Inventur am 26. November 2023 – Das Little Red Door geht in den Streik
Schon biegt der November – und somit auch das Jahr 2023 – in die Zielgerade. Wir bei MIXOLOGY haben vergangene Woche unsere letzte Ausgabe des Jahres in die Druckerei geschickt, die am 8. Dezember erscheinen wird. Gleichzeitig haben wir im digitalen Bereich eine Neuigkeit eingeführt: Man kann unsere Print-Ausgaben nun auch via tiun lesen. Bei dieser Plattform handelt es sich um ein Modell, das seine Leser:innen nach der Zeit abrechnet, die sie IN einer Ausgabe lesen. Sprich man kauft also nicht pro Artikel, eine ganze Ausgabe oder gar ein Abonnement, sondern bezahlt für die Zeit, die man in der Ausgabe blättert und liest. Es ist ein neuartiges Modell, das unkompliziert funktioniert, ohne die Vergabe eines Passwortes auskommt und mit den meisten gängigen, digitalen Bezahlmodellen kompatibel ist. Also: tiun in! Und sagen Sie uns gerne, wie Sie die Erfahrung finden. Und somit begeben wir uns die News der abgelaufenen Woche.
Little Red Door-Belegschaft geht in den Streik
Es ist eine ungewöhnliche Aktion, zumindest ist uns nichts Vergleichbares aus der Barszene bekannt: Wie am Donnerstag via einer Exklusivmeldung auf Drinks International bekannt gegeben, hat sich das Team des Little Red Door in Paris in den Streik begeben. Als Grund werden Unstimmigkeiten zwischen dem Gründer und Mit-Besitzer Timothée Prangé und weiteren Teilhaber:innen genannt. In der Erklärung des Teams werden als die Ziele des Streiks angegeben, „regelmäßige, kollektive und transparente Informationen für die Beschäftigten über die Zukunft des Unternehmens und ihrer Arbeitsplätze“ sowie eine „kollektive und deutliche Lohnerhöhung“ zu erreichen. Der Streik des Teams, zu dem etwa auch die frühere Wax On-Bartenderin Rose Manon-Baux gehört, passiert also in Unterstützung von Prangé und dessen Forderungen. Aktuell wird das Little Red Door auf Platz Sechs der World’s 50 Best Bars geführt.
TV-Werbeverbot für Alkohol in Irland kommt
Es wirkt wie ein weiterer Dominostein, Alkohol aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Wie diese Woche auf The Spirits Business gelesen, hat der irische Gesundheitsminister ein Gesetz verabschiedet, dass Alkoholwerbung im TV von 3 Uhr morgens bis 21 Uhr abends verbietet, gleichzeitig gelten die Einschränkungen auch für das Radio, und zwar von Mitternacht bis 10 Uhr und von 15 Uhr bis Mitternacht. In Kraft treten werden die Gesetze erst am 10. Januar 2025. Ein Umstand wiederum, den Dr. Sheila Gilheany, Geschäftsführerin von Alcohol Action Ireland (AAI), kritisiert, die laut dem Bericht ebenfalls eine gewisse Widersprüchlichkeit der irischen Politik ausmacht. Denn einerseits hätte das Gesetz jahrelang gedauert und würde erst in einem Jahr in Kraft treten, während die Regierung auf der anderen Seite versuchen würde, die Verfügbarkeit von Alkohol durch Vorschläge in der „Sale of Alcohol Bill“ (Gesetzentwurf über den Verkauf von Alkohol) zur Ausweitung der Schankzeiten und Veranstaltungsorte zu erhöhen.
Pleiten in der Gastronomie prognostiziert
Die soeben erwähnte Ausweitung der Schankzeiten in Irand kommt bestimmt den dortigen Gastronomien zugute, die diese Unterstützung mit Sicherheit gebrauchen kann, denn die Statistiken und Prognosen für die Gastronomie sind – zumindest im europäischen Bereich – aktuell häufig trübe. In dieses Kerbholz schlägt auch Der Spiegel mit einem Bericht, dass aktuell in Deutschland etwas mehr als 15.000 gastronomische Betriebe insolvenzgefährdet sind, was 12,6 Prozent der knapp 120.000 analysierten Betriebe entspreche. Als einer der Gründe wird natürlich die gerade in dieser Woche viel diskutierte Rückkehr zur Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent auf Speisen genannt, die voraussichtlich zum 1. Januar 2024 eintreten wird. Wir erinnern: Für Bars, die primär von Getränken leben, hat diese Erleichterung ohnehin nie gegolten. Die Auswertung beruht auf Daten des Wirtschaftsinformationsdienstleisters Crif, dessen Deutschlandchef Frank Schlein mit folgenden Worten zitiert wird: „Unternehmen, die sich in einer stabilen finanziellen Lage befinden, haben ihre Widerstandsfähigkeit weiter gestärkt. Hingegen sehen sich Gastronomiebetriebe, die bereits zuvor mit Problemen zu kämpfen hatten, vermehrt mit der Gefahr der Insolvenz konfrontiert.“ Und auch wir hören praktisch in jedem Gespräch: Ob Bar oder Restaurant, 2024 erwarten viele ein allgemein herausforderndes Jahr.
Wie Frauen in Kalifornien in der Bar arbeiten durften
Zum Abschluss unserer Inventur werfen wir unseren Blick mit Vinepair nach Kalifornien und in die dortige Geschichte. Der westlich am Pazifik gelegene Golden State mit seiner Hollywood-und Silicon Valley-Nähe hat immer schon als liberal gegolten, gleichzeitig war es Frauen dort bis in das Jahr 1971 verboten, hinter der Bar zu arbeiten. Wie Autor Rich Manning schreibt, sei das ein Überbleibsel eines Gesetzes aus dem Jahre 1947 gewesen, das ausgerechnet das progressive Kalifornien als letzter Bundesstaat der USA aus seiner Verfassung gestrichen hatte. Der Grund dafür sei aber wiederum keine soziale Läuterung oder politische Handlung gewesen, vielmehr hätte eine Klage einer Bar namens The Classic Cat den Ausschlag gegeben – eine damals wohl populäre Oben Ohne-Bar, deren Betreiber sein Geschäft nicht aufgeben wollte. Das Gericht hätte dessen Ansuchen wohl abgelehnt, wäre nicht eine gewisse Wendy Webster Williams auf den Plan getreten, eine feministische Gerichtsschreiberin und neu am damaligen höchsten Gericht des Bundesstaates. Statt das Ganze als Fall eines schlüpfrigen Etablissements zu betrachten, das seine davonschwimmenden Felle retten will, erkannte sie ihn als Gelegenheit, ein ganzes Gesetz zu Fall zu bringen. Ein lesenswerter Ausflug in die Geschichte – denn wie wir wissen, von der Geschichte lernen wir.
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