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Krypt Bar Wien

Unterwelt mit Vorgeschichte: Das krypt in Wien

Das lange erwartete krypt in Wien hat geöffnet. Wo früher Jazz-Pioniere verkehrten, gibt es jetzt rauchige Drinks. Das elegante Kellergewölbe unweit des Freud-Museums reiht sich damit nahtlos ein in den Reigen famoser Bar-Eröffnungen der österreichischen Hauptstadt.

Beim Renovieren für das Immobilien-Projekt „Berggasse“ stieß man auf einen vermauerten Abgang, der letztendlich zu einem Keller acht Meter tief unter dem Alsergrund, zwischen Votivkirche und Freud-Wohnung, führte. Es hätte auch ein Weinkeller oder Skatepark werden können, doch „eigentlich war von Anfang an klar, da gehört eine Bar rein“, so Teresa Kerbler. Denn unübersehbar waren die Zeichen einer legendären Vornutzung in den 1960er Jahren: „Rauchen verboten“ oder „Just Jazz!“ stand noch auf den Ziegelwänden zu lesen, als die ersten Begehungen der unerwarteten Raum-Erweiterung in der Wasagasse stattfanden.

krypt in Wien: Archäologie im Jazz-Keller

Damals, als Wiens Musikszene mit Protagonisten wie Fatty George und dem jungen Joe Zawinul erwachte, befand sich hier das semi-legale Musiklokal „Old Time“, ergaben spätere Recherchen. Der leicht verruchte „genius loci“ brauchte hier also nicht erfunden, sondern nur freigelegt werden.

Was leichter (und vor allem kostengünstiger) klingt, als die Umbauten zum “krypt.”, wie sich Wiens neues Bar-Gewölbe (mit Punkt) eigentlich schreibt, dann zwei Jahre lange waren. Denn eines dürfte Gesellschafterin Kerbler, Tochter eines Immobilien-Investors, verinnerlicht haben: Der wahre Luxus ist Raum. Und so hat man in den 250m² großen Lokalbereich gerade einmal 52 Sitzplätze integriert. Großzügig verteilt, gibt es so intime Nischen, ohne dass diese explizit abgeteilt werden müssten.

Letztlich wurde nach vielen Diskussionen über den Bar-Namen in den langen Umbau-Monaten dann doch die Location selbst zum Paten; und das Krypta-hafte der hohen Räume prägt sofort, vom Sidestep zur Garderobe hinter der schmucklosen Eingangstür an, den Besuch. „Ingressionserfahrung“ nennt eine solche Ästhetik der Philosoph Gernot Böhme, un das darf man hier wörtlich nehmen: 28 Stufen einer „schwebenden Treppe“ eröffnen eine Dramaturgie mit einem Hauch von „Sunset Boulevard“, ehe man zur knapp sieben Meter langen Bar gelangt. Diese spielt alle Stückerln, wie man in Wien sagt, denn Barchef Daniel Schober war bereits in die konzeptiven Arbeiten des krypt involviert.

krypt: Mezcal-Drinks unter goldenen Rohren

Das Schmuckstück, das Schober (ehemals in der Amano und in Barcelona am Tresen) bespielt, wird von den Materialien Marmor, Nussholz und Gold dominiert. Die „goldene“ Lüftung sorgte im tratsch-verliebten Wien natürlich für Kommentare, gehört aber zum Gesamtkonzept, das Designer Andy Pust vom Fischgrät-Boden aus Marmor bis zur Decke konzipierte. Und zwar so, „dass sie in 50 Jahren noch genauso da stehen kann“.

Einen besonderen Gag, der auch der Wiener Bar-Community am Sonntag dienen soll, stellt das Shuffleboard dar. „Die wenigsten kennen es, die meisten werden es lieben“, so Schober. Das gilt (noch) auch für die Bar. Mitunter scheint Hollywood da besser informiert als die Wiener selbst. Denn Jude Law war schon hier.

Anders als beim Interieur setzt man bei der Software nicht auf Exklusivität, Dresscode und Gästeliste gibt es nicht im krypt, auch die bei zehn Euro beginnenden Drinks überraschen in Wien nicht nur preislich. Die aktuell zwölf Cocktails seien dabei als „Teaser“ auf die im Herbst vorliegende endgültige Karte zu verstehen, meint Daniel Schober. Die Liebe zu Rye, Gin und Mezcal blitzt aber bereits jetzt durch. Entsprechend eröffnet auch ein Blood and Gold das Cocktail-Menü, das in eleganter Stilisierung die zu erwartenden Gläser nebst den Zutaten auflistet – in goldenem Druck auf schwarzem Grund. Noblesse oblige!

Kantig muss es sein im krypt, Gemüse darf rein!

Ein Freund des Hauses half auch mit, die Liste mexikanischer Destillate zu erweitern, denn Manuel „Manu“ Weisskopf von Dr. Sours-Bitters kennt Chris Schilcher (Geschäftsführer und Mit-Gesellschafter) schon lange. In einem unübersehbar Schobers Faible für Comic-Helden gewidmeten Barschrank stehen dann die Raritäten, die auch Cognac-Abfüllungen umfassen, die nicht in den getrüffelten Harvard Manhattan kommen – mit 13 Euro der teuerste Drink im schwarz-goldenen Haus.

Die größte Mezcal-Auswahl von Wien aufzustellen, war mit Connections wie dieser nicht so schwer, meint Dani Schober augenzwinkernd, „sie gehört aber auch gut eingesetzt.“ Denn eines ist in der krypt Programm: „Es müssen kantige Drinks sein.“ Was man sich darunter vorstellen darf, zeigt der Tequila-Cocktail El Bandito, der mit Vanille, Limetten und zentrifugiertem Roten Paprika ins Glas kommt. Der Drink mit dem Süße-Säure-Spiel, gekrönt von zartem Rauch, steht aber auch für eine andere Spezialität des Keller-Reichs: Gemüse-Zutaten nehmen den Veggie-Trend auf. Das kann dann Rote Bete sein wie beim Tiger Special mit Bacardí und Chianti-Reduktion, aber auch andere Saison-Gemüse. Im Bunny Daiquiri, der mehr Bugs Bunny als Hugh Hefner zitiert, spielt dann etwa Karottensaft eine Rolle.

Ob Vegetarier oder „Mezcalero“ – die Wartezeit auf die Umbauten und letzte Genehmigungen des krypt hat sich jedenfalls gelohnt für die Barflys in Wien. Man könnte aber auch sagen, dass die wie eine Perlenkette aufgereihten Bars im 9. Bezirk – vom OMU über den Botanical Garden bis zur The Sign Lounge – um ein goldglänzendes Mittelstück erweitert wurden.

Credits

Foto: Fotos via krypt./Studio Mato

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