Kolumne Theken & Marken: Wie soll die Bar heißen?
„We should buy a bar!“ – fünf Worte, die angeblich jeder Mann (*grunz*) an irgendeinem Punkt in seinem Leben einmal inbrünstig ausruft. Zumindest laut der 2014 beendeten Sitcom „How I Met Your Mother“. Auch wenn die Serie mitunter schlecht gealtert ist, die Frage nach dem passenden Namen für jenes Vorhaben bleibt bei der Gastro-Gründung natürlich aktuell. Und noch bevor sich die Episode in fatalem Flairtending ergießt, ereilt den für die Lacher zuständigen Hauptcharakter die spontane Eingebung die Bar „Puzzles“ (engl.: Rätsel) zu nennen. Warum? Na, genau das ist doch das Rätsel!
Bedenken wir das immer wiederkehrende Ratespiel à la „ach, verdammt, wie hieß denn jetzt diese Bar noch mal?“ dann handelt es sich – „warte, warte, ich komm’ gleich drauf“ – hierbei wahrlich nicht – „irgendwas mit A am Anfang“ – um die schlechteste Idee. Der Name „Puzzles“ (nicht zu verwechseln mit dem der kürzlich in Hamburg eröffneten „Puzzle Bar“) ist einprägsam, klangvoll und auf sonderbare Art und Weise selbsterklärend. Er könnte leckerer, einzigartiger und vielleicht sogar aufmerksamkeitsstärker sein, aber all diese Kriterien vollends zu erfüllen, ist illusorisch. Zumal sich der Anforderungskatalog in einer notgedrungen digitaleren Barwelt um die Suchmaschinentauglichkeit und die Verfügbarkeit von Domain- bzw. Social Media-Accountnamen erweitert hat. Von der Markenschutzfähigkeit ganz zu schweigen. All das schreit nach einem Kompromiss, entsteht aber besser ohne ihn. Doch wie genau?
Frei denken, alles aufschreiben, später bewerten!
Zuallererst sei festgehalten, dass ein Naming echt lange dauern kann. Nicht nur Stunden oder Tage, sondern zum Teil Wochen oder Monate. Nomen est omen und Oma ist kein D-Zug, oder anders: es fällt viel Regen vor dem Geistesblitz. Und selbst wenn nicht, lohnt es sich weiter zu tüfteln. In kreativen Prozessen sind die greifbarsten Ideen selten die besten. Darüber hinaus will eine Gründung in allen Details wohlüberlegt sein, sofern sie denn Bestand haben soll. Das Wichtigste bei der Namensentwicklung: Frei denken, alles aufschreiben, später bewerten! Ich bitte um mantraartige Wiederholung. Und noch mal. Und noch mal. Zur Unterstützung im Folgenden ein paar bewährte Ansätze und Beispiele aus der Branche.
Personen: Müßig zu erwähnen, dass Vor-, Spitz- und insbesondere Nachnamen als Schriftzüge über Bartüren etabliert sind. Oft beziehen sie sich damit auf den vergleichsweise präsenten Kopf hinter der Bar (Schumann’s) und kriegen gerne noch einen Artikel (The Forsberg) oder einen beschreibenden Zusatz (Kleine Weinstube Jockel) beiseite gestellt. Selbst für den Duden sind dabei übrigens Schreibweisen mit (Heider’s) und ohne Apostroph (Seiberts) vor dem Genitiv-s zulässig. Akzente sowie Anführungs-, Kodierungs- und Minutenzeichen gilt es allerdings zu vermeiden. Einfache Faustregel: der korrekte Apostroph sieht aus wie ein hochgestelltes Komma und verursacht keine klaffende Leerstelle zwischen Wort und „s“.
Figuren: Wer weniger Geltungsbedürfnis in die Wiege oder einfach weniger Glorie in die Geburtsurkunde gelegt bekam, kann sich der Namen realer (Kubaschewski) oder fiktiver Figuren (Der große Gatsby) bedienen, sollte die Rechtslage aber vorher überprüfen (Yoko Mono). Ein Schnellcheck der Gesetzeslage empfiehlt sich ebenfalls. Bei aller nachvollziehbaren True Crime-Faszination – muss denn jedem Zuhälter (Stagger Lee), Frauenmörder (George R) und Triebtäter (Jack the Ripper’s) mit einer Bar gehuldigt werden? Bemühen wir stattdessen lieber gestandene Staatsmänner (The Churchill Bar, RSVLT, Old Fritz Frankfurt) – was soll da schon schiefgehen? Nein, ernsthaft, vielleicht doch besser Referenzen aus der Musik (Thelonious Bar), der Literatur (Becketts Kopf) oder dem Show-Business (Marlene Bar & Bühne)? Und was spricht eigentlich dagegen, einfach jemanden zu erfinden (The Old Jacob)?
Tiere: Noch unverfänglicher (wenn nicht vor Ort gefangen gehalten) sind Tiere und andere nicht-menschliche Wesen als namengebende Figuren. Dazu gehören u. a tradierte „Wappentiere“ wie der Löwe (Le Lion), der Bär (The Bär) oder der Phönix (Phoenix Bar) – wobei letzterer sich inzwischen vor allem in Shisha-Lounges niederlässt. Egal, ob Wild- (Gorilla Bar), Nutz- (One Trick Pony) oder Haustier (Schwarzer Dackel), ob in der Luft (Klunkerkranich) am Boden (Le Croco Bleu) oder unter Wasser (die Krake), wer sich Tiernamen gibt und mit dem dazugehörigen Maskottchen aufwartet, sichert sich schnell Sympathien – siehe Ginregal! Erstaunlicherweise ähneln sich die handzahmen (Lamm Bar) und die vermeintlich furchteinflößenden Barkreaturen (Krass Böser Wolf) hierbei in ihrer Wirkung. Tatsächlich bedrohlich vermag in diesem Kontext nur das Tier in einem selbst zu sein (Tier).
Orte: Eine vergleichbar mystische Anziehungskraft können auch Stätten aus der religiösen (Sodom & Gomorra) oder weltlichen Fiktion (The Rabbithole) ausüben. Andere Gebäude (Die Parfümerie), ganze Regionen (East Coast Bar) und ferne Himmelskörper (Lebensstern) taugen ebenfalls als Inspiration und wer nicht lange suchen mag, findet seinen Namen leicht vor der Haustür (Bar am Wasser). Ein nüchterner, aber nützlicher Wegweiser, nur Straßenname und Hausnummer sind noch hilfreicher (Frauen26). Sollte in Mönchengladbach gegenüber des Landgerichts übrigens wirklich mal eine Bar namens „Freispruch“ existiert haben, ziehe ich anerkennend mein Cap, bei allen Geografie-Wortspielen aber ganz klar die Grenze (Cubar, Cordobar, Sansibar). So oder noch schlimmer bitte nicht (Unfassbar, Sonderbar, Furchtbar)!
Naming: Je mehr Müll, desto nachhaltiger
Über diese vier gängigsten Ansätze hinaus gibt es natürlich weitere assoziative Ausgangspunkte, um sich erfolgreich einen Namen zu machen und von Anfang an zu beeinflussen, welcher Ruf der Bar vorauseilt. So unterstreicht Fachjargon beispielsweise die handwerkliche Expertise (Jigger, Beaker & Glass), warme Worte vermitteln Verlässlichkeit (Immertreu, wenn auch mit diesem Begriff eigentlich ein Altberliner Ringverein gemeint ist) oder Geborgenheit (Kumpelnest 3000) und Statussymbole annoncieren ein gehobenes Qualitäts- und Preisniveau (Reingold, Velvet, Prunkstück). Ob die Wortfetzen, die aus all diesen Überlegungen nun entstehen können, tatsächlich in die eigene Namensentwicklung einfließen, ist wie gesagt eine Frage der Bewertung. Und wie war das doch gleich? Richtig, … später bewerten!
Das Cluster-Verfahren von Gabriele L. Rico bietet übrigens einen guten Start für alle, die diesen Kreativprozess nicht regelmäßig durchlaufen. Grundsätzlich lassen sich die meisten Methoden aber wie folgt zusammenfassen: Denke und schreib alles auf, abstrahiere es, beleuchte es aus anderen Perspektiven, verschaffe dir einen Überblick und kombiniere neu! Das Festhalten aller Assoziationen ermöglicht hier jene Querverbindungen, die später gerne als „einfach, aber genial“ betitelt werden. Dass dabei auch viel Unsinn entsteht, ist richtig und wichtig – wer alle Umwege kennt, kann besser um die Ecke denken. Nicht selten entstehen so aus Namensentwicklungen obendrein tragfähige Konzepte …
Es lohnt sich also, sich nicht mit dem Erstbesten zufriedenzugeben. Allein schon, um zu verhindern, dass ein passenderer Einfall nachkommt, wenn die LED-Buchstaben an der Hauswand bereits verkabelt sind. Die Serie „How I Met Your Mother“ liefert dafür abermals ein gutes Beispiel. Angesichts der vielen, wechselhaften Beziehungskonstellationen auch innerhalb des dargestellten Freundeskreis, wäre „Puzzles“ ebenso ein guter und vermutlich sogar ein besserer Name für das gesamte Format gewesen. Der tatsächliche Serientitel ist schließlich so lang, dass er in der Rezeption meist zu „HIMYM“ verkürzt wird. Auch das will was heißen, und zwar nichts Gutes.
Credits
Foto: Illustration: Mr. Fred; Foto: James Sutton via Unsplash