Inventur am 23. Januar 2022 – Alkoholfreier Wein vor dem Boom & verstörende RTD-Cocktails von Campbell’s
Ende Januar. Eine eigenartige Zeit. Die Weihnachtsfeiertage liegen gefühlt lange im Rückspiegel. Es ist kalt, wenn auch nicht frostig. Der Winter tut nicht wirklich weh, tut sich aber auch nicht hervor. Die Bars kämpfen mit frühen Sperrstunden und 2G+ sowie diffusen Verordnungen, welche Gäste als geimpft, genesen und geboostert in verschiedenen Stadien ihrer Zugangsberechtigung gelten. Messen werden wieder verschoben oder abgesagt: Die Craft Spirits Berlin wurde bereits vergangene Woche abgeblasen, die Finest Spirits in München wird statt Anfang April nun vom 2.- 4. September 2022 über die Bühne gehen, die Internorga in Hamburg, die Fachmesse für Gastronomie und Hotellerie, wird von März auf den Zeitraum vom 30. April – 4. Mai geschoben.
Alles fühlt sich wie ein Durchhalten an. Sprich: Der Frühling könnte kommen. Das tut er aber eine Weile noch nicht. Da hilft es vielleicht, sich ein wenig wegzuträumen. Nach Mexiko beispielsweise. Mit einer Margarita in der Hand. Noch bis zum 31. Januar läuft die Cointreau Margarita Challenge. Bartender:innen weltweit können ihren Twist auf eine Margarita einreichen, die mit lokalen Zutaten hergestellt werden soll. Vielleicht hat ja noch jemand eine Variante auf Tasche?
Und somit zum News-Rückblick der Woche.
Alkoholfreier Wein: Kommt der Boom?
Dass alkoholfreie Produkte quer durch alle Kategorien boomen, sollte an dieser Stelle keine Überraschung mehr sein. Die Absatzzahlen von alkoholfreien Spirituosen wachsen beständig, und auch alkoholfreiem Wein steht eine neue Blütezeit bevor – zumindest, wenn man dem ausführlichen Dossier auf SevenFiftyDaily glaubt, das die Entwicklungen auf dem US-amerikanischen Markt analysiert.
Neben Zahlen, die die steigende Nachfrage darlegen und alkoholfreien Wein vom Dasein als „Staubfänger“ in den Ecken der Weinhandlungen befreien, über zahlreiche O-Töne bis hin zu den verschiedenen Herstellungsmethoden und der Frage, warum gerade Aufklärung in dem Bereich sehr wichtig ist, um interessierte Neulinge nicht gleich wieder abzuschrecken, wirft der Beitrag einen komplexen und umfangreichen Blick auf das Thema – und demonstriert nicht zuletzt, dass es in den Staaten den schönen Begriff der „German Spätlese“ gibt.
Japan erkennt Bourbon als US-Produkt an
Interessant, weil aus der Kategorie „Das gab es auch?”: Seit Ende Dezember erkennt Japan Bourbon und Tennessee Whiskey offiziell als US-Produkte an, wie The Spirits Business berichtet. Sprich: Zuvor war das gar nicht der Fall. Erstaunlich, immerhin gilt Japan als einer der wichtigsten Absatzmärkte von amerikanischem Whiskey – aber eben auch als Whiskynation, die sich immer bei den großen Vorbildern Großbritannien und USA bedient hat.
Von Januar 2021 bis November 2021 jedenfalls erreichte der Exportwert von amerikanischem Whiskey nach Japan 89 Millionen US-Dollar, wie aus den jüngsten Daten des Discus (Distilled Spirits Council of the US) hervorgeht. „Diese Anerkennung stellt sicher, dass nur Bourbon und Tennessee Whiskey, die in den Vereinigten Staaten nach offiziellen US-Standards hergestellt werden, in Japan verkauft werden dürfen”, beschreibt Robert Maron, Vizepräsident für internationalen Handel bei Discus. Als Teil des Abkommens leiten wiederum die USA im Gegenzug die Anerkennung für einige japanische Produkte ein.
Warum gibt es in der Trinkwelt keine „Foodies“?
Einen höchst unterhaltsamen wie informativen Text liefert Danny Chau im Punch Magazine ab. Er stellt darin die Frage: Warum gibt es in der Trinkkultur kein Pendant zum „Foodie“? Und damit ist wirklich das Wort „Foodie“ als Ausdruck als solcher gemeint, und nicht bloß die Kategorie Mensch, die sich für eine Sache – also Essen oder in diesem Falle Trinken – begeistert.
Connoisseur, Enthusiast, Bonvivant – all das, was für den Bar- und Cocktailberech verwendet werde, treffe nicht wirklich ins Schwarze, so Chau. Das Wort „Foodie“ wurde übrigens 1980 erstmals im New Yorker Magazine niedergeschrieben, 1984 folgte das „The Official Foodie Handbook“ von Ann Bar und Paul Levy. Auch daraus zitiert Chau, wenn er demonstriert, dass die Begeisterung für und das Wissen über eine Sache im Foodie-Kontext nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen müssen. „Foodies hüten sich davor, sich zu sehr für Wein zu interessieren. Wein ist ein zu großes Thema, ein zu altes Thema. Buchstäblich zeitraubend”, zitiert er dabei Barr und Levy. „Wenn Foodies einen Weinmacher in seinem Keller voller abgestandener Luft sehen, wie er vorsichtig eine spinnwebenverhangene Flasche waagrecht gegen das Licht hält, um den Bodensatz zu untersuchen, wird einem klar, welche Strecke sie zurückliegen müssten, diese Welt zu beherrschen.“ Geschickt leitet er dann über auf den Drinks-Kosmus. Wie gesagt, sehr kurzweilig.
Campbell’s verstört mit RDT-„Cocktailsuppen“
Zum Schluss unserer wöchentlichen Rückschau noch ein Blick nach Kanada aus der Kategorie „kurios“, oder vielmehr „befremdlich“. Die „Campbell Soup Company“ bzw. vielmehr kurz „Campbell’s“ ist vor allem durch das ikonische Gemälde seiner Dosen von Andy Warhol aus dem Jahre 1962 bekannt. Nun ist das kanadische Lebensmittelunternehmen in den RTD-Cocktailmarkt einstiegen. Und das mit einem, nun ja, Knalleffekt.
„Brothails“ (Broth ist das englische Wort für Brühe) nennt sich die RTD-Reihe, in der Cocktails auf Suppe treffen, es gibt diese etwa in den Geschmacksrichtungen „Pork Ramen Mezcal Margarita“, „Thai Chicken Negroni“ oder „Mushroom Truffle Daiquiri“. Während einem das alleine schon beim Lesen die Nackenhaare des Grauens aufstellt, hat die Autorin Rax King ihre Erfahrung für das Mel Magazine zusammengefasst. Der Titel ihres Beitrages ist wohl selbsterklärerisch: „Ich habe Campbell’s Brothtail verkostet und überlebt, um vom Horror zu erzählen“. Ok, auch wir erhöhen auf „sehr befremdlich“.
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