Die perfekte Summe der gleichen Teile: Der Last Word Cocktail
Alte Cocktails und Rezepturen bis zu ihrem exakten Ursprung zurück zu verfolgen, entpuppt sich häufig als munteres Ratespiel. Meistens gibt es gegenteilige Tatsachen; oder Beweise, die zu verschiedenen Zeitpunkten der Historie auftauchen und eine genaue Festlegung schwierig machen.
Cocktails wurden eben schon immer wie Depeschen in die Welt hinausgetragen. Das macht die Suche nach der Wahrheit aber auch zu einer aufregenden Schatzsuche.
From Detroit with Love
Die Geschichte des Last Word Cocktail aus Gin, Limette, dem um 1900 unheimlich populären Maraschino und Chartreuse Verte ist ähnlich. Die landläufige Folklore wies lange Zeit den Vaudeville-Entertainer Frank Fogarty (1887 – 1978) als dessen Erfinder aus. Dieser soll den Drink in den 1920er-Jahren im Detroit Athletes Club (DAC) erfunden haben.
Dass der Drink in jenem Detroiter Mitglieder-Club erfunden wurde, gilt als verbürgt. Gegen die Behauptung, Fogarty sei sein Erfinder, spricht mittlerweile jedoch einiges. So fand der Buchautor und langjährige Herausgeber der DAC-News, Ken Voyles, vor wenigen Jahren heraus, dass der Cocktail bereits im Sommermenü 1916 auf der Karte des DAC gestanden hatte – ein Jahr nach Gründung des Clubs und somit schon Monate, bevor Frank Fogarty laut Aufzeichnungen selbigen das erste Mal besucht hatte.
Das kurze Leben des Last Word
1918 trat in Michigan die Prohibition in Kraft, und auch wenn man davon ausgehen kann, dass der Last Word insgeheim in einem Mitglieder-Club serviert worden sein wird, hat ihm das 1920 eingetretene, landesweite Alkoholverbot einen allgemeinen Siegeszug verwehrt – schließlich war er im Gegensatz zu anderen Drinks noch nicht etabliert genug. Der Last Word verschwindet, nur Jahre nach seiner Erfindung, in der Versenkung.
¬Warum auch immer erwähnt Ted Saucier den Drink jedoch in seinem 1951 erschienenen Bottoms Up. Er nennt dabei auch den DAC als Entstehungsort, glaubt jedoch, der Drink sei in den 1920er-Jahren während der Prohibition entstanden. Weiter schreibt er, dass es Frank Fogarty war, der den Drink damals in New York populär machte („introducing the Last Word around here“ im originalen Wortlaut). Er nennt Fogarty also gar nicht explizit als Erfinder des Drinks, sondern als dessen Verbreiter im Raum New York, wo Saucier lange Zeit als Publizist für das Waldorf-Astoria arbeitete.
Wie Fogarty an das Rezept kam und wieso der Last Word auch nach 1951 wieder in der Versenkung verschwand, sind Geschichten, die jeder Bartender selbst erfinden darf, wenn er seinem Gast die Geschichte des Drinks erzählt. Es ist vielleicht Stoff für eine eigene Schatzsuche.
Last Word Cocktail
Zutaten
2 cl Gin
2 cl frischer Limettensaft
2 cl Chartreuse Verte
2 cl Maraschino
Die Renaissance des Last Word
Jedenfalls dauert es dann noch einmal gute 50 Jahre, bis der Last Word zuerst die USA und dann Europa erobert. Es ist der Bartender Murray Stenson, der im Zig Zag Cafe in Seattle Ted Sauciers Buch studiert, am ungewöhnlichen Chartreuse-Cocktail-Rezept hängen bleibt und es auf die Karte setzt.
Was folgt, ist eine der ungewöhnlichsten Wiederentdeckungen, die jedoch auch symbolisch für die Bar-Renaissance der Nullerjahre steht: Das Blatt war noch relativ weiß und konnte mit vielen wieder gefundenen Klassikern beschrieben werden. Nur weniger Cocktails haben sich dabei aber zu so einem Bartender-Liebling entwickelt wie der Last Word. Ein Grund mag sein, dass mit Chartreuse Verte auch eine ebenfalls in dieser Zeit wachgeküsste Bartender-Spirituose mit ihrem glorreichen, grünen Schleier auf dem Parkett erscheint.
Last Word: Vier zu gleichen Teilen
Und das mit 2cl auch nicht zu knapp. Erwähnenswert ist nämlich, dass sich – bis auf kleine persönliche Nuancen und Vorlieben – alle Quellen auf dieselbe Rezeptur des Last Word stützen. Diese sieht vor, dass alle vier Zutaten – Gin, Chartreuse Verte, Maraschino, Limettensaft – zu gleichen Teilen in den Drink kommen.
Auf den ersten Blick scheint diese Rezeptur ungewöhnlich – noch dazu sind zwei dieser vier Zutaten Liköre. Auf den ersten Schluck macht der Last Word aber sofort Sinn. Maraschino und Chartreuse Verte ergänzen sich hervorragend und überdecken die jeweiligen Schwächen des Partners, während Gin und Limette ein stabiles Gerüst bauen, an dem sich der Gaumen orientieren kann.
Der Last Word und seine Kinder
Der ungeübte Trinker mag bei diesem klassischen, starken und darüberhinaus mit medizinischen Noten versehenen Drink irritiert sein, aber es spricht für die Komplexität des Last Word, dass ihn das nicht aufgehalten hat, rund hundert Jahre nach seiner Erfindung so selbstverständlich in einer Bar geordert zu werden wie ein Martini.
Mittlerweile gibt es zahlreiche Variationen, wie etwa den „Gipsy“, bei dem Maraschino durch St. Germain ersetzt wird, oder den „Final Ward“, bei dem Rye Whiskey die Basisspirituose bildet – benannt nach seinem Erfinder Phil Ward. Das letzte Wort ist beim Last Word jedenfalls noch lange nicht gesprochen. Und es scheint unwahrscheinlich, dass der Cocktail wieder in der Versenkung verschwindet.
Credits
Foto: @Caroline Adam
Andreas Bender
Danke für den Artikel! Ein absolut faszinierender Drink – die Art und Weise auf die sich die Grüne Chartreuse und der (für sich selber ja fast ungeniessbare) Maraschino balancieren erstaunt mich jedes mal wieder, und beide sind auch im wesentlichen wegen dem Last Word in meiner Hausbar gelandet. Die St Germain und Rye-Varianten werde ich demnächst mal antesten, danke für den Hinweis! Eine Variante mit Absint gibt es übrigens auch die gut funktioniert: https://thelabcambridge.com/menu