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Der Lion’s Tail Cocktail: Whiskey Sour trifft Tiki

Der Lion’s Tail Cocktail ist ein nicht allzu bekannter Drink, der erstmals im Jahre 1937 von William J. Tarling niedergeschrieben wurde. Im Grunde trifft hier Whiskey Sour auf einen klassischen Tiki-Likör. Und dieser Twist mit der karibischen Paarung aus Piment und Limette funktioniert extrem gut. 

Vorhang auf für dem Lion’s Tail Cocktail! „Twisting the Lion’s Tail“ – den Löwen am Schwanz ziehen – war ein amerikanischer Spruch, der der Provokation der Briten diente und während der Zeit der Anglophobie zwischen den beiden Weltkriegen entstand. Der Lion’s Tail Cocktail hingegen ist ein Drink, der kurz nach der Prohibition entstand. Ob er auch der Provokation diente, sei mal dahingestellt. Seine Zutaten sind für einen Whiskey Cocktail jedenfalls nicht ganz normal.

Lion’s Tail Cocktail

Zutaten

6 cl Bourbon
1 cl Pimento Dram
2 cl frisch gepresster Limettensaft
2 cl Zuckersirup (1,5 : 1) oder Syrop de Gomme
1-2 Dashes Angostura Bitters

Ein Londoner Löwe mit Biss?

Es war William J. Tarling, der den Lion’s Tail Cocktail erstmals in seinem Café Royal Cocktail Book veröffentlichte. Darin schreibt er den Drink einer Person namens L.A. Clarke zu. Das Buch erschien erstmals im Jahre 1937 in London, der Drink hingegen entstand vermutlich schon etwas früher, denn so kurz nach der Prohibition war Bourbon schwer zu bekommen.

Auf dem Papier scheint der Drink vorerst nicht zu funktionieren: Limette statt Zitrone und Pimento Dram in einem Bourbon Drink – das klingt im ersten Moment zumindest weniger gängig, ein wenig nach einer Verschmelzung von Klassik mit frühem Tiki. Aber keine Angst, der Löwe beißt nicht. Gibt man dem Lion’s Tail Cocktail erstmal eine Chance, wird man nicht enttäuscht – ganz im Gegenteil, der Drink schmeckt hervorragend. In Tarlings Originalrezept werden 2/3 Seagram’s Whiskey, 1/6 Pimento Dram, 1/6 frischgepresster Limettensaft, ein Barlöffel Gomme Sirup und ein Dash Angostura Bitters aufgelistet. Der Drink wird geschüttelt und dann abgeseiht.

Doch eher auf Eis

Ob der Lion’s Tail Cocktail im Original auf Eis oder straight up serviert wurde, geht aus den Quellen nicht hervor. Hier kann also nur der praktische Versuch helfen, oder man geht einfach nach der persönlichen Vorliebe. Es gilt wie bei allen Shortdrinks: Wird der Lion’s Tail ohne Eis serviert, so erwärmt er sich recht schnell und verliert damit seinen speziellen Kick. Wird er auf Eis serviert, kann es natürlich es passieren, dass er verwässert und somit ebenfalls an Kraft einbüßt. Wie bei vielen Sours oder Sour-Abwandlungen ist das Abseihen auf einen kompakten, möglichst klaren Eisblock oder eine Kugel wohl der beste Mittelweg – das gewährleistet eine gleichmäßige, anhaltende Kühlung bei nur langsamer Verwässerung.

Alleskönner Piment gibt Lion’s Tail Cocktail den Kick

Der vor allem aus der klassischen Phase der Tiki-Strömung bekannte, karibische Likör Pimento Dram verleiht dem Drink eine schöne Würze, die an Pfeffer, Muskat, Nelke und Ingwer erinnert. Piment – auch „Allspice“ oder Jamaikapfeffer genannt – gehört zur Familie der Myrtengewächse und wächst heute hauptsächlich in Mittel- und Südamerika sowie auf den karibischen Inseln.  Seine Hauptaromen sind zum größten Teil alkohollöslich – praktisch für die Herstellung eines eigenen Pimento Drams. Die ganzen Pimentkörner können dann im Mörser zerkleinert und über mehrere Tage z.B. in Rum eingelegt werden. Wenn es etwas schneller gehen soll, kann natürlich auch per Sous-Vide oder Rapid-Infusion mit dem Isi-Siphon infusioniert werden (eine simple Rezeptur findet sich beispielsweise in Buch „Cocktailian 2 – Rum & Cachaça“). Gleichzeitig gibt es außerdem die Möglichkeit, auf einen der wenigen verfügbaren fertigen Pimento Drams zurückzugreifen, aus deutscher Sicht ist hier wohl jener von The Bitter Truth am besten verfügbar. In diesem Fall sollte man aber den Anteil im Lion’s Tail Cocktail noch etwas reduzieren, da hausgemachte Produkte im Aroma deutlich zarter sind.

Piment harmoniert übrigens hervorragend mit Früchten wie Äpfel, Pflaumen, schwarzen Johannisbeeren oder Grapefruit. Gibt man dem Lion’s Tail Cocktail etwas Wildpflaumenbrand, Birnenbrand oder Calvados hinzu, verleiht man ihm einen spannenden Twist. Beim Bourbon empfiehlt es sich – gerade mit Blick auf den sehr dominanten Pimento Dram und die prägnante Säure aus der Limette –, auf einen würzigen, kraftvollen Vertreter zurückzugreifen, etwa Michter’s, Knob Creek, Elijah Craig oder, für die Extraportion Kraft, vielleicht auf Booker’s.

Denn vergessen wir nicht: Neben dem „Tail“ hat der Löwe am anderen Ende scharfe Zähne – und die will man ihm ja nun nicht auch noch ziehen!

Dieser Text erschien erstmals 2017 auf MIXOLOGY online und wurde für diese Wiederveröffentlichung mit einem aktuellen Bild versehen.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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