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Cocktail-Tasting: Italienische Wermuts im Manhattan – welcher passt am besten?

Der Einfluss von Wermut auf das Aroma eines Manhattan Cocktails kann nicht überschätzt werden. Er steuert dem Drink maßgeblich Körper und Aroma bei. Da zur Zeit der Entstehung des Drinks Ende des 19. Jahrhunderts ursprünglich italienische Wermuts zum Einsatz kamen, haben wir neun davon in einem Manhattan blind verkostet. Am Ende liegt ein alter „Bartenders Liebling“ vorne.

Der Manhattan ist und bleibt ein Cocktail, an dem manch ein Gast eine Bar misst. Mit der Bestellung eines solchen Drinks geht ein gewisses Kennertum einher. Selbst wenn der Manhattan nicht auf der Karte steht, dürfte er des Öfteren geordert werden. Es ist ein ernstzunehmender Drink, und das auch völlig zu Recht. Denn gerade in kräftigen, klassischen, straight servierten Cocktails aus nur wenigen Zutaten wird das Handwerk des Bartenders schmeckbar. Hier können keine Säfte, viel Eis oder opulente Garnishes über Fehler bei der Zubereitung hinwegtäuschen. Es macht also durchaus Sinn, sich mit diesem Klassiker auseinanderzusetzen.

Die Manhattans wurden kalt gerührt als Flight im Nosing-Glas verkostet

Die Wahl des Wermuts verändert einen Manhattan mehr als der Whiskey

Auch wenn als Hauptbestandteil American Whiskey, zumeist Rye, ins Rührglas wandert, kann der Einfluss von Wermut auf das Aroma eines Manhattans nicht überschätzt werden. Er steuert dem Drink maßgeblich Körper und Aroma bei. Wie unser Tasting beweist, kann er den Drink je nach Produkt komplett wandeln. Man könnte sogar behaupten, dass die Wahl des Wermuts einen Manhattan mehr verändert als die Wahl des Whiskeys. Es wird also Zeit, sich dieser unterschätzten Zutat zu widmen.

Unter Einhaltung aller aktuellen Sicherheitsvorkehrungen treffen wir uns mit Kai Wolschke (Goldfisch), Damien Guichard (Truffle Pig), Rose-Manon Baux (Truffle Pig) und Karim Fadl (Bar Tausend) in der Green Door Bar zur Blindverkostung. Vorab ist eine Frage zu klären: Was erwartet man vom Wermut im Manhattan? „Er sollte sich perfekt mit dem Rye verbinden und ihn abrunden“, so Damien Guichard. Rye bringt im Schnitt etwas mehr Ecken und Kanten mit als Bourbon, hier ist ein Wermut gefragt, der den Drink harmonisch macht und in Balance bringt. Dabei soll der Drink weder rauh noch schwer oder klebrig sein.

Klassischer Manhattan mit italienischem Wermut

Um bei einem klassischen Manhattan zu bleiben, wird in unserer Verkostung ausschließlich süßer Wermut aus Italien verglichen. Als der Drink Ende des 19. Jahrhunderts in den USA aufkam, war italienischer Wermut der einzige, rote Wermut auf dem Markt. Sehr selten ist in älteren Rezepten von französischem Wermut im Dry Manhattan die Rede, und damit ist trockener, weißer Wermut gemeint. Produkte wie roter Wermut aus Frankreich wurden erst in den 1950er Jahren entwickelt. Damals fiel süßer, roter Wermut – und auch der Manhattan – völlig aus der Mode, der Dry Martini trat seinen Siegeszug an. Bernard DeVoto bringt in seinem 1948 erschienenen Buch The Hour: A Cocktail Manifesto den Zeitgeschmack ziemlich überspitzt auf den Punkt: „Whiskey and vermouth cannot meet as friends and the Manhattan is an offense against piety. With dry vermouth it is disreputable, with sweet vermouth it is disgusting. It signifies that the drinker, if male, has no spiritual dignity and would really prefer white mule; if female, a banana split.“

Viele Hersteller brachten als Reaktion auf den Trend zu trockenen Drinks weniger süße Versionen von rotem Wermut auf dem Markt. Diese unterschieden sich nicht nur im Zuckergehalt, sondern auch durch andere, landestypische Grundweine. Italienischer Wermut wird traditionell aus Weißwein hergestellt, der gesüßt und mit Zuckerkulör eingefärbt wird. Sieht man genau hin, ist ein so hergestellter roter Wermut überhaupt nicht rot, sondern bräunlich wie Rum oder Cognac. Ein Wermut aus roten Grundweinen ist im Vergleich leicht durch seine Farbe erkennbar und hat grundsätzlich andere Charakteristika, die auch den Stil eines Drinks verändern. Dessen sollte man sich beim Mixen bewusst sein.

Auf Platz eins der Blindverkostung landete der alte „Bartender's Liebling“ Punt e Mes, eigentlich eine Mischung aus Wermut und Amaro
Gleich drei Produkte teilen sich Platz zwei. Eines davon: Cocchi di Torino. Ein Wermut, der die Tester:innen polarisiert

Die Süße des Drinks lässt sich auch dosieren

Erwähnt sei dass der Einsatz von französischem, spanischem oder auch deutschem Wermut im Manhattan funktionieren kann, im Schnitt aber durch den meist geringeren Zuckeranteil zu einem kantigen, trockenen Drink führt. Dass ein Manhattan klassischerweise eher mit dem süßeren, italienischen Wermut zubereitet wird, sollte man zumindest mal gehört haben, nur für den Fall, dass dann doch mal ein Cocktail-Traditionalist der alten Schule am Tresen sitzt.

Die Süße des Drinks lässt sich auch dosieren, ohne zu trockeneren Alternativen zu greifen: Beim Einsatz von süßem Wermut macht langes Rühren den Drink leichter, abgesehen davon kann der Wermutanteil entsprechend reduziert werden. Bei leichteren Manhattan-Varianten mit rotem Wermut aus Frankreich etc. sollte man auf zu langes Rühren verzichten, da sie meist weniger Körper mitbringen und mit zu viel Schmelzwasser wässrig und fad schmecken können. Es empfiehlt sich, seine bevorzugte Manhattan-Rezeptur einmal zur Probe an verschiedenen Zeitpunkten (zum Beispiel alle 5-10 Sekunden einen Schluck) abzuseihen, um den korrekten „Garpunkt“ seiner Mischung festzustellen. Zuckergehalt des Wermuts und Alkoholgehalt des Ryes, Mischungsverhältnis, Eis, Rührgefäß und Temperatur haben Einfluss auf die optimale Rührdauer; den richtigen Moment des Abseihens zu finden, kann den kompletten Drink wandeln.

Ebenfalls auf Platz zwei: Der Manhattan mit Carpano Classico wird als kraftvoll beschrieben und untermalt gelungen den Whiskey
Ebenfalls 39 von 50 Punkten bekam der Del Professore Rosso, der in Kombination mit der Bar „Jerry Thomas Project“ in Rom entstanden ist

Das Cocktail-Tasting beginnt

Wir bleiben der Tradition und Vergleichbarkeit halber in Italien und vermixen neun Produkte: Cocchi Vermouth di Torino, Cinzano 1757 Vermouth di Torino, Martini Riserva Speciale Rubino, Del Professore Rosso, Berto Rosso, Carpano Classico, Berto Superiore, Punt e Mes und Antica Formula. Als Whiskey kommt Bulleit Rye zum Einsatz, daneben Boker’s Bitters. Diese waren Ende des 19. Jahrhunderts im Manhattan ebenso verbreitet wie Angostura Bitters und lassen dem Wermut aromatisch eher den Vorzug. Wir entschieden uns für ein 2:1 Whiskey zu Wermut Verhältnis, um dem Wermut viel Raum zum Wirken zu lassen. Serviert wird ohne Garnish und ohne Eis.

Mit Punt e Mes und Martini Rubinio sind dabei zwei Produkte im Tasting, die nicht ganz einer klassischen, italienischen Wermut-Rezeptur entsprechen. Martini Rubinio basiert auf Rotwein und bringt somit wesentlich mehr Tannine und Trockenheit in den Drink. Im Manhattan bringt er zwar eine schöne Weinigkeit und Aromatik, es fehlt aber etwas Zucker und die Gerbsäure clasht mit den Kanten des Ryes. Der Sieger des letzten MIXOLOLGY Taste Forums landet somit hier auf dem sechsten Platz.

Punt e Mes kommt wie Antica Formula aus dem Hause Carpano und ist eine Mischung aus rotem Wermut und Amaro. Wenn auch streng genommen also gar kein Wermut, wird Punt e Mes von vielen Bartendern in klassischen Drinks eingesetzt und verdient deshalb einen Platz in unserer Verkostung. Und siehe da: Spannenderweise überzeugt gerade dieser Grenzgänger der Kategorie am meisten im Manhattan. Mit durchschnittlich 43 von 50 möglichen Punkten landet Punt e Mes auf Platz 1. Die Verkoster schätzen die Würze und Struktur, die er dem Drink gibt, wenn auch eine deutliche Bitterkeit in den Vordergrund tritt, die nicht jedem Gast schmecken dürfte.
Platz Zwei teilen sich mit je 39 von 50 Punkten gleich drei Produkte: Carpano Classico, Cocchi und Del Professore. An Cocchi scheiden sich die Geister: Einige finden den Manhattan smooth und ausgeglichen, andere bemängeln einen etwas zu holzigen, adstringierenden Nachhall und zu viel Süße. Der Carpano Manhattan wird als kraftvoll beschrieben und untermalt gelungen den Whiskey. Del Professore wird zwar nicht als archetypisch wahrgenommen, aber bringt Noten von kandierter Orange und Harz und eine dichte Textur in den Drink.

Antica Formula landet mit 36 von 50 Punkten auf dem fünften Platz. Hier wird vor allem eine zu dominante Süße bemängelt. Berto erhält 33 Punkte und ist somit auf Platz sieben, er scheint keine gute Verbindung mit dem Rye einzugehen. Cinzano 1757 kommt im Manhattan eher rough rüber, seine oxidativen Noten kommen in dieser Mischung bei unseren Verkostern nicht gut an. Er landet auf dem vorletzten Platz. Das Schlusslicht bildet Berto Superiore, seine intensiven Palo Santo-Noten werden als zu dominant für diesen klassischen Drink angesehen.

Mit einem guten Manhattan wird der kritische Gast zum Stammgast

Als Fazit kann angemerkt werden, dass gleich eine Handvoll Favoriten sich für den Einsatz im Manhattan eignen. Es empfiehlt sich durchaus auch eine kleine Blindverkostung mit dem eigenen Barteam zu veranstalten. Viele der Verkoster waren überrascht, wie sich scheinbar gut bekannte Produkte im Drink verhalten, und fanden einen neuen Favoriten. Wer aromatisch finetunen will, dem sei auch das Experimentieren mit Wermut-Blends ans Herz gelegt.

Diese Verkostung zeigt jedenfalls auch, dass sich immer wieder ein Blick auf scheinbar gut bekannte Klassiker lohnt. Mit einem guten Manhattan wird aus einem kritischen Gast nämlich schnell ein Stammgast.

Credits

Foto: Aufmacher: Stefan Adrian

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