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Der Sherry Cobbler. Können wir Sherry reanimieren?

Ein befreundeter Bartender fragte mich kürzlich, wieso niemand etwas über den Sherry Cobbler schreibt. Meine erste Antwort war, weil man ihn so gut wie nirgends mehr bekommt. Sherry ist derzeit in etwa so hip wie Cognac. Vielleicht noch weniger. Aber das ändert nichts daran, dass der Cobbler einst der Drink war, der die Welt beherrschte. Mit allerlei Innovation glänzte und noch dazu hervorragend schmeckt. Schauen wir ihn uns also einmal an.

Der Cocktailhistoriker David Wondrich beschreibt es in einem seiner Artikel für Esquire wunderschön. Es ist nichts weiter als Sherry, ein wenig Zucker, Frucht und jede Menge Eis. Und doch ist es der beliebteste Drink des ausgehenden 19. Jahrhunderts gewesen. In Amerika und Europa, an Land und auf hoher See, beinahe jede Bar wußten ihre Gäste mit einem Cobbler zu überzeugen.

In einer Zeit in der Klimaanlagen und Heizungen noch Zukunftsmusik waren, verschaffte man sich Abkühlung von innen. Gekühlte Getränke waren eine der wenigen Möglichkeiten der Hitze des Tages Einhalt zu gebieten. Harry Johnson stellte 1882 fest: „without doubt the most popular beverage in the country, with ladies as well as with gentlemen”.

Und sprach dabei über den Cobbler.

Neuerungen wecken Interesse

Dabei spielten zwei vorerst unbedeutende Punkte eine Rolle. Der Drink wurde auf Eis serviert und mit einem Strohhalm. Heute verschwendet keiner mehr einen Gedanken an diese Dinge, aber vor 150 Jahren waren diese Produkte sensationelle Neuheiten. Man kannte Eis, aber es war lange nicht überall verfügbar. Und was neu ist, weckt immer Begehrlichkeit. „Ein Strohhalm ist ein unheimlich nützlicher Artikel, vorausgesetzt die eine Seite badet in einem Cobbler“, stellte die Grand Island Times 1873 fest. Und Wondrich fügt hinzu das wohl auch der Cocktail Shaker erst durch den Cobbler die Bedeutung erlangte, die ihn zum Symbol einer ganzen Berufsgruppe macht.

Aber wieso war der Cobbler so beliebt. Nun, die Zutaten waren überall verfügbar. Geschmacklich war der Drink einfach zu variieren und jedem Geschmack leicht anzupassen. Schauen wir in Jerry Thomas Bartenders Guide, finden sich sieben Cobbler Rezepte. Sechs davon unterscheiden sich lediglich in der Verwendung eines anderen Weines. Der Siebte huldigt Amerikas sehr eigene Spirituose zu der Zeit, dem Whiskey.

Der Spritz des 19. Jahrhunderts

Schaut man nach aktuellen Definitionen des Cobblers, schüttelt man erst einmal den Kopf. „Als Cobbler bezeichnet man ein Mischgetränk, das aus Früchten, Mineralwasser, Wein oder Sekt besteht“, erklärt uns Wikipedia und führt den unbescholtenen Nutzer in die Irre. Füge einen beliebigen Likör hinzu und fertig ist der Spritz, möchte man sagen. Aber vielleicht liegt gerade hier die Chance für den Cobbler in unserer Zeit. Auf der Karte einfach neben verschiedenen Spritzvarianten präsentiert und mit Schaumwein aufgelockert, könnte sich die Reihe der Sommerdrinks um ein historisches Rezept erweitern.

Also gebt dem Sherry eine Chance, verwöhnt Eure Gäste mit frischen Früchten und erklärt ihnen die Geschichte des Cobblers.

 

Sherry Cobbler (adaptiert nach Jerry Thomas Bartenders‘ Guide, 1887)

10 cl Sherry (Dry Fino oder Amontillado)

1 BL Zuckersirup

frische Früchte in kleine Würfel geschnitten (Ananas, Beeren, Orange)

Glas: Highball

Garnitur: frische Früchte und Strohhalm

Zubereitung: Sherry, Zucker und Früchte auf Cubes kräftig shaken. In vorgekühltes und mit Crushed Ice gefülltes Gästeglas abseihen. Mit Strohhalm und Früchten garnieren und servieren.

 

Dieses Rezept als Grundrezept betrachtet kann in vielerlei Hinsicht variiert werden. Je nach Geschmack kann man mit Likören statt Zucker variieren oder das Ganze mit Schaumwein oder Soda aufspritzen.

 

 

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Der zweite Teil der Cocktailian-Serie, “Cocktailian Rum & Cachaça” befasst sich mit der Geschichte und Herstellung von Zuckerrohrdestillaten und den daraus entstandenen Mischgetränken. An Cocktailian 1 und 2 haben neben dem Autoren-Trio Jens Hasenbein, Bastian Heuser und Helmut Adam führende internationale Bar- und Cocktailexperten wie Angus Winchester, Gary Regan, Ian Burrell, Jeff “Beachbum” Berry, Jared Brown und Anistatia Miller als Gastautoren mitgewirkt.

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Bildquelle: aboutpixel.de / Olvera © conquerorofbits

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