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Der Seelbach Cocktail – Vom großzügigen Umgang mit Bitters [Aktualisiert]

Wir wollen uns in dieser Woche den kritischen Stimmen entgegenstellen, die in naher Zukunft eine Cocktailian Ausgabe zum Thema Spritz erwarten. Dass man sich diesem Thema mittlerweile nicht mehr verschließen kann, ist gegebene Wahrheit. Dass ein toller Drink auf Grundlage eines trockenen, eisgekühlten Champagners, gepaart mit den richtigen Zutaten einen Likör-Schaumwein-Aufguss jederzeit in den Schatten stellt, ist aber ebenfalls unbestreitbar richtig.

Ein solcher Champagner-Cocktail ist der Seelbach Cocktail. Die Liste der Zutaten liest sich im ersten Moment durchaus verstörend aber der mutige Versuch wird durch tanzende Nervenenden auf der Zunge belohnt.

Die Bar zum Drink und dessen Geschichte

Die Geschichte des Seelbach Cocktail ist eine schnell Erzählte. 1917 wurde dieser Drink das erste Mal ausgeschenkt. Und zwar im Seelbach Hotel in Louisville, Kentucky. Benannt also nach dem Ursprungsort machte sich dieser Drink auf, um weltweiten Ruhm zu erlangen. Allerdings mit einer Pause von beinahe 80 Jahren. Die Prohibition, das dunkle Zeitalter unserer beruflichen Geschichtsschreibung, ließ diesen Drink in Vergessenheit geraten, und es sollte bis 1995 dauern, bis Adam Seger, der damalige Restaurant-Manager des Seelbach Hotels das Rezept wiederentdeckte. Gary und Mardee Regan haben wir es zu verdanken, dass der Cocktail heute weltweite Beachtung findet.

Die Bar des Seelbach Hotels wurde in den letzten Jahren übrigens renoviert und optisch wieder auf den Zustand des frühen 20. Jahrhunderts gebracht. Wen es also einmal nach Louisville verschlägt, der sollte den Signature Drink des Hauses im originalen Ambiente nicht auslassen.

Bitters als Gerüst für den Seelbach Cocktail

Viele Quellen variieren mittlerweile die Mengenangaben der einzelnen Zutaten. Meist ist der Grund die große Menge Bitters, die verwendet wird. Der Autor schließt sich allerdings der Meinung des „Cold Glass Blogs“ von Doug Ford an. Der Schöpfer dieses Drinks hat offensichtlich mit den Bitters experimentiert und diese stellen das Gerüst des Drinks dar. Wenn man schon mit Zutaten spielen möchte, dann eignen sich in diesem Fall Orangenlikör, Whiskey und Champagner hervorragend, um zu variieren.

Erfahrene Trinker sind gefragt

In einem Artikel des Bitters Blogs schrieb Jörg Meyer schon vor sechs Jahren über diesen Drink und empfiehlt den Seelbach Cocktail mit seinen vielschichtigen Aromen vor allem den erfahrenen Trinkern. Und er hat Recht. Die Mixtur aus Bitters, Bourbon und Orangenlikör, gepaart mit Champagner kann im ersten Moment überfordern. Interessanter, und bei vielen Drinks zu wenig beachteter Punkt in Meyers Artikel ist die richtige Glaswahl. Im genannten Beispiel habe der Bartender der New Yorker Brandy Library, Ethan R. Kelly, lange nach dem optimalen Trinkgefäß für den Seelbach Cocktail gesucht und ist in einer kleinen Cocktailschale fündig geworden. Dem Volumen des Glases wurde dann die Rezeptur angepasst.

Wer den Vergleich zieht, gibt Kelly unbedingt Recht. Die Perlen des Champagner transportieren so viele Aromen, die in der Champagnerflöte die Nase nie erreichen, und somit gänzlich untergehen würden.

Also, auf die Bitters, fertig, los. Der

 

Seelbach Cocktail (adaptiert nach Gary Regan, New Classic Cocktails, 1997)

3 cl Bourbon oder Rye Whiskey

1,5 cl Orangenlikör

7 dashes Angostura Bitters

7 dashes Peychaud‘s Bitters

15 cl Champagner (trocken und eisgekühlt)

Glas: Cocktailschale

Garnitur: Orangenzeste

Zubereitung: Alle Zutaten in das geeiste Gästeglas geben und mit Champagner auffüllen. Orangenzeste über dem Drink abspritzen und in den Drink geben.

Nachtrag 2.11.2016: Den Recherchen des New York Times Journalisten Robert Simonson ist es zu verdanken, dass die tatsächliche Geschichte des Seelbach Cocktails zu Tage gefördert wurde. Adam Seger gestand ihm gegenüber, dass er die Geschichte erfunden habe und hat auch entsprechend Journalisten auf Nachfrage belogen. Auch wir haben seine falsche Darstellung aufgrund der zusätzlichen Erwähnung des Cocktails in wichtigen Cocktailbüchern unkritisch übernommen. Wir entschuldigen uns bei unseren Lesern für die Ungenauigkeit, die wir hiermit richtig stellen möchten! HA

 

Bildquelle: aboutpixel.de / Sektglaeser © Rightlight

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