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Inventur

Inventur am 14. Mai 2023 – Die Neubetrachtung von Rum & neue Sake-Wege

Es ist Sonntag, der 14. Mai, und es ist anzunehmen, dass der Exodus der Bartender:innen nach Köln bereits eingesetzt hat: Ab morgen steht für zwei Tage das Bar Symposium Cologne (BSC) auf dem Programm, das traditionell schon am Vorabend mit zahlreichen Gastschichten und Programmpunkten in den Kölner Bars eingeläutet wird. Auch Teile unserer Redaktion werden beim – analog zum Bartender’s Christmas, dem Bar Convent Berlin – „Bartender’s Easter“ genannten BSC dabei sein. In der Tat erweckt das Programm auf und rund um das Symposium den Eindruck, dass kaum jemand aus zumindest der deutschen Barszene nicht dabei sein wird – und da auch der angekündigte Streik der Deutschen Bahn, der just auf die beiden Veranstaltungstage angekündigt war, wohl entfällt, steht auch einer geplanten Anreise nichts im Weg. Und somit springen wir in die dieswöchige Inventur …

Künstliche Intelligenz und Gastro-Roboter

… und springen direkt in ein brandheißes Thema, das auch die Gastronomie noch beschäftigen wird: Künstliche Intelligenz und der technische Fortschritt, der auch von Bartender-Robotern und autonom agierenden Maschinen repräsentiert wird. Charles Spence widmet sich im Class Magazine dem Thema, in der er sogar den „guten alten“ Makr Shakr auspackt, ein cocktailschüttelnder Greifarm, der 2014 auf einer Kreuzfahrtjacht debütierte, und führt über in die Gegenwart. Dabei stellt er den Wert des ständig gleichen Resultats eines Drinks – ergo jenem der Maschine – den Reiz des gezielt Überraschenden – ergo jenem des Menschen – gegenüber, und meint, dass Gäste beim Ausgehen „die Hand des Herstellers spüren wollen“.

Dabei verfällt er jedoch in keine plumpe Gut vs. Böse-Rhetorik oder analoge Romantik. Denn auch wenn in Teilen Asiens Serviceroboter populär würden, sieht er Roboter eher in anderen Funktionen als hinter dem Tresen: „Ich vermute, dass auf längere Sicht soziale Roboter, die denjenigen, die sonst alleine trinken oder essen würden, eine Form von Gesellschaft bieten, das größte Wachstum auf dem Markt für Roboter im Gastgewerbe verzeichnen werden, und nicht die Roboterköche, Barkeeper oder Vorkoster von Speisen.“ Die Frage, ob diese auch etwas konsumieren würden, wird dabei leider nicht beantwortet.

Vergangenheit und Zukunft des Rums

In einem umfangreichen Dossier beschäftigt sich Imbibe mit der Frage, wie die Geschichte des Rums neu geschrieben wird bzw. werden sollte. Denn von seiner problematischen Historie, in der vielfach Sklaven in der Herstellung eingesetzt wurden, bis zu wenig nachhaltigen Produktionsbedingungen hat die Zuckerrohr-Spirituose einige Punkte, die sie zurechtrücken müsste. Und das auch tut. Vorgestellt werden Ian Burrell, der mit seinem 2020 gegründeten Equiano Rum – benannt nach Olaudah Equiano, einem Abolitionisten und Schriftsteller, der seine Freiheit durch den Verkauf von Gewürzen und Rum erkaufte – Aufklärungsarbeit leistet, bis hin zur Frage, wie große Marken wie Mount Gay ihre Produktionen nachhaltiger gestalten, oder wie Mark Reynier, der ehemalige Gründer von Bruichladdich, mit seinem Renegade Rum in Grenada der Frage nach Terroir in Rum nachgeht. Ein sehr lesenswerter Beitrag, der sowohl als Einführung für Leser:innen, die bislang wenig von der Thematik wussten, dient, wie auch solche an die Hand nimmt, die sich für Rum, seine Historie und Gegenwart interessieren.

World’s 50 Best Nordamerika in asiatischer Hand

Unlängst wurde die Liste der World’s 50 Best für Nordamerika veröffentlicht. Unter den ersten Vier landeten jeweils zwei Bars aus New York und Mexico City. Mit dem Handshake Speakeasy (Platz 2) und der Licoreriá Limantour (Platz 4) auch zwei Bars, die wir in der Stadtgeschichte über die mexikanische Hauptstadt in unserer aktuellen Print-Ausgabe ausführlich besprechen und auch besuchen.

Auf Platz 1 landete mit dem Double Chicken Please eine durchaus bemerkenswerte Erfolgsgeschichte: Die Betreiber:innen GN Chan und Faye Chen begannen 2017 mit Pop-ups in einem alten VW-Bus, bevor sie 2020 in ihre Bar in der Lower East Side zogen. Dort ist jedes Getränk ist so konzipiert, dass es ein trinkbares Gericht darstellt. Mit dem vom Mashahiro Urushido geführten Katana Kitten landete eine auf höchstem Niveau laborierende Dive Bar auf Platz 3. Das von taiwanesischen Betreiber:innen geführte Double Chicken Please und das japanischer Provenienz entstammende Katana Kitten demonstrieren ebenfalls, dass die stärksten Bars in den USA derzeit von Menschen mit asiatischem Hintergrund geführt werden.

Talking all that Sake

Wer sich in progressiven Bars (und nicht nur dort) herumtreibt, dem ist es schon aufgefallen: Sake ist überall. Zumindest häufig als Zünglein an der Waage in Drinks zu finden und auch als Speisebegleiter in Restaurants längst keine Seltenheit mehr. Das Punch Magazine ist dieser Entwicklung nun auch nachgegangen und erklärt, dass Sake zwar noch einen weiten Weg vor sich hat, bis man den Traum von der Gleichstellung mit Wein erreicht, aber in der Zwischenzeit über die Traditionen des Getränks hinausgeblickt wird. „Sake hat das Potenzial, die Getränkeindustrie nachhaltig zu verändern”, wird Ben Bell zitiert, der kürzlich Origami Sake in den USA gegründet hat.

Dieser Umbruch zeigt sich, zumindest teilweise, in einer wachsenden Zahl von hybriden Produkten, die die Techniken und Zutaten der Brauerei und der Weinherstellung miteinander verbinden, um etwas Neues zu schaffen. Gerade im Bereich der Sparkling Sakes, der Awazake genannten Perlage-Varianten, tue sich Bemerkenswertes. „Wenn ich den Leuten erzähle, dass es keine zweite Flaschengärung gibt, keine Hefe oder Zucker in der Flasche, sind sie schockiert“, wird Kosuke Kuji zitiert, der den von Pét-Nat inspirierten AWA Sake herstellt. Da kommt also noch was.

Credits

Foto: everettovrk - stock.adobe.com

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