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Bénédictine & Brandy, der wahrscheinlich meist verkaufte Bottled Cocktail der Welt

Es gibt durchaus Klassiker, die aus nur zwei Zutaten bestehen. Kaum einer hat in seiner Geschichte dabei jedoch so viele unterschiedliche Formen angenommen wie der Bénédictine & Brandy, kurz B&B genannt. Entstanden als geschichteter Pousse Café, wurde die Mischung aus Weinbrand und Kräuterlikör in Flaschenform sogar zum Verkaufsschlager in den USA – und ist heute ein gerührter Zweiteiler auf Eis.

Der B&B gehört sicher nicht zu den Topsellern in einer modernen Bar, und es ist auch nicht unbedingt zu erwarten, dass sich dieser Umstand in naher Zukunft ändern und der Drink ein flächendeckendes Revival erleben wird. Nichtsdestotrotz hat der elegante Zweiteiler eine lange und bewegte Geschichte. Ursprünglich ging man davon aus, dass der Cocktail erst kurz nach der Prohibition in New York entstanden ist. Selbst im Hause Bénédictine gibt man heute noch an, er sei von einem Barmann im Club 21 in Manhattan erfunden worden.

Bénédictine and Brandy (B&B Cocktail)

Zutaten

2 cl Bénédictine
2 cl Brandy bzw. Cognac

Weinbrand und Kräuterlikör auch eine deutsche Erfindung

Vermutlich jedoch reicht der Mix aus Kräuterlikör und Brandy weit ins 19. Jahrhundert zurück, der Ursprung dürfte gar in den 1870er Jahren liegen. Auf seinem Blog Bar Vademecum definiert Armin Zimmermann hierfür eine historisch saubere, spannende Vorlage. Der deutsch-französische Krieg ist dabei von entscheidender Bedeutung, aber ob nun auf dem französischen Schlachtfeld oder in der Hamburger Viktoria-Kaserne in Altona, man darf davon ausgehen, dass die Kombination aus Cognac (bzw. Weinbrand in der deutschen Variante) und Bénédictine (oder eben Kräuterlikör) ursprünglich unverdünnt und bei Zimmertemperatur konsumiert wurde, zu Beginn sogar als geschichteter „Pousse Café“. Ein Gedanke allerdings, der nicht gerade Lust macht auf Verköstigung des Bénédictine & Brandy in seiner wohl ursprünglichsten Form.

Die Umkehrung der Verhältnisse

Neben den historischen Fakten und der Art der Zubereitung ist der spannendste Punkt in der Genese des Drinks wohl der Wandel im Verhältnis der Zutaten. Scheinen die Ursprünge des B&B bei zwei Teilen Bénédictine zu einem Teil Cognac zu liegen, kippt das Verhältnis alsbald zu Gunsten des Cognacs. Der aromatische Kräuterlikör nimmt erstmal die Nebenrolle ein und darf dem Cognac nur aromatisierend beistehen. Ähnlich wie im wahrscheinlich deutlich bekannterem Zweiteiler, dem Rusty Nail, der schottische Likör Drambuie dem Scotch beisteht.

Über die Jahre bleibt es bei diesen umgekehrten Verhältnissen. Immer wieder mal kommt etwas mehr oder weniger Cognac ins Spiel, immer jedoch mindestens zur Hälfte und immer geschichtet und bei Zimmertemperatur. Wie schon gesagt: Eine richtige Einladung für den modernen Gaumen ist der Bénédictine & Brandy nicht.

Die Bedeutung von Eis für den B&B

Erst gegen Ende der 1940er Jahre finden sich erste Rezepte, die Lust auf mehr machen. Entscheidender Faktor? Natürlich das Eis. Der Mix aus Brandy und süßem Kräuterlikör wird sofort reizvoll, stellt man ihn sich leicht verwässert und vor allem bestens gekühlt vor. Die Honigsüße des Bénédictine tritt ein wenig in den Hintergrund, die Kraft des Alkohols wird abgeschwächt und die teils bitteren und frischen Kräuternoten treten in den Vordergrund.

Aber in welchem Verhältnis mischt man sich jetzt am besten einen B&B? Wir wollen uns nicht anmaßen, das perfekte Verhältnis vorzugeben, aber wenn man die Süße mit Schmelzwasser und Eis ein wenig im Zaum hält, dann darf es gerne etwas mehr Bénédictine sein als Cognac. Wenn keiner zuschaut, kann man den Zweiteiler gern mit etwas Orange- oder Grapefruit Bitters aufbohren. Aber egal in welcher Variante, man sollte dem eleganten Klosterlikör einen kräftigen Cognac mit Charakter mit ins Glas geben. Im Test erwies sich der Pierre Ferrand 10 Generations mit seinen 46% Vol. als hervorragender, wenn auch nicht ganz günstiger Sparringspartner im Verhältnis 1:1 und auf Eiswürfeln genossen.

B&B Cocktail als Urvater der Bottled Cocktails

Vielleicht liegt aber auch in der Unbestimmtheit der Rezeptur der gewisse Zauber dieses Drinks. Taugt er doch als Diskussions- und Versuchsdrink für verschiedene Varianten genauso gut, wie er sich im Handumdrehen auf dem Weg zur Couch in der Heimbar als After-Dinner-Drink mixen lässt.

Denn auch wenn der Bénédictine & Brandy nur selten auf Barkarten moderner Bars zu finden ist, wird er doch im großen Stil konsumiert. Und zwar als Bottled Cocktail in den USA, wo er seit den 1930er Jahren als vorgemixt abgefüllter Cocktail in der Flasche jährlich bessere Verkaufszahlen erzielt als der namensgebende Likör selbst. Unglaublich, aber wahr.

Hieraus einen Trend für das pandemische To-Go-Geschäft abzulesen, wäre wohl ein wenig zu optimistisch gedacht, unterstreicht aber die historische Dimension des Drinks und darf durchaus als Anregung gelten. Daher also zum Feierabend einen B&B aus gleichen Teilen Cognac und Bénédictine gemixt, mit ein paar Tropfen Bitters – und viel Eis.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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