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Das Jing Jing Hamburg verbindet Local Thaifood und Bar par excellence

Das Jing Jing Hamburg verbindet Local Thaifood und Bar par excellence

Das Jing Jing in Hamburg demonstriert: Wenn die richtigen Leute zusammenkommen, ergibt sich eine Bar mit Hand und Fuß. Und bei ganz besonders richtigen Leuten gibt es auch noch gutes Essen. Wenn die Teller abgeräumt sind, ist der Spaß aber nicht vorbei. Ganz im Gegenteil: Dann legt der Tresen erst los.

Vena Steinkönig und Valentin Broer sind keine Grünschnäbel in der hanseatischen Gastroszene. Ihr „Momo Ramen“ gilt als eine der besten deutschen Adressen, wenn es um die berühmten japanischen Nudelsuppen geht, die seit einigen Jahren so populär sind. Dazu muss man konstatieren, dass das Momo nicht auf diesem Popularitätstrend mitgeschwommen ist, sondern ihn durch Akribie und Fokussierung auf Qualität mit begründet hat. Insofern gilt es gleich mal, vorweg zu sagen: Wenn die beiden jetzt zusätzlich mit Thaifood an den Start gehen, dann dürfte das kein Nullachtfuffzehn sein. Ist es auch nicht.

Cocktail im Jing Jing Hamburg
Die Karte besteht aus zehn Signatures, die eine Brücke schlagen zwischen klassischem Spirituosen-Kanon und südostasiatischen Aromen

Jing Jing

Waterloohain 2
22769 Hamburg

Local Thaifood & Bar

Und zu „Momo“ kommt nun eben „Jing Jing“. Das aber eben nicht nur mit zeitgemäß interpretiertem Essen, sondern ausdrücklich auch mit – Cocktails. Local Thaifood & Bar, so der offizielle Untertitel. Im Gegensatz zum Schwesterladen ist das im Jing Jing auch aus zeitlicher Sicht möglich: „Wir wollten das Drinks-Thema ursprünglich auch schon im Momo aufnehmen“, erklärt Steinkönig, „aber da ist es unter anderem schlicht nichts geworden, weil wir dort nur eine Konzession bis 22 Uhr haben. Wenn es Zeit für einen Drink ist, müssen wir die Leute also fast schon wegschicken.“

Im Jing Jing, ein wenig rückwärtig gelegen in einem dieser typischen alten Industriegebäude nahe der Sternschanze, können dahingehend jetzt ganz andere Töne angeschlagen werden. „Hier dürfen wir theoretisch 24 Stunden machen“, so der Mitbetreiber. Angenommen wird das Konzept seit der Eröffnung Mitte September bislang exakt so, wie es intendiert wurde: Das weitläufige Restaurant wandelt sich im Lauf des Abends und in Richtung Nacht immer mehr zur Trinkstätte – die nicht zuletzt auch räumlich durch die lange, in eine rote Metallkonstruktion eingefasste Bar gegenüber der offenen Küche dominiert wird.

Ein alter Bekannter lenkt den Tresen

Jene Bar ist in den Händen eines alten Bekannten, nämlich eines Bar Managers namens Freddie Knüll. Der rund zwei Meter große Hiphop-Nerd und bekennende Basketballfan blickt auf ein echtes Bündel stattlicher Stationen zurück: Auf eine sehr lange Zeit im Kölner Spirits folgten drei Jahre im Roomers Frankfurt, bevor Knüll zunächst wieder an den Rhein ging und dort noch im The Grid sowie der Monkey Bar tätig war. Vor eineinhalb Jahren zog ihn die Liebe dann in den Norden, also ein Ortswechsel mitten während der Pandemie.

„Es musste eine Zeit lang ohne Bar gehen, ich habe auch eine ganze Weile Regale aufgefüllt“, spielt er auf das zwischenberufliche Schicksal so vieler Gastronom:innen an. Eher zufällig kam der Kontakt zu Steinkönig und Broer zustande. „Im März bin ich dann hier eingestiegen“, zeigt Knüll an, dass er sich also nicht erst hinter den gemachten Tresen gestellt, sondern am Aus- und Aufbau des Konzepts aktiv teilgenommen hat.

Aus Highball werden Thaiballs: Die Drinks im Jing Jing gibt es zum Einheitspreis
Aus Highballs werden Thaiballs: Die Drinks im Jing Jing gibt es zum Einheitspreis

Kein flach-stereotyper Umgang mit Aromen

Jenes Konzept in dem Raum mit hohen Decken und aufwendigen Graffiti und Malereien an den Wänden ist sowohl bei den Drinks als auch dem Food klar: Ein unmittelbarer, authentischer Bezug zur thailändischen bzw. südostasiatischen Kulinarik ist unabdingbar. Beim Food freilich noch etwas strenger als im Glas: „Wenn man sich die echt thailändischen Trinktraditionen anschaut, dann muss man natürlich sagen: Gut, es gibt bestimmte Früchte und Gewürze, aber sonst ist da nicht viel abseits von Reisschnaps“, führt Knüll aus.

Dementsprechend haben Knüll und sein Team eine Karte aus zehn Signatures entwickelt, die durchweg die Brücke schlagen zwischen klassischem Spirituosen-Kanon und – wo immer möglich – südostasiatischen Aromen und Zutaten. Wer jetzt an so schlaffe Dinge wie einen Mojito mit Korianderkraut denkt, liegt dabei aber falsch. Knüll, schon vor Jahren auch durch seine zahlreichen Competition-Teilnahmen als einer der kreativsten Denker der Szene profiliert, legt ein Menü vor, das sich so zeitgemäß wie abwechslungsreich liest und dabei jeglichen flach-stereotypen Umgang mit dem Asien-Thema vermeidet. Hinzu kommen Drink-Namen, die ebenfalls den gleichen sprachlichen Stil zeigen, den man schon von Knülls früheren Wirkungsstätten wie Spirits oder The Grid kannte.

Süffigkeit mit klarer Kante

Das Aromenspektrum reicht dabei vom leichten, anregenden „Chandler Bing“ aus Bananenbrand, Reisbrand, Noilly Prat Ambré und Dill über den Sojamilch-geklärten „Barbar Fetish Club“ mit Martini Bitter, Mandarine und Thai-Sellerie bis zur mit getoastetem Lotus und Kaffirlimette versetzten, trocken-knackigen Sidecar-Variante „Passenger“. Dazu kommen dann z.B. noch eine Espresso-Martini-Variante mit vietnamesischem, Butter-infused Kaffee und Karamellvodka und natürlich der purpurfarbene Eyecatcher „To Pimp A Butterfly“ mit Tequila, geröstetem Reis, Stachelannone, Verjus und Blauer Malve.

Die Balancierung der Drinks zeigt eine deutliche Handschrift, der es gelingt, Süffigkeit mit klaren Kanten zu vereinen. Die Cocktails im Jing Jing sind zwar erwachsen, aber atmen auch immer noch jugendliche Frische – beim Look dafür minimalistisch in zarten Nude-Gläsern und auf perfekten, klaren großen Eiscubes. Zum Einheitspreis von 13 Euro übrigens anno 2023 im Metropolen-Vergleich zwar nicht billig, aber geradezu günstig.

Südostasiatische Küche als perfekter Cocktail-Tanzpartner

Eine in kulinarischen Kreisen inzwischen schon häufiger kolportierte These wird im Jing Jing ausdrücklich verdeutlicht: Während Pairings aus Speisen und Cocktails in den meisten Fällen problematisch enden, bilden die Texturen und vor allem die typischen Aromenkombinationen südostasiatischer Küche – meist kraftvolle Formen von natürlicher Süße, Schärfe, Säure und auch Umami – ein sehr gutes Gegengewicht zur Geschmacksstruktur klassischer, spirituosenbetonter Cocktails.

Das gilt sowohl für bekanntere Thai-Archetypen wie das unfassbar gute rote Curry von Ente, Kokos, geräucherten Tomaten und Thai-Basilikum oder das Krapao aus gehackter Hänchenkeule samt gebratenem Ei. Die Cocktails des Barteams funktionieren aber ebenso zum herrlich scharfen, im Mörser gestampften Papaya-Salat mit grünen Bohnen und Erdnüssen oder der roh aufgeschnittenen Dry-Age-Stachelmakrele auf Nam-Prik-Pao-Sauce mit Kräutersalat. Und falls die „Fish Wings“ (mit Karamell und Fisch-Sauce glasierte Chicken Wings an Rettichsalat) dann doch eine wuchtigere Trinkbegleitung brauchen, steht eine stattliche Bier-Auswahl zur Verfügung.

„Wir sind mit Blick auf die Getränke, die wir schicken, durchweg bei über 50 Prozent Signatures und Highballs“, resümiert der sympathische Hüne Freddie Knüll. Dann geht er wieder hinter seinen langen Tresen, hinter dem das restliche Team bereits wuselt. Dort wird er jetzt gebraucht. Es ist kurz vor 22 Uhr. Und viele Gäste möchten: Drinks.

Sie sind am richtigen Ort dafür.

Credits

Foto: Pascal Kerouche

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