TOP
Luster Bar Wien

Das Luster in Wien ist fünf Jahre alt und trotzdem die jüngste Bar der Stadt

Der Stilwandel in der jungen Geschichte des „Luster“ in Wien-Mariahilf war markant. Zum kleinen fünfjährigen Jubiläum ist man aber zur Neighbourhood Bar eines flüssig-verwöhnten Bezirks geworden. Mit einem jungen Team samt idealer „Cocktail-Formel“.

Mit einem einzigen Satz fasst Sebastian Stahlschmidt sein letztes Jahr ziemlich gut zusammen. „Eine neue Karte ist wirklich wie ein Baby – sie kommt erst dann, wenn sie es will“, seufzt „Basti“ nämlich. Nicht, weil es keinen Spaß macht, sondern weil er seinen ehemaligen Chefs im Birdyard den Aufwand nie so recht glauben wollte.

Drinks kreieren, ausmixen und auf das Blatt schreiben. Klingt doch einfach. Doch seit anderthalb Jahren ist er selbst Barchef, seit wenigen Monaten zudem Vater eines Sohnes. Und so gibt es die „Winterkarte“ im Luster auch erst im Januar. Doch weniger, was nun final draufsteht, sondern wie sie erstellt wurde, sagt viel über den Spirit der Bar nahe des markanten „Haus des Meeres“ aus.

Sebastian Stahlschmidt ist Barchef des jungen Teams im Luster
Das Konzept im Luster: „70% Crowdpleaser, 20% Drinks für Fortgeschrittene und 10% Verrücktes.“
Das Konzept im Luster: „70% Crowdpleaser, 20% Drinks für Fortgeschrittene und 10% Verrücktes.“

Teamgeist von blödelnd bis köstlich

Dass sich von jedem Bartender Drinks in der neuen Karte finden, mag noch unter mixologische Routine fallen. Dass man sich für die neuen Coaster gegenseitig porträtiert hat (wohlgemerkt: nicht jeder war Student an der Graphischen Lehranstalt!), zeugt aber von Selbstironie ebenso wie vom Spaß, den das vielleicht jüngste Barteam der Stadt hat.

Die junge Crew bringt dennoch einige Wien-Erfahrung mit: Lily Uhlmann war ehemals im Ritz-Carlton aktiv, Adrian Zach werkte bei Kan Zuo in The Sign und Marvin Felsperger wechselte aus der Josef-Bar zur Luster-Crew. Mit Barback/Technik-Wizard Dario Bijelic ist das gegenwärtige Quintett komplett. Anstatt deren Spezialisierungen zu glätten, stehen heute pikante Cuisine Style-Drinks (mit Mozzarella-Schaum) neben süßen Espumas und ziemlich kantigen Getränken. „Wenn jemand etwas gelernt hat, soll er es auch einbringen“, lautet das Vielfalt unterstützende Credo von Sebastian Stahlschmidt.

Sein eigener Weg führte vom ursprünglichen Plan eines Maschinenbau-Studiums schnell hinter die Bar. Mit dem verwichenen Blue Mustard unter David Penker (heute: Bar Campari, Wien) wurde der Studentenjob dann ernst. Als seine „Mentoren“ bezeichnet er bis heute die erste Crew des kürzlich wieder eröffneten Birdyard. Keine schlechte Schule! Dominik Möller und David Kranabitl führen heute das bei den MIXOLOGY Bar Awards 2023 zur besten Austro-Trinkstätte gekürte Truth and Dare. Es mag kein Riesen-Altersunterschied zwischen den Dreien liegen, „weshalb Dominik auch immer lacht, wenn ich ihn als Mentor nenne“. Und dennoch. Das mit der schweren Geburt der Saisonkarte hat er ebenso vorausgesagt wie er stets den Einsatz von perfektem Eis predigte.

Cocktail der Luster Bar in Wien

Luster Bar

Wechsel an der Luster-Spitze

Somit klingen auch die Einsichten in Sachen Gastronomie erstaunlich reif, wenn man sich länger mit Stahlschmidt unterhält. Zwischen Baby-Versorgen und Espresso wird auch die eigene Vita rekapituliert. Er kam erst vor sechs Jahren nach Wien, davor lebte er in den recht unterschiedlichen Städten Zürich und Villach. Den hörbar deutschen Akzent allerdings verdankt er seinem Vater. Die Entspanntheit, die der 26-Jährige ausstrahlt, ist ein zweites Markenzeichen. Und Geduld brauchte es auch bei seinem Einstieg im Juni 2021 an der Windmühlgasse.

Die Konstellation aus drei Eigentümern und einem davon recht unabhängig agierenden Barchef prägte das lässige Lokal im „Sechsten“ schon bei seiner Gründung 2018. Mit Marco Pani stand einer der versiertesten, sehr meinungsstarken Bartender der Stadt („Chaya Fuera“, „Bar Italia“, „Procacci“) hinterm Tresen. Was auch bedeutete, dass seine Kreation mit Zitronengras und Chili namens „Thai Massage“ schnell auch hier zu einem Bestseller wurde. Noch Monate nach Panis Abgang Mitte 2021 – in die neue Bar Pani im 9. Bezirk – wurde von Luster-Regulars nach diesem Drink verlangt. „Da muss man aber hart bleiben und die eigene Linie forcieren“, hat Stahlschmidt schnell gelernt.

Wöchentlicher Ideen-Wettbewerb

Den Namen gaben der Bar übrigens die drei Regale mit Spirituosen über dem Tresen. Indirekt beleuchtet, wirken sie tatsächlich wie ein Luster – jene Deckenlampen, für die Wien dank Lobmeyr, Bakalowits oder WOKA bis heute Welt-Kompetenz besitzt. Unter diesem Stahl-Behemoth arbeitet die Crew die Bestellung der 85 Gästeplatz im Inneren und der 40 im Freien ab. Kommt dazu noch ein Event im Keller der Bar, wird es quirlig im Luster. Insofern ist man kein Freund aufwendiger Vorbereitungen, lässt dies aber nicht auf Kosten des Geschmacks gehen. Bestes Beispiel dafür ist die „Clear Paloma“, die allerdings keinen Rotovap braucht, sondern mit dem hauseigenen Limetten-Ersatz ebenfalls wasserklar erfrischt.

Gefordert ist Kreativität, nicht das große Besteck. Das zeigt sich auch beim „Bartender’s Choice“, dem wöchentlich wechselnden Drink, der auf einer Schiefertafel zu finden ist. Jeweils ein anderes Crew-Mitglied soll ihn kreieren, was die Ideen natürlich ordentlich triggert. Aktuell ist es der fruchtig-süße „Whoop Whoop“ mit Gin, Himbeere und Kokos. „Da kann aber alles dabei sein, vom Ausprobieren neuer Spirituosen über ein saisonales Kräutlein – vom Fruchtknaller bis zu „Spirit forward“, aber auch ein Sauerkraut-Drink.“

Tiefgestapelt wird auch bei den neuen Signature Drinks (alle um 14 Euro), etwa beim Umami-Kick, den einem Savoury Cocktail namens „Tenno“ die Infusion von Miso-Paste verleiht. Wenn man in der bunten Karte – die von „Paper Plane“ bis „Army & Navy“ auch Klassiker listet – eine Konstante ausmachen will, ist es der generell hohe Anteil an Drinks mit würzigen Zutaten oder Gemüse: Karotte und Salbei (beim Vodka-Drink „Ronin“), Rote Beete („Rosa Wolken“), Chili und Koriander („Real Hot Girl Shi*t“) oder auch Babymais und Essig („Raging Bull“).

Die Formel für die Nachbarschaft

Dass man auch bei den Cocktail-Namen eine entspannte Attitüde an den Tag legt, zeigt bereits dieser Auszug. Diskutiert wird mitunter über den „Yugo Boss“, der so etwas wie der neue Hausklassiker wurde. Kommt dann jemand (der offenbar kein Serbokroatisch kann) mit der Frage nach Rassismus-Verdacht, hat einer der drei Eigentümer seinen Auftritt. Er ist Serbe und liebt diesen Drink; das kleine Linguistik-Popkultur-Privatissimum gibt es dann kostenlos im Luster. So, wie die beiden Heimatstädte Sebastian Stahlschmids für Seriosität (Zürich) und Fasching (Villach) stehen, hält seine Crew es auch bei den Drinks. Satisfaktionsfähig shaken, aber eben nie bierernst!

Das zeigt auch in der „Stahlschmidt’schen Formel“, wie man das wohl an seiner Alma Mater, der Technischen Universität, nennen würde. Womit man die Gäste der Neighbourhood Bar glücklich macht, fasst er so zusammen: „70% Crowdpleaser, 20% Drinks für Fortgeschrittene und 10% Verrücktes“. Womit nicht nur sicher gestellt ist, dass sich auch Nerds unterm Flaschen-Luster nicht langweilen, sondern auch dass die Rechnung am Ende stimmt. Für die nächsten fünf Jahre. Und darüber hinaus. Jung und „crazy“ genug ist das Team allemal!

Credits

Foto: Luster Bar

Kommentieren