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Julia Hanlon & Steamworks Brewery: Ein Traum wird wahr

Sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort – und hatte den richtigen Stil. Meet Julia Hanlon, Braumeisterin der Steamworks Brewery. Die zweifache Mutter über die Kraft der Veränderung, ihre Craft Beer-Umtriebigkeit und ihre Aversion gegen den Ausdruck “Chick-Beer”.

Sie liebt Bier, kocht gerne und freut sich am meisten darüber, wenn anderen Menschen das schmeckt, was sie gemacht hat. Aus diesen Prämissen schien ihr das Bierbrauen die logische Folge. Und das ist eine sehr umsichtige Folge, denn auf diese Weise haben alle etwas davon – nicht nur Freunde und Familie von Julia.

Julia, das ist Julia Hanlon, heute Braumeisterin der Steamworks Brewery.

Eine Frage von Zeit, Ort und Stil

Dass ein klassisches Hausfrauentum für sie nicht in Frage kam, war ihr immer klar gewesen. Sie war elf Jahre lang bei Molson, Kanadas größtem Brauunternehmen, als ihre beiden Töchter ein und drei Jahre alt waren und der Job sie frustrierte. Seit nun eineinhalb Jahren arbeitet Julia bei Steamworks. Hier liebt sie ihre Autonomie, ihre Möglichkeit, kreativ zu arbeiten, sowie die Tatsache, dass kein Tag dem anderen gleicht: „Ich will nicht jetzt schon wissen, wie das übernächste Bier schmecken wird – und ich genieße, dass ich es auch nicht wissen muss.“

Sie ist froh, bei Steamworks angekommen zu sein. Gefunden haben sie sich gegenseitig. Julia wollte also etwas verändern in einem Job, in dem jeden Tag dasselbe passierte. „Mit dem Arbeiten gänzlich aufzuhören kam nie in Frage, dafür arbeite ich viel zu gern!“ Einen alten Kollegen, der zu dieser Zeit bei Steamworks arbeitete, fragte sie schlichtweg nach vakanten Stellen. „Hast Du meine Mail etwa nicht bekommen?“ fragte dieser zurück.

Hatte sie nicht. Sie traf das Team, man trank Bier miteinander, und bald war allen klar, dass Julia ihre neue Braumeisterin werden würde. „Das war einfach eine Frage der richtigen Zeit am richtigen Ort – und dem richtigen Stil.“

Brauen ist was für Buben

Das Brauen Männersache ist, wagt laut zu sagen schon lange keiner mehr. Lagavulin hat eine Brennmeisterin, Jura eine Markenbotschafterin. Weil Vorurteile aber mindestens so beständig sind wie ein Bakterium auf der Balz, ist Akzeptanz für soziale Alternationen so selbstverständlich leider nicht.

Julia hat diesbezüglich wenig zu beklagen: Mit den meisten Klischees wird sie erst konfrontiert, wenn man sie danach fragt. Es sind in der Regel Journalisten und Menschen, mit denen sie über ihre Arbeit spricht, die dieses Thema aufgreifen – nicht sie, nicht ihre Freunde und auch nicht ihre Kollegen. „Es kann natürlich sein, dass es an meinem Freundeskreis liegt, da die meisten davon Bier sehr mögen“, lacht sie.

Geschlechterunterschiede fallen ihr in puncto Bierkonsum in ihrem Umfeld jedenfalls nicht auf. Was durchaus einmal passieren kann, ist eine fälschliche Interpretation der Rollenverteilung, wenn sie mit ihrem Mann auf öffentlichen Veranstaltungen auftaucht. „Es kommt durchaus vor, dass die Leute denken, mein Mann sei der Brauer. Oder Eli Gershkowitz, der Eigentümer von Steamworks. Deswegen bin ich auch immer wieder mal gerne allein unterwegs. Dann ist die Sache klar.“

Beer: Craft, nicht Chick

Julia hat Biological and Technical Engineering studiert und ist somit in Männerdomänen aufgewachsen. „Mir macht das überhaupt nichts. Ich bin eine sehr direkte und offene Person und ich denke, die Leute werden das schon hinkriegen mit mir.“ Das werden sie sicherlich.

Ihr wäre es natürlich dennoch lieber, wenn mehr Frauen brauen würden – und die Zeit ist auf ihrer Seite. Auch in Kanada sieht man einen deutlichen Anstieg der bierbrauenden Frauenriege. Genau hier sieht sie auch eine Chance des Craft Beers. Traditionellerweise ist das Bier seit jeher tendenziell ein Männergetränk. Da mit Craft Beer viel mehr Geschmäcker möglich sind, wird Bier so auch für Frauen interessanter. An eine aromatische Trennung zwischen Männer- und Frauengeschmäckern glaubt Julia ohnehin nicht. Wohl aber daran, dass ein Getränk, das eine so hohe aromatische Bandbreite aufweisen kann wie Craft Beer, auch viele Menschen anzusprechen imstande ist.

Was sie überhaupt nicht leiden kann: Männer, die zu weichen Bieren „Chick-Beer“ sagen. „Was soll das? Ich trinke an Hopfen reiche Biere, auch starke Biere, und unser Tropical Tart Ale hat mir auch sehr geschmeckt!“ Es hängt nämlich von der Situation ab, nicht vom Geschlecht. Man kann es erzählen, so oft man will – Menschen, darunter vor allem Männer, verstehen es oft nicht.

Julia hat viel vor. „Mein Gott, wo soll ich anfangen“, schüttelt sie halb verzweifelt, halb verzückt den blonden Undercut-Kopf. Food-Pairing ist längst in Kanada angekommen und hat auch in der (Craft) Beer-Szene Einzug gehalten. Definitiv eine Sache, die für Julia in Frage kommt und über die sie nachdenkt. Weiterhin wird es ein White Stout geben, bei dem nach der Fermentation mit Kaffee- und Kakaobohnen gearbeitet wurde. Ein bisschen rauchig wird er auch sein. Ein Porter mit Salz und Schokolade ist auch noch in der Mache. Zu viel verraten mag sie aber nicht.

In Berlin mit BRLO

Wie viel Zeit es von der Idee zum Bier braucht, hängt vom Bier ab und natürlich von dessen angestrebter Komplexität. Julia testet täglich mit zwei ihrer Kollegen. Während es in der Whisky-Industrie nicht selten vorkommt, dass der Brennmeister um eine bestimmte Uhrzeit am Morgen seinen Malt abschmeckt – einige schmecken gegen fünf Uhr morgens schlichtweg am besten –  hat Julia keine festen Zeiten. Wenn sie hungrig ist, schmeckt sie am besten. Also, sie, Julia, das Bier.

Wir treffen Julia in der BRLO Brauerei. „Ihnen geht es um sehr ähnliche Dinge wie mir: nämlich um die Freiheit, kreativ zu bleiben.“ Am selben Abend findet eine gemeinsame Feier in der Kreuzberger Craft Beer-Bar Hopfenreich statt.  Es wird beide Biere vom Fass geben und Julia freut sich auf einen Abend, an dem sie wenig andere Aufgaben hat, als Bier zu trinken und über Bier zu sprechen. Das kann sie – und mit Sicherheit wird an diesem Abend keiner in Frage stellen, dass sie die Braumeisterin der Steamworks Brewery ist.

Credits

Foto: Foto via Steamworks.

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