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Marcus Neumann, Barchef des China Club Berlin, im Interview

Marcus Neumann ist seit 20 Jahren Barchef des China Club in Berlin. Wie macht er das?

Im Jahr 2003 eröffnete der China Club neben dem Brandenburger Tor. Damals wie heute ist Marcus Neumann Barchef des exklusiven Members Club, von dem wenig nach außen dringt. In einem ausführlichen Interview gibt der gebürtige Rostocker Einblicke in das Tagesgeschehen, seine Barphilosophie, Sidecars mit Louis XIII – und warum der Star niemals hinter dem Tresen steht.

Wir treffen Marcus Neumann in der Taipan Suite des von Anne Maria Jagdfeld im Jahre 2003 gegründeten China Club Berlin. Ausgestattet mit Falttüren zur Veränderung der Raumgröße und Opium-Malerei aus Shanghai und Hong Kong, spiegelt auch dieser Private Dining Room das Club-Interieur mit der größten Sammlung zeitgenössischer Kunst aus China wider.

Marcus Neumann kommt nach dem Sport an seinem freien Tag für das Interview in den Club, Turnen und Fußball sind seit seiner Jugend sein Steckenpferd. Er absolvierte danach eine klassische Ausbildung zum Restaurantfachmann im Warnemünder Hotel Neptun, wo seine Bruchrate im Service so hoch war, dass ihn sein damaliger Restaurantleiter an die Bar einführte. Ein am Guéridon zubereiteter B & B war sein erster Cocktail, viele weitere folgen – auf Kreuzfahrtschiffen, auf Landesmeisterschaften oder in der Schweiz, wo er auch von der Gründung des China Clubs erfährt. „Ich wurde bereits im Rohbau verpflichtet und bin seit Stunde Null dabei. Damals gab es keinen Vergleich zur Clubstruktur in Berlin. Niemand wusste, ob es funktionieren wird“, erinnert er sich.

Aber es hat funktioniert, und seit 2003 trägt die gesamte Barkulinarik des Clubs am Brandenburger Tor seine Handschrift. Aufgewachsen ist Neumann übrigens in der gleichen Straße wie der ehemalige deutsche Bundespräsident Joachim Gauck. Ein Wiedersehen mit ihm nach mehr als 30 Jahren und Gespräch an der Bar erinnert er als besonders schön und interessant. Auch Michail Gorbatschow ist er vor dessen Cinema for Peace-Auftritt alleine an der Bar begegnet, wie vielen anderen Persönlichkeiten – doch Diskretion versteht sich im China Club Berlin von selbst.

MIXOLOGY: Der China Club Berlin feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum. Wie darf man sich denn einen Business Club vorstellen?

Marcus Neumann: Wir schreiben uns nicht zwingend auf die Fahnen, ein Business Club, sondern mehr ein Social Club zu sein. Wer gutes Essen, Kunst und Kultur zu schätzen weiß und sich gerne mit dieser Kunst umgibt, findet hier einen tollen Platz. Natürlich bieten wir unseren Mitgliedern das ganze Paket rund um Business-Geschichten, aber wir initiieren keine Netzwerk-Abende oder Events aus Businessgründen, sondern aus gastronomisch-kulturellen Gründen wie zum Beispiel das chinesische Mond- oder Sommerfest. Vor 20 Jahren wollte die Eigentümerfamilie des Clubs, inspiriert vom China Club Hong Kong sowie der Londoner Clubstruktur, einen solchen Club und damit auch Internationalität nach Berlin bringen. Viele internationale Mitglieder, die sich diesen Luxus gönnen – und es ist reiner Luxus, hier Mitglied zu sein –, zwei- bis dreimal im Jahr nach Berlin zu kommen, wissen, dass sie zu jeder Tages- und Nachtzeit den gleichen hohen Standard an Service, Qualität, Ambiente, sensationellem Chinese Food, Drinks und Weinen bekommen. Und es gibt viele Anlässe unserer Mitglieder, die der bei uns groß geschriebenen Diskretion bedürfen.

»Ich bin nicht mit dem Vorsatz hierhergekommen, 20 Jahre lang zu bleiben. Wer macht denn das schon? Das ist damals wie heute relativ unüblich. Aber wenn man die Passion für ein Projekt entwickelt und dieses mitaufgebaut hat, entsteht eine tiefe Bindung.«

— Marcus Neumann

Hier mixt der Chef noch persönlich: Das Team besteht inklusive Barchef Marcus Neumann aus fünf Personen
Hier mixt der Chef noch persönlich: Das Team besteht inklusive Barchef Marcus Neumann aus fünf Personen
Für die meisten Mitglieder ist der China Club ein „home away from home“
Für die meisten Mitglieder ist der China Club ein „home away from home“

MIXOLOGY: Sie sind von Anfang dabei und somit eine Ausnahmeerscheinung in der von Fluktuation gezeichneten Branche. Wie machen Sie das?

Marcus Neumann: Ich wurde bereits im Rohbau verpflichtet und bin seit Stunde Null dabei. Damals gab es keinen Vergleich zur Clubstruktur in Berlin. Niemand wusste, ob es funktionieren wird, und das Vorhaben wurde sogar belächelt. Dass der China Club nun sein 20-jähriges Jubiläum feiert, ist der Vision und dem Durchhaltevermögen der Eigentümerfamilie geschuldet. Und den Mitarbeiter:innen wie Chefkoch Tam Kog Kong aus Singapur und Restaurantleiter Hendryk Vieillard, die sich seit Beginn mit der Philosophie identifizieren und an den Erfolg des Projekts geglaubt haben. Ich bin aber nicht mit dem Vorsatz hierhergekommen, 20 Jahre lang zu bleiben. Wer macht denn das schon? Das ist damals wie heute relativ unüblich. Aber wenn man die Passion für ein Projekt entwickelt und dieses mitaufgebaut hat, entsteht eine tiefe Bindung. Ich bin absolut happy.

MIXOLOGY: Haben sich Ihre Erwartungen also erfüllt, Sie nie an einen Job-Wechsel gedacht oder vielleicht daran, eine eigene Bar zu eröffnen?

Marcus Neumann: Also für eine eigene Bar bin ich der falsche Mann, weil die Branche, um es charmant zu sagen, zu familienunfreundlich ist. Außerdem möchte ich meine Nerven nicht in die Selbstständigkeit legen. Zu Beginn hatte ich weder eine Erwartung noch Vorstellung, weil ich keinen Vergleich hatte. Wenn man so lange mitwirkt, die Vision der Eigentümer verinnerlicht und verstanden hat, wohin die Reise gehen soll, intensiviert sich die Beziehung. Wenn ich mich auf etwas einlasse, dann zu 100 Prozent, was auch immer von der Gegenseite abhängt. Hätte ich kein stimmiges Gefühl, wäre ich nicht schon 20 Jahre lang hier. Man kann meine Handschrift in allen Ecken der Bar entdecken, das wäre mit mehreren Bar-Managern und ebenso vielen Handschriften nicht so, und vielleicht wäre das Boot dann vom Kurs abgekommen. Die Möglichkeit und Freiheit, kreativ zu sein in Einkauf, Angebot und Verkauf, der natürlich funktionieren muss, finde ich in keinem Luxushotel der Welt.

»Man darf nicht vergessen, woher man kommt, und meiner Meinung nach gibt es in dieser Branche zu viel Extrovertiertheit und zu wenig Gastgebertum. Für mich ist der Star niemals hinter der Bar.«

— Marcus Neumann

MIXOLOGY: Wäre das auch nicht vorstellbar?

Marcus Neumann: Ich könnte mir nicht vorstellen, für eine Hotelkette nach einem vorgegebenen Schnittmuster zu arbeiten. Wenn diese Freiheit 20 Jahre gut funktioniert hat, muss sie richtig gewesen sein. Einen Club und die Clubkultur zeichnen auch aus, vertraute Personen wiederzusehen und sich als Mitglied nicht dauernd erklären zu müssen. Wir kennen die Mitglieder und ihre Lieblingsdrinks vom Whisky Sour mit Rye, Champagner Rosé im allergrößten Burgunderglas mit genau sechs Eiskugeln bis zur Lieblingszigarre, stellen deren Lieblingswasser oder den Wein bereit. Wir beschreiben unsere Arbeit als Theaterstück auf einer Bühne, die wir bespielen. Wir bieten Hospitality, die man selten in dieser Form findet, und geben Mitgliedern aus aller Welt das Gefühl, home away from home zu sein.

MIXOLOGY: Ist diese langjährige ‘Bühnenerfahrung’ vor allem von Ihrer Leidenschaft getragen, Gastgeber zu sein?

Marcus Neumann: Absolut. Hospitality ist ganz wichtig und kommt weit vor der Mix- und Barkunst. Das Wichtigste ist immer, Gäste abzuholen. Unsere Mitglieder müssen auch nach Jahren oder Jahrzehnten stets das Gefühl erlangen, mit ihrer Mitgliedschaft alles richtig gemacht zu haben. Man darf nicht vergessen, woher man kommt, und meiner Meinung nach gibt es in dieser Branche zu viel Extrovertiertheit und zu wenig Gastgebertum. Für mich ist der Star niemals hinter der Bar. Meine Aufgabe, in welcher Position auch immer, ist, den Gast glücklich zu machen. Ich stehe auf der Bühne, um ein Erlebnis für den Gast zu kreieren, nicht um mich selbst zu präsentieren.

MIXOLOGY: Besuchen Sie denn auch andere Bars, um Einflüsse oder Trends zu gewinnen?

Marcus Neumann: Ich bin eher selten in Bars unterwegs. Wir beobachten, wer in unserem Segment wie operiert, und haben eine Benchmark. Dazu blicken wir gerne nach London, wo Member Clubs nicht umsonst schon jahrzehntelang den Standard der Stadt bestimmen. Auch die großen Londoner Hotels haben eine außergewöhnliche Barkultur und gelebte Hospitality. Für mich ist das gastronomisch und barkulturell das Ultra-Premium-Level. Die Jungs dort machen ganz viel richtig. In Berlin ist vieles nicht so greifbar, mal eröffnet eine neue Bar, dann rennen alle von links nach rechts, und die Partykarawane zieht weiter.

»Unsere Messlatte in der Auswahl hochwertiger Produkte ist sehr hoch und bewegt sich stets weiter nach oben. Um es übertrieben zu sagen, fangen wir dort an, wo andere aufhören, was der internationalen Klientel und dem Standard geschuldet ist.«

— Marcus Neumann

MIXOLOGY: Welche Barphilosophie steckt in Ihrer Barkarte?

Marcus Neumann: Unsere Barkultur und die Cocktailkarte mit diversen Martini Cocktails, Old Fashioned, Whiskey Sours oder Negronis ist sehr, sehr klassisch gehalten. Was wir uns nicht auf die Fahne schreiben, bei Wunsch aber natürlich gerne erfüllen, sind etwa Fancy-, Caribbean- oder Tiki-Drinks, weil sie nicht unser Aushängeschild und nicht unserer Klientel entsprechen. Auch Molekular-Mixologie ist nicht zwingend meine Art von Barkultur und hier nicht nachgefragt. Es wäre auch uninteressant, den neuesten Gin, Mezcal oder andere Neuheiten zu präsentieren. Ich befasse mich natürlich mit neuen Produkten und wäge ab, sie anzuschaffen, aber es ist nicht zwingend für uns, alles zu haben. Sobald etwas im Trend ist, nehme ich stark Abstand. Man muss nicht über jedes Stöckchen springen und sollte bei seiner Handschrift bleiben. Das betrifft das Spirituosen- und Cocktailsegment. Wir haben natürlich auch Aperol Spritz oder Hugo, und das völlig zurecht, aber sie stehen auf unserer Empfehlungsliste nicht weit oben. Bei unserer Klientel sind ein Glas Champagner als Aperitif en vogue und auch Champagner Drinks nachgefragt. Im Whisky-Segment verfügen wir für viele unserer whiskyaffinen Mitglieder über eine exklusive Auswahl. Mein Bestreben ist aber nicht das größte Angebot, sondern Exklusivität und Rarität zu bieten.

MIXOLOGY: Wie sieht das Spirituosen-Portfolio aus?

Marcus Neumann: Unsere Grundspirituosen sind sehr hochwertig. Der Club und die Bar sind für unsere weltweiten Mitglieder, wovon viele nicht aus Berlin sind, ein sicherer Anlaufpunkt für Servicequalität. Wenn sie eine hohe Eintritts- und jährliche Mitgliedsgebühr bezahlen, wollen wir eine dementsprechende Gegenleistung erbringen, bedienen das Luxussegment in Gastronomie und Bar. Unsere Messlatte in der Auswahl hochwertiger Produkte ist sehr hoch und bewegt sich stets weiter nach oben. Um es übertrieben zu sagen, fangen wir dort an, wo andere aufhören, was der internationalen Klientel und dem Standard geschuldet ist. Das bedeutet aber nicht, dass Bars mit niedrigpreisigen Spirituosen schlechter wären, oder Qualität sich über Preis definiert. Wir orientieren uns an unserer Klientel genauso wie andere Bars, in denen sich eine Flasche Tequila um 800 Euro nicht lohnen würde. Wenn ich zu Bentley gehe, finde ich auch kein Auto um 15.000 Euro. Luxus-Spirituosen gehören bei uns zum daily business. Man sollte aber immer mit dem allergrößten Respekt an die Sache herangehen und sich vor Augen führen, mit welchen edlen Produkten wir hier arbeiten. Das macht Spaß, auch Drinks damit zu mixen.

MIXOLOGY: Aber nicht mit einem Louis XIII, der hinter dem Tresen thront?

Marcus Neumann: Wir sind aktuell in der Lage, eine Drei-Liter-Flasche bei uns zu haben, erheben aber keine Alleinstellung, diese älteste Luxus-Spirituose hier zu haben. Aber natürlich steht kein Sidecar mit Louis XIII auf der Karte. Wenn der Wunsch jedoch danach besteht, bin ich der Letzte, der sich dagegenstellt. Meine persönliche Wertung ist irrelevant, weil der Gast seine Erwartungen erfüllt bekommen muss.

»888 Euro für vier Zentiliter bedarf auch bei Mitgliedern einer Erklärung«

— Marcus Neumann

„Hospitality ist ganz wichtig und kommt weit vor der Mix- und Barkunst“, ist das Credo von Marcus Neumann
„Hospitality ist ganz wichtig und kommt weit vor der Mix- und Barkunst“, ist das Credo von Marcus Neumann
Der Anspruch ist, zu jeder Tages- und Nachtzeit den gleichen Standard an Service, Qualität und Ambiente zu bieten
Der Anspruch ist, zu jeder Tages- und Nachtzeit den gleichen Standard an Service, Qualität und Ambiente zu bieten

MIXOLOGY: Welche besonderen Spirituosen findet man noch, und werden diese aus der Karte bestellt?

Marcus Neumann: Auch besonders hochpreisige Spirituosen stehen auf der Karte, werden aber selten daraus bestellt, sondern von uns verkauft. Unser aktuelles Aushängeschild und die hochwertigste Spirituose ist der Dalmore 45 Years Old Single Malt Scotch. Ich hatte die Möglichkeit, natürlich nach erklärungsbedürftiger Rücksprache mit der Geschäftsleitung, diese Flasche vom Generalimporteur zu erwerben. Meine Idee war, die Flasche ohne Gewinn und zum Einkaufspreis zu verkaufen, um unseren whiskyaffinen Gästen mit dem äußerst limitierten Whisky eine Once in a lifetime experience zu bieten. Niemand außer wir ist so verrückt, diesen Whisky offen für zwei oder vier Zentiliter zu verkaufen, abgesehen davon bekommt man ihn nicht, und für Deutschland gab es nur drei Flaschen. 888 Euro für vier Zentiliter bedarf auch bei Mitgliedern einer Erklärung. Mir war wichtig, nicht an der Flasche zu verdienen, sondern in den Köpfen der Mitglieder den China Club als Ort zu verankern, an dem es diese einmalige Erfahrung gibt, es ein Privileg ist, was High-End-Spirituosen betrifft. Das hat funktioniert, die erste Flasche war nach circa vier Monaten leer, die zweite hat länger gedauert, und die dritte und letzte für den deutschsprachigen Raum verfügbare Flasche steht aktuell noch in der Bar. Danach ist das Kapitel Dalmore 45 Jahre erledigt.

MIXOLOGY: Eine Art, den Genuss kreativ und einzigartig zu gestalten. Wie sieht die Kreation mit asiatischen, chinesischen Produkten aus?

Marcus Neumann: Wir haben auch asiatische Spirituosen wie Baijiu, die meistgetrunkene Spirituose der Welt, an der Bar. Es gab mal einen Hauch einer Welle, aber der hat sich nicht ganz bewahrheitet, wohingegen die Karten in den Nachtclubs in Shanghai voll mit Baijiu-Drinks sind. Baijiu ist sehr vielfältig, selbst 0,5 cl unseres markanten Baijui bringen den Drink in eine komplett andere Richtung. Mit Baijiu kreieren wir Signature Drinks für Mitglieder-Anlässe wie Chinese New Year oder dem chinesischen Mondfest, die sich nicht auf der regulären Cocktailkarte wiederfinden. Denn gerade für private Veranstaltungen unserer Mitglieder oder Firmenveranstaltungen kreieren wir vieles auf Wunsch, wie zum Beispiel Cocktails nach den Farben des Firmenlogos. Alle Wünsche, die machbar und sinnvoll sind, erfüllen wir, schließlich sollen auch die Gäste des Mitglieds glücklich sein. Wenn jemand als Aperitif 200 Whisky Sours mit frischem Eiweiß möchte, versuchen wir das zu bewerkstelligen, bieten aber auch zusätzlich zwei, drei andere Drinks an. Denn es wird alles frisch und nicht pre-batched hergestellt, was wir auch haben, aber jeder einzelne Gast soll auch im Rahmen einer großen Bankett-Veranstaltung das Erlebnis haben, als würde dieser Drink nur für ihn gemacht werden. Sake ist ein großes Thema, wovon wir nur eine Marke mit vier Qualitäten haben, die gerne pur und weniger als beispielsweise in einem Sake Martini getrunken wird. Auch Mautei, ein Weizen-Hirsebrand mit freundlichen 53 Volumenprozent, ist Teil unseres Portfolios und wird von chinesischen Mitgliedern gerne aus einem klassischen Weinglas getrunken.

MIXOLOGY: Sie sind sehr sportaffin und haben vorhin gemeint, hier ist immer Champions League. Wie darf man das verstehen?

Marcus Neumann: Gerade wenn wir neue Mitarbeiter suchen, sucht man nach Vergleichen, um den China Club zu erklären, der nicht mit Werbung an die Öffentlichkeit geht und viel über soziale Medien erfahrbar wird. Ich ziehe dann gerne den Fußballvergleich, betrachte uns und den Club stets wie im Champions League-Finale. Und wenn man dort ist, will man gewinnen. So versuche ich, meine Mitarbeiter:innen für diese Passion zu gewinnen, jeden Abend als Sieger von der Bühne zu gehen, weil wir ein tolles Erlebnis für die Gäste geschaffen haben. Für diesen Anspruch braucht man ein verständnisvolles, leidenschaftliches Team, das derzeit einschließlich meiner Person ein Quintett bildet.

»Das Wichtigste, und das gilt damals wie heute, ist die Passion für diesen Job, mit oder ohne fundierte Ausbildung. Man muss in erster Linie Lust auf diesen Job haben, alles andere kann man erlernen.«

— Marcus Neumann

MIXOLOGY: Was trinken Sie am liebsten, und wie definieren Sie einen guten Drink?

Marcus Neumann: Da mein Job gemessen an den Arbeitszeiten, der Lautstärke und dem Stress einer der ungesündesten ist, den man sich aussuchen kann, würde übertrieben gesagt eine Flasche Wein bei mir zuhause wahrscheinlich für ein ganzes Jahr reichen. Ich trinke so gut wie keinen Alkohol, achte auf eine gesunde Lebensweise, übe mich aber nicht in Askese oder Verzicht. Ich denke, diese Einstellung, Struktur und Selbstdisziplin braucht man, um so ein Projekt über 20 Jahre zu begleiten. Ich befasse mich mit Spirituosen, ihrer Historie und Herstellung und bin sehr whiskyaffin. Whisky ist mein Steckenpferd. Ich muss ihn nicht zwingend trinken, aber wenn es dazu kommt, bin ich nicht abgeneigt, einen tollen Single Malt präferiert von der Isle of Islay zu trinken. Ein guter Drink ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Unabhängig von Trends und Spirituosen und egal, ob ich Gastgeber oder Gast bin. Der Drink muss mit Kompetenz zubereitet sein, die Handwerklichkeit muss gegeben sein, das Surrounding muss stimmen, das Spiel von Licht, Musik und Hospitality, um den Gast zur richtigen Zeit abzuholen. Alles spielt zusammen.

MIXOLOGY: Rückblickend zu Ihren Anfängen: Was war damals, als Sie nach der Wende im Hotel Neptun ihre Ausbildung begonnen haben, für das Bar-Handwerk wichtig, und was gilt heute noch?

Marcus Neumann: Ich hatte das Glück, 1990 eine Lehrstelle im Hotel Neptun als Aushängeschild der internationalen Hotellerie in der damaligen DDR zu bekommen. Es war das Beste, das mir passieren konnte. Aus heutiger Sicht war die damalige Barkultur überschaubar, aber absolut in Ordnung, durch das vorhandene Spirituosen-Portfolio schon international, dennoch sehr vom Charme der DDR in den 1980er-Jahren geprägt. Das Wichtigste, und das gilt damals wie heute, ist die Passion für diesen Job, mit oder ohne fundierte Ausbildung. Man muss in erster Linie Lust auf diesen Job haben, alles andere kann man erlernen.

MIXOLOGY: Lieber Marcus Neumann, vielen Dank für das Gespräch.

Credits

Foto: China Club

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