwortliche für die Station, also ich oder Lucas. Da kann man mehrere Abkürzungen nehmen oder ausweiten. Einen unserer drei Kombuchas bauen wir immer ein, den machen wir ebenso selbst wie unser Bier, das auch eine leichtere Option ist. Oder den hausgemachten Cider, der auch auf der vorsichtigen Seite ist. Das hat sich aber erst entwickelt. Denn wir haben gesehen, dass wir eben verschiedene Charaktere unter den Gästen haben. Wenn ich eine Männer-Truppe habe, dann haben wir genug, um die zu ‘entschärfen’. Da haben wir auch schon Schnaps-Türme gebaut. Und wenn dann in einem Glas kein Likör, sondern Absinth ist, dann ist die Geschichte auch schnell wieder entschärft [lacht].
MIXOLOGY: Vor Jahren hast Du im Gespräch von einer Bar ohne Industrie-Spirituosen geträumt. Aktuell ist das Rückbuffet sehr schmal beim Zukauf – verfolgst Du diese Vision immer noch?
Hubert Peter: Harte Spirituosen, die wir selbst nicht herstellen können wie Rum, Whisky oder Vodka haben wir noch da, das sind aber fast die einzigen. Und damit kann ich leben. Denn von der Eigenproduktion her bin ich sehr zufrieden. Klar kann man da und dort noch mehr machen, aber wir haben einen guten Weg hinter uns. Dazu kommen die verschiedenen Bartender-Typen, die wir hatten und von denen ich viel gelernt habe. Ich komme selbst ja nicht aus der klassischen Bar – Gastronomie habe ich viel von innen gesehen, aber ich bin nie in einer klassischen Bar gestanden. Da haben unsere Bartender eine ganz andere Denke eingebracht, etwa bei der Frage: Was brauchen wir eigentlich alles, um Klassiker zu machen? Denn anfangs wollte ich das nicht machen, wir sind schließlich rein ‘experimentell’… Die blockende Haltung nicht einzunehmen und das offener zu gestalten, bedeutet aber auch, alles selbst zu produzieren. Also: Dreiteiler ja, aber mit hausgemachtem Bitter. Das hat für die Bar viel gebracht, weil wir ein anderes Portfolio haben. Was ich etwa gelernt habe, ist, dass nicht alles ausgewogen sein muss, sondern auch Kanten haben darf. Da haben wir dann viel Rezepte nachgelegt und sind heute auch breiter aufgestellt.
MIXOLOGY: Du hast die Kollegen erwähnt. Die Frage, die sich angesichts eures »gelebten Wahnsinns« stellt: Wie bringt man klassischen Bartendern den Bruder-Spirit bei?
Hubert Peter: Bei uns ist ja der Wahnsinn etwas, das mitgewachsen ist. Oder, anders gesagt, gab es eine Findungsphase, wo wir überhaupt hinwollen. Jetzt sind wir klar orientiert. Wobei in der kleinen Wiener Community jeder ungefähr weiß, was ihn erwartet, wenn er hier anfängt. Wer sich dann bewirbt, sagt sich vermutlich auch: „Dort kann ich eine andere Art der Bar, eine andere Denkweise sehen.“ Und die meisten sind auch recht lang geblieben – und haben das mitgenommen, was sie wollten. Das fand ich persönlich in der Gastronomie immer schon gut: Du nimmst immer Gutes und Schlechtes mit und entscheidest dann im Kammerl für Dich, was es gebracht hat. Beispielsweise habe ich alle Rezepturen in Evernote drin und jeder Mitarbeiter kann die benutzen oder mitnehmen. Ich mache kein Geheimnis draus, weiß aber auch, wieviel Arbeit drinsteckt. Mit einem Likör fängst Du die eigene Bar nicht an – Du brauchst alles. Nur musst Du dann auch jeden Tag aufstehen und es frisch machen! Wenn das jemand macht, dann finde ich das super und wir haben wieder einen mehr, der das macht. Da habe ich null Eitelkeit und freu‘ mich, wenn jemand auch nur vier Drinks so macht.
»Mir war die Niedrigschwelligkeit immer wichtig, also dass nach einem großen Menü auch die Fetzen fliegen können und Leute auf den Tischen tanzen dürfen. Diese Dynamik finde ich interessant – und vor allem, wer alles mit ihr mitgeht.«
— Hubert Peter
Bruder Bar
MIXOLOGY: Liegt es für Dich nur an der Zeit, dass abseits von ein bisschen Greenwashing an den Rezepten kaum jemand eine komplette Bar auf Wildsammlung aufbaut? Oder nach ersten Versuchen wieder aufgibt?
Hubert Peter: Nach einer Saison bist Du gerade einmal bei der Mittelstation. Nach zwei Saisons bist Du immer noch nicht am Ziel. Ich sehe bei uns, dass wir jetzt – nach fünf Jahren – verstehen, was wir zu tun haben. Du zielst am Anfang viel ins Blaue, wenn Du nicht weißt, wieviel Leute an einem Abend kommen. Dann hast Du schnell zu viel oder zu wenig. Auch wir haben die ersten Jahre reingebuckelt und waren nicht sicher, wie das weitergeht. Da habe ich alle verstanden, die gesagt haben: „Wie lang will er das durchziehen, das wird nicht funktionieren.“ Aber irgendwann kommst Du in den Rhythmus hinein, hast einen stabilen Stock und einen angenehmen Workflow. Natürlich müssen wir immer noch 30-Liter-Bottiche herumschleppen. Da musst Du den Rücken fit halten. Und angenehmer ist es sicher, wenn der Getränkehändler Dir eine Kiste ins Haus liefert.
MIXOLOGY: Da schwingt Anarchie mit, auch wenn sich der Bruder-Spirit schwer fassen lässt. Man spürt ihn eigentlich bei jedem Besuch – lehren lässt er sich aber trotzdem nicht?
Hubert Peter: In Sachen Wahnsinn gibt es keine Ausbildung. Mir war die Niedrigschwelligkeit immer wichtig, also dass nach einem großen Menü auch die Fetzen fliegen können und Leute auf den Tischen tanzen dürfen. Diese Dynamik finde ich interessant – und vor allem, wer alles mit ihr mitgeht. An manchen Abenden denkst Du, das passiert heute sicher nicht. Und auf einmal steckt ein Tisch alle an und die Bar wird zum Club. Da kannst Du dann die ganzen ‘ernsten’ Sachen zusammenräumen und nur mehr Bier, Spritzer und Gin & Tonic vorbereiten. Da haben wir bei einigen Abenden gesehen, wie angenehm das ist, da bist Du als Bartender fast schon im Wochenende [lacht]. Ein typisches Beispiel sind die Parties nach der Karakterre (internat. Naturwein-Messe). Da sind total wichtige Leute für die Gastronomie da. Aber denen ist jetzt nicht mehr wichtig, wie toll irgendein Cocktail ist. Die haben ganzen Tag schon ernsthaft verkostet. Abends wollen die einfach Spaß haben. Und da bekommst Du plötzlich ganz andere Connections und hast auch Zeit dafür. Auf einem Tisch wird getanzt und nebenan sitzt Du mit Gaggan Anand und denkst Dir: Welchen Film drehen die denn da gerade? Also: Ekstase kann passieren. Aber ich muss nicht jeden Abend versuchen, das herzuzaubern.
MIXOLOGY: Stichwort: Alternative Weine – die spielen bei euch ja eine wichtige Rolle, bis hin zum Hauswein von Georg Schmelzer.
Hubert Peter: Wir haben immer schon unseren Wermut produziert, Partner beim Wermutlich ist Michael Andert. Mit ihm wollten wir auch den Hauswein machen, aber just in diesem Jahrgang hatte er einen großen Ernteausfall. Er hat dann die Brücke zu Schmelzer hergestellt. Ich kannte Georg zwar, aber nicht gut. Dazu kommt, dass er auch wie wir den Wahnsinn in sich hat und mit unseren Ideen immer mitgeht. Wenn ich heute sage: ‘Flieg morgen mit uns wo hin’, dann ist er dabei, weil er weiß, das wird sicher lustig. Und vermutlich kommt auch was Neues dabei heraus. So war es beim Cider: Ich hatte die Äpfel und zwei Wochen später standen wir an der Presse. Das ist schon angenehm, jemand zu haben, der auch Dinge macht. Und nicht – ganz österreichisch – zuerst einmal lieber schaut und ewig alles hinterfragt. Vor allem kennt sich Georg aus. Der hat schon mit Wildhefen gespielt, da war ich noch nicht auf der Welt. Oder auch beim Obstgarten, den ich angelegt habe: Da hat er alle Pläne kontrolliert und viele Sachen angestoßen.
»Wenn ich frei habe, dann bin ich ein ewig Ruhe Suchender. Es sind immer intensive Tage und wenn ich dann Zeit habe, dann geht es ins andere Extrem. Da bin ich froh, wenn ich keine Bar sehe, brauche auch keinen Drink. Mir ist lieber, irgendwo hinzuwandern, meinen Rucksack zu füllen, ein Weißbier auf einer Berghütte zu trinken und mir zu denken: Schöner Tag!«
— Hubert Peter
MIXOLOGY: In der Wiener Bar Community machst Du Dich dennoch eher rar, auch bei Events sieht man Dich selten. Warum eigentlich?
Hubert Peter: Wie soll ich sagen? Wenn ich frei habe, dann bin ich ein ewig Ruhe Suchender. Es sind immer intensive Tage und wenn ich dann Zeit habe, dann geht es ins andere Extrem. Da bin ich froh, wenn ich keine Bar sehe, brauche auch keinen Drink. Mir ist lieber irgendwo hinzuwandern, meinen Rucksack zu füllen, ein Weißbier auf einer Berghütte zu trinken und mir zu denken: Schöner Tag! Das heißt nicht, dass ich nicht gut finde, was in anderen Bars passiert. Aber ich schaffe es nicht einmal zum Adrian Zach rüber in die Luster. Wobei wir ein gutes Miteinander haben. Wenn bei uns noch das Essen im Fokus steht, sagen wir gerne neuen Gäste, dass es eine paar Schritte entfernt eine coole Bar gibt und sie erst einmal dort was trinken sollen.
MIXOLOGY: Bist Du mit den wenigen anderen Forager-Bars – etwa dem Berliner Velvet – auch in Kontakt? Tauscht ihr euch da aus?
Hubert Peter: Das Velvet wollte ich mir immer ansehen. Doch die wenigen Male, wo ich in Berlin war, bin ich dann anderswo verendet. Aber es ist auch ein bisschen ein anderer Ansatz, da sie viel mit dem Rotovap machen. Wir haben zwar einen, aber der setzt eher Staub an. Wir ziehen den Ansatz der Marke Österreich 1870 vor: Wir setzen alles in Alkohol an. Kontakt habe ich nebenan mit Adrian aus dem Luster, der auch Vorarlberger ist, so gibt’s ein bisschen Austausch. Aber durch den Naturwein kommen auch viele Winzer, interessanterweise viele aus dem Raum Ungarn, Slowakei, Slowenien, die mittlerweile auch Gastronomen zu uns bringen, die sich austauchen mit uns. Auch wenn wir von Pop-ups oder anderen Plänen reden, denken wir meist an diese Region. In Wien muss ich nichts Neues mehr machen.
MIXOLOGY: Euer Kontakt mit der (Natur)Weinszene ist ungewöhnlich und intensiv. Wie wesentlich ist das Geschäft für den Bruder?
Hubert Peter: Den Weinimport machen wir seit drei Jahren. Der Weinanteil ist sehr groß. Wir haben da so drei Phasen an einem Abend. Anfangs ein wenig Aperitif, dann geht es ins „Bewässerungsgeschäft“, wie ich es nenne, also viel Wein. Erst später dann die Cocktails. Deshalb besetzen wir die Tische auch nur einmal, da sehr viele den ganzen Abend bleiben und um 1 Uhr nachts immer noch da sind. Das ist mir das Liebste, weil ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Das ist wie in einem Wellness-Hotel: Wenn Du es schaffst, dass der Gast nicht nur bei Dir wohnt, sondern auch sauniert und badet, mittags und abends bei Dir isst, dann hast Du es geschafft. So mag ich es auch. Du begrüßt den Gast, hängst die Jacke auf und am Ende rufst Du ihm ein Taxi. Dazwischen kannst Du auf ihn eingehen, aber der Beziehungsaufbau fällt weg. Nichts gegen Walk-in-Gäste, die nur einen Drink nehmen. Aber wenn ich es mir aussuchen darf, dann lieber so. Wir haben mitunter Sechser-Tische, die nachher noch in einen Club wollten. Und plötzlich merkst Du, dass sie sich den Club herholen. Das ist mit das Liebste!
MIXOLOGY: Lieber Hubert, danke für das „flauschige“ Interview!*
*»Heute rauschig – morgen wieder flauschig« ist das Yin und Yang im Bruder – und steht so auf Vorder- und Rückseite aller Coaster.
Dieses Interview erschien erstmals ursprünglich in der Print-Augabe MIXOLOGY 1-2024. Für diese Wiederveröffentlichung wurde es formal angepasst, inhaltlich aber nicht verändert.
Credits
Foto: Max Lottmann