Korn: Eine Spirituose im Kommen oder im Koma?
Vodka pays the bills, aber warum eigentlich nicht Korn? Ist er nicht der bessere Vodka, und was ist nochmal der Unterschied? Kaum eine Spirituose hat ein so schlechtes Image wie Korn, und wie die Beispiele in dieser Geschichte zeigen: zu Unrecht. MIXOLOGY ONLINE mit einer Bestandsaufnahme zwischen Hamburg und Bodensee.
Wer zwischen seinen gepflegten Barversuchen hie und da in einer ordentlichen Wirtschaft oder gar einer Absteige Rast von allzu renommierten Drinks und ihren Urhebern macht, kennt es: das Herrengedeck. Maßgeblicher Bestandteil eines solchen ist herkömmlicherweise ein Bier und ein Schnaps. Besteht letzterer in südlicheren Gefilden eher aus einem Obstler, wird es gen Norden getreidehaltiger – und schon sind wir angekommen beim Korn.
Bis vor einigen Jahren war er außerhalb jenes kulturhistorischen Gedecks keineswegs denkbar; doch das hat sich geändert, und er ist längst mehr nur ein Fusel, den man zum Bier trinkt, weil die Lage schlecht und ein bloßes Bier zu wenig ist. Korn kann man nun trinken, ohne sich zwingend als Schnapsdrossel zu diffamieren, mit ein paar Kenntnissen obendrein sieht man sogar richtig gut damit aus – und das ganz ginlos.
Kinder des Korns oder Brotzeit vom Bodensee
Im Grunde hat Gin vorgemacht, wie es geht: Man nehme eine entweder lokal oder aber kreativ ausgewählte Herkunft der Inhalte, eine stilsichere Flasche und eine gute Geschichte. Läuft es sehr gut, schmeckt er auch noch und ist Filler-freundlich.
Wir beginnen mit einer zunächst ungewöhnlichen Korn-Region, nämlich dem Bodensee. Hier gibt es Wein und Obstbrand, dafür ist der Süden bekannt. „Opa hat gebrannt, die Eltern haben gebrannt, und jetzt brennen wir“, so Sebastian Schmidt, einer der beiden Brüder, die den Vollkorn brennen. Die Familie brannte allerlei Obst – Mirabellen, Aprikosen, Zwetschgen und Äpfel. Als die beiden Brüder einst vom Feld nach Hause kamen, hatte die Mutter gerade frisches Brot gebacken. „Da dachten wir, warum packen wir nicht mal so etwas in eine Flasche, in einen Korn?“, erzählt Maximilian Schmidt.
Im Schwarzwald fanden sie eine Quelle mit dem Härtegrad null und befanden, dass diese ihrem Produkt hervorragend stehen würde. Nach langem Tüfteln und Destillieren verwenden die beiden mittlerweile eine Kombination aus ganz verschiedenen Getreidesorten, dabei jedoch die Sensorik, die sie als Winzer gelernt haben.
In der Tat schmeckt ihr 40-prozentiger Getreideschnaps – und somit ein Doppel- oder auch Edelkorn – nach Brot, und zwar nach dem kross gebackenen Rand eines frischen Kartoffel-Roggenbrotes. Wenig süß, dafür nach einer Bäckerei gegen halb sechs Uhr in der Früh – also gesund, und irgendwie gut vorstellbar mit Butter. Oder Butterscotch, wenn wir schon nicht wirklich vespern.
Auf einen Meyborg nach Hamburg
Gehen wir weiter in die etwas Korn-vertrauteren Klimazonen Deutschlands, nämlich nach Hamburg. Wo das Alsterwasser in Strömen fließt und in diesem Jahr mit der Hanse Spirit zum siebenten Mal eine der größten Spirituosenmessen deutschlandweit stattfand, liegt möglicherweise ein guter Ort, um Korn herzustellen. Aber, warum um alles in der Welt, ausgerechnet einen Korn? Und überhaupt – ist Korn nicht schlichtweg die deutsche Antwort auf Vodka?
Wir fragen Simon „Meyborg“, den Hamburger Hersteller des Meyborg-Korns. „Nun, Korn ist ein Vodka, aber nicht unbedingt andersherum. Er darf nur in Ländern mit deutscher Amtssprache produziert werden und ist begrenzt auf fünf Körner, die als Basis dienen dürfen. “ Simons Korn wurde 60-fach gebrannt und benötigt daher keine Filtration. Wo die meisten Vodkas ihre Milde gerade über die Filtration erreichen, wird der Meyborg mit 96,8 Prozent gebrannt und dann lediglich mit Wasser heruntergesetzt.
„Das schlechte Image des Korns liegt sicherlich einerseits an dem Verkauf des klassischen Klaren, der für fünf Euro verscherbelt wird. Dabei ist das meistens total billig produzierter Industriealkohol und hat mit Brennkultur nichts zu tun “, so Simon. Und diese blickt beim Meyborg auf satte 225 Jahre zurück.
Gleichwohl der Korn mit dem Slogan „Kühl. Kantig. Klar.“ und damit passend zur Flasche daher kommt, schmeckt er doch erstaunlich cremig, ja beinah milchschokoladig und nach Karamell. Sprich, ein ehrlicher Doppel- oder auch Premiumkorn mit einer erstaunlich gesund anmutenden Süße. Und wenn Korn sich gesund anfühlt, ist einiges richtig gemacht worden.
Seinen Korn sieht er als Cocktailgrundlage. „Das klappt für alle Drinks auf Vodkabasis. Zum Beispiel für einen Mule, mit Tonic Water oder – das ist in Hamburg gerade sehr schick – als Skinny Bitch mit Filler und Limette.“
Der Korn, die Korn – Das Korn aus Brandenburg
Mit ihm frühstücken wir eine weitere wichtige Kornregion ab, nämlich Brandenburg. Stellvertretend hält die Preussische Spirituosen Manufaktur her. Zumindest als Kooperationspartner von Theo Ligthart, dem Erfinder dreierlei Kornbrände. Am Getreidebrand an sich schätzt Theo seine Ehrlichkeit. Im Gegensatz zum Vodka dürfen beim Korn nur bestimmte Getreidesorten verwendet werden, vor allem aber dürfe der Korn nicht aromatisiert werden, da die sensorischen Eigenschaften der Ausgangsstoffe erhalten bleiben sollen, erklärt er.
„Vodka ist eine Spirituosenkategorie, die viele Eingriffe und Veränderungen zulässt“ so Theo. „Kornbrand wird da deutlich strenger geregelt. Das heißt also, um einen Korn zu brennen, muss man beste Ausgangsstoffe verwenden, den Mittellauf sauber abtrennen und insgesamt sehr präzise arbeiten – denn nachträgliche Veränderungen sind beim Korn, im Gegensatz zum Vodka, nicht erlaubt.“
Zu seinen drei verschiedenen Kornbränden zählen zwei Ausführungen von Das Korn, der deutliche Weizen-, aber auch eine würzige Süße von Vanille oder frisch gebackenem Kuchen mitbringt. Selbiges Ausgangsprodukt gibt es auch in fünfjährig fassgelagerter Variante: Chardonnay und Weißburgunder. „Dieser Kornbrand hat schon eher die sensorische Charakteristik und Komplexität eines Whiskys.“
Als dritten im Bunde gibt es noch den Steinreich, dessen Weizen ausschließlich aus den Gemeinden Steinreich im Spreewald kommt – dort wird der Korn auch gebrannt. Im Geschmack ist der Steinreich äußerst mild. Er erinnert an Blütenhonig und frisch gemähte Gräser, nach einer Kreuzung aus einem Corny-Riegel und Kinder Country. Gut, also.
Und schon wieder: Skinny Bitch
In der Bar sieht Theo den Steinreich als den „perfekten Ersatz für seelenlosen, industriell hergestellten Vodka.“ Für Theo lassen sich alle Drinks mit Vodka durch Korn aufpolieren. Für Berliner: Das Buck & Breck hat Theos Worten Folge geleistet und Vodka komplett durch seinen Steinreich ersetzt. Theo selbst empfiehlt ebenfalls einen Skinny Bitch: „Der schmeckt mit einem Steinreich einfach viel komplexer als mit Vodka und ist im Sommer die perfekte Alternative zum Gin & Tonic.“
Wir fassen zusammen: handgemacht kommt er an, Industriekorn ist schon lange tot. Bevor wir also anfangen, rauchigen Whisky oder London Dry Gin herstellen zu wollen, könnten wir uns einmal wieder überlegen, worin wir gut sind: das ist Obstler, das ist Korn, und vor allem ist das mit Bedacht hergestellt. Manchmal ist nationale Identität nämlich ganz einfach.
Joerg Meyer
Ich finde den Podcast zum Meybirg sehr gut gemacht – allerdings gibt es bei Meyborg selbst keine Tradition (ist halt noch ein junge Marke/Firma) – sondern der Korn wurde bei Rosche (in zusammenarbeit) kreiert und wird bei ROSCHE (lange Tradition) hergestellt. Er kommt nicht aus Hamburg, ist genau genommen kein Hamburger Korn, sondern aus Haselünne.
Auf jeden Fall reinhören : https://itunes.apple.com/de/podcast/meyborg-der-podcast-eine-geschichte-%C3%BCber-die-entstehung/id1163842673?mt=2