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Kolumne Theken & Marken: Waffendesign bei Spirituosen – muss das sein?

Täglich begegnen uns Marken in der Barkultur, monatlich sucht Kommunikationsdesigner Iven Sohmann das Gespräch. Was uns Leuchtreklamen, Produktverpackungen oder gar Getränkekarten zu erzählen haben, hinterfragt diese Kolumne. Passend zur Endzeitstimmung dieses Jahres mit einem Silvester-Spezial: Was knallt am meisten?

»Peng, peng! Du bist tot!« Hand aufs Holster: Wer früher nie Krieg, Polizei und Verbrecher oder zumindest mal Marlboro-Man gegen Tatanka gespielt hat, werfe die erste Super Soaker! Niemand? Wirklich niemand? Okay, okay, ruhig, ganz ruhig! Ich ergebe mich und komme mit erhobenen Hän… denkste! Pew-pew, t-t-t-t-t-t, ratatatatat! Glücklicherweise nimmt die Faszination für Waffen hierzulande mit zunehmendem Alter rapide ab. Also zumindest abseits von Kino, Kirmes und Computer. Und Schützenvereinen. Und Paintballanlagen. Und Silvester. Momentchen mal!? Zeigt da etwa jemand gerne mit dem Finger auf andere ohne ihn selbst vom Abzug zu nehmen?

Kriegen wir nie genug?

Ganz so außeralltäglich, wie viele es gerne hätten, sind die potenziellen Tötungswerkzeuge und ihre Nachahmungen 75 Jahre nach Ende unseres letzten Angriffskrieges jedenfalls nicht. Hat die im Potsdamer Abkommen beschlossene Entmilitarisierung der deutschen Gesellschaft denn gar nichts gebracht? Gegenfrage: Wie war das mit der Entnazifizierung gleich nochmal? Well, that’s a discussion for another day, wie zwei von vier Siegermächten zu sagen pflegen. Von einer Entmilitarisierung im weiteren Sinne kann ohnehin keine Rede sein. Das Militär zieht sich im wahrsten Sinne des Wortes durch dieses Land – von der Autobahn über Redensarten wie »08/15« bis hin zur Gulaschkanone.

Viel mehr noch, das Militär zieht sich durch diese Welt. Trenchcoats, Konservendosen und das Internet, um nur ein paar von etlichen Beispielen zu nennen, sind direkte Erfindungen aus den Truppen-Thinktanks. Von den zahlreichen subtileren Einflüssen auf Technik, Architektur, Sport, Mode, Kunst und Design ganz zu schweigen. Seit jeher prägt das Militär auch das bürgerliche Leben – mal unterschwellig wie Gummisohlen, mal offensichtlich wie Flecktarn-Feldjacken in der Betonwüste. Der Alltag von der Front. Die Nebenprodukte der Rüstungsindustrie. Der Zivilisationsbruch als Fortschrittsmotor. Traurig aber wahr: Krieg ist Kultur, so kulturfeindlich er auch sein mag.

Mag sein, dass die Anzahl der Bewerbungen bei der Bundeswehr seit Jahren rückläufig ist, problematische Sprachbilder wie das der kriegsverbrecherischen »Nacht- und Nebelaktion« zunehmend hinterfragt werden und Tech-Unternehmen ihre Schusswaffen-Emoticons durch bunte Wasserspritzpistolen ersetzen. Alles schön und gut. Dennoch existieren immer noch und immer wieder genügend fragwürdige Produkte, die sich offensiv über ihre martialischen Erzählungen und Verpackungen verkaufen. Und wenn nicht in den Spielzeug- und Süßigkeitenregalen, wo lassen sich diese wohl am ehesten finden? Volltreffer! In der Spirituosenbranche. Denn wo gehören Pistolen, Granaten und Gewehre wohl am allerwenigsten hin? Korrekt! In die Hände von Kindern und Betrunkenen. Und was nun? 1000 Liegestütze! Und dann robben wir zusammen eine Runde durch den Schlamassel …

Wirf den Korn in die Flinte!

Tatsächlich führt nämlich bereits eine einfache Online-Recherche mit den Suchbegriffen »alcohol+weapon+bottle« zur Aushebung eines hochprozentigen Waffendepots. WTF trifft WoW. Ein Einblick in die Ballerballer-Bubble: Es gibt »Bang Bang«-Bourbon in Colts, »Cosa Nostra«-Scotch in Thompson-Maschinenpistolen und doppelläufige Whisky-Schrotflinten mit Tragegurt und einer Ladung von nicht weniger als drei Litern. Tequila kommt vorzugsweise in Patronen und Revolvern während Prunkpistolen und -gewehre meist Rum- oder Brandy-Munition abfeuern. Und Vodka? Tja, Vodka trägt Namen wie »Gangstar«, »A-Team« oder »Red Army« und kommt eigentlich in allen genannten Gebinden und darüber hinaus noch in Fliegerbomben, Panzern und selbstverständlich in Kalaschnikows, die zusammen mit passenden Handgranaten in hölzernen Waffenkisten geliefert werden. Na? Juckt’s in den Fingern?

Der Knaller: eine Keramik-Kalaschnikow mit armenischem Brandy von Proshyan
Zum Schießen: der gläserne Tequila-Revolver von Hijos de Villa

Wer da nicht getriggert ist, ein paar Shots zu verteilen, hat das Schlachtfeld nie geliebt! Beruhigend, wenn dem so sein sollte. Nun läge die Versuchung nahe, darauf zu verweisen, dass diese Artikel in der Regel nicht »Made in Germany« sind. Dennoch finden die ach so befremdlichen Fundstücke ja auf dem hiesigen Markt statt, und zwar nicht nur in Online-Shops, sondern mitunter in bundesweiten Einzelhandelsketten. Zumal ihre Herkunft auch damit zusammenhängen dürfte, dass sich der deutsche Einfallsreichtum in Sachen Glas- und Keramikverpackungen, insbesondere im Vergleich zu Osteuropa, wortwörtlich in Grenzen hält. Viel wichtiger aber ist, bei allem berechtigten Kopfschütteln über das alkoholische Wettrüsten, nicht zu vergessen, dass Produkte aus Ländern wie der Ukraine, Mexiko oder Armenien natürlich auch Ausdruck gänzlich anderer Lebensrealitäten sind. Lebensrealitäten übrigens, die nicht zuletzt von deutschen Rüstungsexporten geprägt werden.

Böller, ciao, ciao, ciao!

Zugegeben, anderes Thema, anderes Kaliber. Aber vielleicht ließe sich darüber ja mal nachdenken, bevor wir mit unserer zivilisatorischen Überlegenheit in den kommenden Tagen traditionell unsere Nachbarschaften in Schmutz und Asche legen. Auch wenn beide einen an der Waffe haben: Menschen, die Gewehr bei Fusel stehen, um sich selbst abzuschießen, sind mir immer noch lieber als solche, die unbedarft mit Böllern und Raketen hantieren. Zumal die Behandlung von Knalltraumata, Brandwunden und abgesprengten Körperteilen in den Krankenhäusern dieses Jahr unerwünschter denn je sein dürfte. Die von Alkoholvergiftungen übrigens auch. Also, so oder so: Passt auf euch auf, kommt gut rein, Peace!

Credits

Foto: Mr. Fred

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