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Inventur am 11. Dezember 2022

Inventur am 11. Dezember 2022 – Naturwein im Club & Loslösung vom Begriff Mezcal

What a difference a year makes – vor einem Jahr befanden sich deutsche Bars in der Schockstarre des Lockdowns und vor allem auch ohne Aussicht auf Perspektiven oder verlässliche Strategien, dies zu ändern. Gerade zu jener Zeit des Jahres war das doppelt bitter, ist doch die Vorweihnachtszeit ein lukratives Geschäft für die Gastronomie. Jetzt scheint diese harte Phase im Rückspiegel verschwunden, wer erinnert sich noch an Sperrstunde und Tanzverbote? Ja, da sind nach wie vor erschwerende wirtschaftliche Faktoren wie Teuerungen und Inflation, aber Barbetreiber:innen berichten nichtsdestotrotz von einem Übermaß an Anfragen für Weihnachtsfeiern. Man könnte daraus ableiten: Wenn die Menschen dürfen, wollen sie eben ausgehen – ein Thema, das indirekt auch zum ersten Beitrag unserer dieswöchigen Inventur überleitet …

Franklin D. Roosevelt und der erste Martini nach der Prohibition

Der 5. Dezember gilt offiziell als „Repeal Day“, also als der Tag, an dem die Prohibition in den Vereinigten Staaten offiziell endete, was vor allem natürlich eben in den USA ein größeres Thema ist als anderswo. Nichtsdestotrotz ist der Repeal Day natürlich in der Barszene auch international ein geflügelter Begriff, ebenso das Wissen oder die Legende, dass es der ehemalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt gewesen sei, der den ersten Martini nach der Prohibition überhaupt gemacht hätte. Das Imbibe Magazine wirft in einem wunderbaren Artikel einen Blick auf dieses Thema. Ob FDR(wie er genannt wurde) tatsächlich den ersten Martini gerührt hat, wird sich sicherlich nie ganz beweisen lassen, der Text illustriert aber auf schöne Weise, dass er US-Präsident ein Cocktail-Afficionado gewesen zu sein scheint, der mindestens so leidenschaftlich wie schlecht gemixt hat. Lesenswert.

Trockener Riesling und Trance: Naturwein im Club

Diesem Beitrag sollte man vielleicht eine kleine Warnung mitgeben, handelt es sich immerhin um einen Text, in dem auch Konsum von illegalen Drogen thematisiert wird. Primär aber handelt der Beitrag des Punch Magazine von einem Trend, der in den USA zarte Wurzeln schlägt: die Kombination von Clubs und Naturwein. In Locations wie dem Mansions, einer neuen „Naturweinbar und Club“ in New York, ist die Kombination von Trance und einem deutschen Riesling kein Kuriosum, sondern Konzept. Als kreative Achse der Entwicklung werden dann auch New York und Berlin genannt, wobei für die deutsche Hauptstadt die Bar Sway des international agierenden DJs Jamie Tiller in Neukölln angeführt wird. „Ich glaube, die Leute haben genug von billigem Bier und Cocktails“, wird Sean Schermerhorn, der Geschäftsführer des Mansions, zitiert. Das glauben wir so nicht ganz, aber lesenswert ist der Artikel allemal.

Warum sich mexikanische Produzenten vom Begriff Mezcal lösen

Ist es eine Art Revolution, die ihre Kinder frisst? In einem spannenden Beitrag beleuchtet SevenFifty Daily die Gründe von mexikanischen Produzent:innen, ihre Mezcals als Agavenspirituosen (engl. agave spirits) zu bezeichnen, anstatt eben … Mezcal. Es war 1994, als die mexikanische Regierung eine Herkunftsbezeichnung für Mezcal geschaffen und die Norma Oficial Mexicana definiert hatte. Diese legte offizielle Produktionsstandards fest, um den Begriff Mezcal zu stärken und qualitativ zu verorten, sprich ihn zu lösen vom Image des selbstgebrannten Sprits, der in Plastikflaschen verkauft wurde. Später wurde der Consejo Regulador del Mezcal (CRM) gegründet, um diese Standards durchzusetzen. So weit, so nachvollziehbar. Aber nach wie vor produzieren viele Produzent:innen in so kleinen Margen produzieren, die eine Prüfung bzw. Zertifizierung sowohl logistisch wie finanziell sehr schwierig machen, zum anderen hat sich der CRM aufgelöst und an deren Stelle sind vier Nachfolgeorganisationen getreten. Außerdem wüssten mittlerweile sehr viel mehr Menschen, dass der Begriff agave spirits eben auch zur Entdeckung einlädt, weswegen sich einige Hersteller wieder vom Begriff Mezcal lösen. Sehr lesenswert.

Naren Young sagt: Man muss sich kümmern

Zum Abschluss seit Längerem wieder ein Beitrag von Naren Young, ein regelmäßiger Gast in unserer Inventur und aktuell im Sweet Liberty in Miami tätig. Diesmal bricht er im Australian Bartender eine Lanze für den Umstand, dass gerade Restaurants sehr hohe und genaue Standards definiert würden, und es genau diese Standards und Abläufe seien, an denen sich auch Bars orientieren sollten – und es wiederum eben diese Bars es sein sollten, an denen man sich als jemand orientieren sollte, der oder die in Bars arbeiten möchte. Es sind im Grunde keine neuen Weisheiten, die Young wiedergibt, aber sie sind doch immer wieder hörenswert, weil eben wahr: „Jede Bar auf der Welt ist in der Lage, für ihre Gäste großartige Erlebnisse zu schaffen, unabhängig von ihrem Konzept oder ihrem Standort“, schreibt er. “Man braucht kein großes Budget, eigentlich braucht man gar kein Budget, um nett zu sein und sich um die Menschen zu kümmern. Aber allzu oft ist das die Ausnahme und nicht die Regel.“

Credits

Foto: everettovrk - stock.adobe.com

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