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Die Saison im Glas mit Ruben Neideck: der Japanknöterich

Mit der Verarbeitung von Japanknöterich – oder japanischer Staudenknöterich – eröffnet Ruben Neideck seine diesjährige Serie „Saison im Glas“. Er zeigt, wie die invasive Pflanze als Cordial eingesetzt werden kann. Als Cocktails gibt es dazu den Japanknöterich Quarantini, sowie als Alternative – ohne Cordial – den Japanknöterich Milk Punch.

Beim Wildsammeln von Zutaten gibt es immer einige botanische, ethische oder juristische Fragen, die man sich stellen muss. Darf ich hier sammeln bzw. an welche/n LandeignerIn wende ich mich? Kann sich die Pflanze von der Erntemenge, die ich anstrebe, gut erholen? Kann ich eine bestimmte Form der Ernte betreiben, die die Pflanze besonders schont bzw. kann ich gar aktiv zu ihrer Reproduktion beitragen? Befinde ich mich innerhalb eines Naturschutzgebiets? Befindet sich die Pflanze unter Artenschutz? Lasse ich der Tierwelt ausreichend Nahrung in Form von Blüten für Insekten oder in Form von Früchten für Vögel stehen? Welche Teile der Pflanze sind essbar und gibt es potenziell giftige Pflanzenteile oder Konsumhöchstmengen?

Der Japanknöterich hinterlässt Bambushain-artige, abgestorbene Ödnis …
Der Japanknöterich hinterlässt Bambushain-artige, abgestorbene Ödnis …
... in der im April die neuen, schmackhaften Triebe sprießen
... in der im April die neuen, schmackhaften Triebe sprießen

Japanknöterich ein Neophyt ohne natürliche Fressfeinde

Der Japanische Staudenknöterich, kurz Japanknöterich, gehört – was einige dieser Frage angeht – zu den besonders angenehmen Sammelkandidaten. Obwohl sehr viele Menschen diese Pflanze als ganz und gar nicht angenehm bezeichnen würden, da er gerade in europäischen Ländern als invasive Plagepflanze gilt. Ein Neophyt ohne natürliche Fressfeinde. Und genau deswegen tut man unter Umständen Mensch und Natur einen Gefallen mit der Ernte.

Für die saisonale Bar gehört der Japanknöterich (Fallopia japonica / japanese knotweed (engl.)) neben all den Blüten und dem langsam sprießenden Waldmeister zu den spannendsten Zutaten im April. Er zeichnet sich außerdem, einmal gefunden, durch besondere Ernteergiebigkeit aus. Sein herb-fruchtiger Geschmack erinnert an eine Mischung aus Rhabarber, Spargel, Nüssen und Sauerampfer.

Ein guter Erntezeitraum ist von etwa der zweiten Aprilwoche an bis zur zweiten Maiwoche. Auch wenn eine spätere Ernte möglich ist, ist in dieser Zeit die Erkennung am einfachsten und das Aroma am besten. Die besonders jungen Triebe der Pflanze sehen grünem Spargel nicht nur verblüffend ähnlich, besonders diese haben auch das ausgeprägteste, spargelähnliche Aroma. Mit etwas höherem Wuchs nimmt die Rhabarbercharakteristik zu. Gute Wuchshöhen zur Ernte sind 10 cm bis 100 cm. Typische Fundstätten sind in der unmittelbaren Ufernähe fließender Gewässer. Die Ernte geschieht sehr schnell und einfach durch Abknipsen oder -brechen der jungen Stängel in Bodennähe. Erneute Ernte ist dank rasantem Wachstum nach ca. zwei Wochen wieder möglich und gar ratsam, um den Japanknöterich langfristig an seiner Ausbreitung zu hindern.

Bei der Ernte ist darauf zu achten, keine Pflanzenbestandteile des Japanknöterich an Schuhsohlen o.ä. an andere Standorte zu verschleppen und so der Ausbreitung dieser invasiven Spezies zu behelfen. Denn der Japanknöterich vermehrt sich zumindest in Europa vegetativ, also durch „Klonung“, Auswuchs neuer Triebe aus Ablegern, und nicht durch geschlechtliche Fortpflanzung (generativ).

Der Wuchs ist rasant, der Japanknöterich ist invasiver Neophyt
Geschmacklich erinnern die hohlen Stängel an Spargel, Rhabarber, Nüsse und Sauerampfer

Japanknöterich wächst extrem schnell

Richtung Sommer legt der Japanknöterich Wuchsgeschwindigkeiten von 7 – 10 cm pro Tag hin (!), mit einer finalen Wuchshöhe von mehr als 3 Metern. Die zunächst gerade wachsenden Stängel breiten schließlich so engmaschig Äste und Blätter aus, dass anderen Pflanzen kaum Sonnenlicht bleibt. Im Spätherbst/Winter stirbt der überirdische Teil der Pflanze ab. Die auf den Fotos erkennbaren, dicht stehenden toten Stängel letzten Jahres erinnern an verödete Bambushaine.
Seine Hartnäckigkeit und Schadhaftigkeit verdankt der Japanknöterich einem tiefliegenden Wurzelsystem, welches jedes Jahr neu austreibt und sich gleichzeitig unterirdisch ausbreitet. Besonders Bauten in Ufernähe, Dämme und Schleusen können durch den Wuchs der Pflanze Schaden nehmen. Bei Beseitigungsmaßnahmen geht es darum, die gesamte Pflanze abzutöten oder zu entfernen. Das Bundesamt für Naturschutz gibt an, dass sich die Kosten für die hypothetische Bekämpfung sämtlicher Knöterichbestände inklusive anschließener Ufersicherungen auf schätzungsweise 22,9 Mio. Euro belaufen würden. In Großbritannien gibt es etliche Firmen, die auf die Bekämpfung des Japanknöterich spezialisiert sind (und die unseriöseren spezialisieren sich zusätzlich auf diesbezügliche Panikmache als Verkaufsstrategie).

Japanknöterich im eigenen Garten eine schlechte Idee

Wird die Pflanze konsequent am Austrieb gehindert, so veröden die Wurzeln auf Dauer und breiten sich nicht weiter aus. Für Sammler gilt deshalb: Eine Stelle merken und hierhin im 2-Wochen-Takt zur Ernte zurückkehren, um aktiv der Bekämpfung beizuhelfen.

Besonders in Großbritannien wird der Japanknöterich mit Spritzung von Pflanzengift bekämpft. Vor der Ernte sollte also Gewissheit bestehen, dass an der Erntestelle kein Pflanzengift eingesetzt wird – in Deutschland hat aktuell allerdings kein chemisches Bekämpfungsmittel Zulassung. Geerntete Pflanzenteile sollten nicht im Kompost entsorgt werden, da sich der Japanknöterich dort vermehren kann. Und: Die Ausbringung des Japanknöterich im eigenen Garten durch Einpflanzen von Wurzel- oder Pflanzenteilen ist selbstverständlich eine sehr schlechte Idee und kann insbesondere zu Konsequenzen führen, wenn es sich um Mietsfläche handelt.

Mit mehrfacher Ernte von der gleichen Stelle im Zwei-Wochen-Takt hilft man bei der Bekämpfung einer Pflanze, die europaweit für wirtschaftlichen Schaden und Vertreibung beheimateter Pflanzen sorgt, in dem durch die Ernte das tiefliegende Wurzelwerk geschwächt wird

Verarbeitung von Japanknöterich: Entsaftung und Klärung

Beim ersten Probieren der rohen, hohlen Stängel fällt direkt die besondere Säure des Japanknöterichs auf. Diese erinnert nicht zu Unrecht an rohen Rhabarber und Sauerampfer, denn diesen drei Pflanzen ist die Oxalsäure gemein. Sie sorgt für eine sehr mineralische Säure, ein stumpfes Gefühl der Zähne und veranlasst zur Mäßigung im Konsum: Oxalsäure bindet sich im Körper an Mineralstoffe wie z.B. Kalzium. Im speziellen das so entstandene Kalziumoxalat ist schwer löslich und kann zur Bildung von Nierensteinen führen. Wie für rohen Rhabarber rät es sich daher auch für rohen Japanknöterich: höchstens zwei Stangen roh pro Tag konsumieren. Oder vier Japanknöterich-Drinks *Zwinkersmiley*. Beim Klären via Milk-Punch-Methode wird praktischerweise ein Teil der Oxalsäure an das Kalzium der Milch gebunden und somit an der Resorbtion im Körper gehindert.

Es bietet sich in der Verarbeitung des Japanknöterich besonders die Entsaftung und anschließende Klärung an, um an ein bezaubernd roséfarbenes Ergebnis mit hoher Ergiebigkeit zu kommen. Im Velvet haben wir erfolgreich drei Arten der Klärung ausprobiert, allesamt ausgehend von fein püriertem Japanknöterich. Zentrifugation, welche beim Japanknöterich ohne typische Zusätze wie Pektinase u.ä. funktioniert, die recht einfach bewerkstellbare Agar-Agar-Freeze-Thaw-Methode, sowie Klärung mittels Milk Punch. Die letzteren beiden werden hier folgend vorgestellt, anhand eines Beispieldrinks. Für die Drinkpräsentation bieten sich die hohlen Stängel außerdem als Trinkhalm an.

Entsafteter Japanknöterich vor Klärung, reich an Oxalsäure
Durch Klärung mit Zentrifuge oder Agar-Agar-Freeze-Thaw-Methode stellt sich ein intensiver Roséfarbton ein
Ein guter Cordial ist ärmer an Zucker als ein Sirup und sollte deshalb gekühlt gelagert und schnell verbraucht werden

Japanknöterich Cordial via Agar-Agar-Freeze-Thaw Methode

Zutaten

1000 g Japanknöterichstängel
2 g Agar Agar
200 g Zucker
1,5 g Zitronensäure
1,5 g Weinsäure (alternativ durch gleiche Menge Zitronensäure ersetzen)
40 ml Wodka

Zubereitung

– Japanknöterich waschen und im Ganzen fein pürieren.

– Püree durch Nussmilchbeutel oder engmaschiges Sieb filtern.

– 150 ml des gefilterten Safts abmessen und mit 2 g Agar Agar unter Rühren erhitzen.
sobald Agar Agar gelöst ist, Hitze abdrehen und den restlichen Saft in einem dünnen Strahl unter Rühren eingießen. Sollte das Agar Agar durch zu schnelles Eingießen stocken, einfach nochmal etwas erhitzen.

– Saft in einem weitmündigen Kunststoffgefäß in die Gefriertruhe geben

– Gefrorenen Block in einen Nussbeutel geben und den Nussbeutel bei Raumtemperatur in ein Auffanggefäß hängen. 40 ml Wodka in Gefäßboden geben. Der auftauende Saft sollte glasklar tropfen. Zum Beschleunigen kann der Auftaumodus einer Mikrowelle genutzt werden. Dann Wodka erst danach dazugeben.

– 750 ml geklärten Saft mit Zucker und Säuren verrühren, bis alle kristallinen Stoffe gelöst sind.

– Abfüllen und gekühlt lagern, innerhalb von einem Monat verbrauchen.

Japanknöterich Quarantini: herb, floral und komplex

Japanknöterich Quarantini

Zutaten

2,5 cl Gin (Roku)
3,5 cl Japanknöterich Cordial
1,5 cl Sake (Gekkeikan Nouvelle Honjôzô)
0,75 cl Dill Aquavit (Aalborg)
0,5 cl Muskateller Traubenbrand (Freimeisterkollektiv)
0,5 cl Manzanilla Sherry (Micaela)
1 Dash Zitronensäurelösung (33%ig)
1 Tropfen Pastis

Oder ein Japanknöterich Milk Punch

Wer den Schritt der Cordialherstellung umgehen will, kann den pürierten und gesiebten Japanknöterich auch gleich als Milk Punch weiterverarbeiten und auf diesem Weg klären. Die Roséfärbung fällt dabei etwas geringfügiger aus. Interessanterweise bindet hier das in der Milch enthaltene Kalzium einen Teil der Oxalsäure und macht den Drink dadurch bekömmlicher. Anhand des gleichen Drinks ergibt sich dann folgendes Rezept:

Japanknöterich Milk Punch

Japanknöterich Milk Punch

Zutaten

250 ml Gin (Roku)
400 ml pürierter und gesiebter Japanknöterich
80 g Kristallzucker
150 ml Milch
150 ml Sake (Gekkeikan Nouvelle Honjôzô)
75 ml Dill Aquavit (Aalborg)
50 ml Muskateller Traubenbrand (Freimeisterkollektiv)
50 ml Manzanilla Sherry (Micaela)
10 Dash Zitronensäurelösung (33%ig)
10 Tropfen Pastis

Zubereitung

– alle Zutaten bis auf Milch in einem Gefäß ohne Eis rühren, bis aller Zucker gelöst ist.
Milch in ein anderes Gefäß geben. Drinkmische nun langsam in die Milch gießen (NICHT andersherum, da die Milch sonst sofort stockt).

– Mischung umrühren und mindestens eine Stunde ruhen lassen.

– Nussmilchbeutel in ein stabiles Metallsieb geben und über einen durchsichtigen Auffangbehälter legen, sodass sich das Sieb einfach abheben lässt.

– Milk-Punch-Mische in den Nussmilchbeutel geben. Nach den ersten 20 Minuten sollte gut ein Drittel durchgelaufen sein, allerdings möglicherweise noch nicht perfekt klar. In diesem Fall Sieb anheben und bereits durchgelaufenen Anteil nochmal oben in den nun feinporig „verstopften“ Nussmilchbeutel geben. Was nun durchtropft sollte kristallklar sein. Dieser Vorgang kann mehrere Stunden in Anspruch nehmen.

– zum Servieren, 120 ml fertigen Milk Punch ins Longdrinkglas auf Crushed Ice geben und mit einem Trinkhalm aus Japanknöterich garnieren.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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