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Martin Bornemann, werk 8

MARTIN BORNEMANN ROTIERT ZUM WOHLE DES GASTES

Als Barchef des Basler Werk 8 setzt er auf Teamwork und Gastlichkeit. Privat schwört Martin Bornemann auf Wohnwagenidylle und Natur. Was in seinem W8 Speakeasy passiert, das er einmal im Monat veranstaltet, verraten wir nicht. Wohl aber, was den gebürtigen Berliner sonst noch alles umtreibt.
„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“, meinte einst Wilhelm II., preußischer König und letzter deutscher Kaiser aus dem Hause der Hohenzollern.
Des Kaisers’ Zitat war auch unter dem Cocktail „Pegasus“ mit Gin, Schokolade, Citrus Stock und Wermut auf der vorangegangenen Barkarte des Werk 8 zu finden, das in der Industriehalle Nummer 8, einer ehemaligen Kompressorenfabrik, angesiedelt ist. Der süße „Zorro“ mit Brandy, Urban Gardening-Wermut, Enzian und Grand Marnier wiederum hat sich „Wie ein Fuchs!“ davongeschlichen und wurde gegen neue Eigenkreationen im Bar-Menü getauscht, wird aber wie alle geistreichen Erfindungen des Hauses auf Wunsch weiterhin serviert.

Werk 8 wechselt alle zwei Monate die Karte

Bestseller „Tipsy Hipster“ in Anlehnung an den klassischen New York-Sour mit Bourbon, Hibiskus, Salbei, Aquafaba und Weißwein, hat seinen Platz auf der Karte gehalten, und dass „Die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln“ haben, unterstreicht der „Farmer’s delight“ mit Calvados, Kürbis und Weißwein. Aufquatschen will der Barchef die Kreativ-Cocktails natürlich in keinem Fall, sondern Gäste dort abholen, wo sie gerade sind, Zeit für Beratung von und Austausch mit ihnen einräumen, sich vorurteilsfrei und offen mit unterschiedlich ausgebildeten und ausgeprägten Menschentypen in Kontakt begeben, sie ankommen und sich wohl fühlen lassen. Verblüffend findet er, „dass ich bei Cocktails manchmal alles erklären muss, aber für einen Monkey-Tonic bezahlen manche Gäste 18 Schweizer Franken, ohne mit der Wimper zu zucken“.
An der Erstellung der im Zweimonatsrhythmus wechselnden Barkarte, die innerhalb der ganzen Gastronomie-Werkstätte mit rund 200 Sitzplätzen im Restaurant-, Lounge- und Barbereich und zirka 140 im Terrassenareal gilt, arbeitet Martin Bornemann nicht alleine, sondern setzt auf gemeinschaftliches Kreativpotenzial. „Wir sammeln unsere Ideen und tüfteln gemeinsam an neuen Rezepturen und ihrer Präsentation. Unsere Leistung ist immer Teamleistung. Mir ist wichtig, dass die Leute bei uns keinen Schnellstart hinlegen, sondern lernen, das ganze Spektrum zu durchlaufen und sich nicht nur im Bartending profilieren. Das Werk 8 funktioniert nur, wenn alle bereit sind, zu rotieren und anderen zu helfen“, sagt der gelernte Hotelfachmann, der als 16-jähriger während seiner Ausbildungszeit von Hohenschönhausen zum Dienstantritt um sechs Uhr morgens nach Charlottenburg musste. „Das war eine andere Hausnummer“, erinnert sich der 34-Jährige.

Martin Bornemann im Schweizer Grindelwald

Eine ebensolche war der als Erste Hilfe-Assistent absolvierte Zivildienst in sozialen Brennpunkten wie zum Beispiel Neukölln oder Wedding.
Martin Bornemann jedenfalls besitzt weder Pferd noch Automobil. Dafür ist der Wahlbasler seit kurzem stolzer Besitzer eines 27 Jahre alten Wohnwagens aus erster Hand, den er über die Wintermonate bis Ende April auf einem Stellplatz im Schweizer Grindelwald nahe zur Eigernordwand platziert hat, angekarrt mit einer „vorübergehenden Erscheinung“ eines Freundes.
Gelegentlich, wenn dem gebürtigen Berliner es seine Zeit erlaubt, nimmt er – als Nicht-Autobesitzer natürlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln – eine zweistündige Anfahrt in Kauf, um seine privaten, außerberuflichen Leidenschaften dort auszuleben, Ausgleich in der Natur zu finden, diese sowie die Bergwelt zu genießen, zu wandern oder mit dem Snowboard die Pisten hinunter zu schwingen. „Ich bin nicht der Dauer-Camper-Typ mit Zaun rundum, aber der Grindelwald ist für mich wie eine zweite Heimat, die ich gerne öfter besuchen würde“, schwärmt Martin Bornemann von dem Schnee- und Skiparadies. „Ich liebe den Schnee, schon als Kind. Wenn es geschneit hat, konnte ich nicht schlafen“, blickt er zurück.
Für eine Ferienwohnung fehle das nötige Kleingeld, doch auch das Wohnmobil lässt nichts zu wünschen übrig und ermöglicht dem Naturfreak einen geschätzten Zufluchtsort: „Es ist beheizt und vor allem dicht“ – und dank WLAN am Campingplatz nicht zwingend von der Außenwelt abgeschnitten.

Vom Bankettservice zum Werk 8

Seine beruflichen Sporen und das Rüstzeug für das Wissen um die positive Auswirkung, ein aufmerksamer Gastgeber, kreativer Mixologe sowie Servicemitarbeiter zugleich zu sein, hat sich der Bacardi-Legacy-Global-Cocktail-Competition-Finalist 2017 in verschiedenen Lagern verdient. Er beginnt im Bankett-, Seminar- und Hotelservice einer großen Hotelkette in Berlin, mixt an den Wochenenden Gummibärlis in der Kellerbar eines kleinen Graubündner Familien- und Sporthotels, das die einzige Diskothek weit und breit hat, und schafft als Restaurant- und Barmitarbeiter in einem Strandhotel auf der britischen Insel Jersey. In dem italienisch angehauchten Bar-Café Positiv-Einfach in Interlaken ließen ihn die Betreiber nach seiner Vorstellung „knallhart abblitzen“.
„Hat nicht funktioniert mit ‘Hallo, ich bin’s, der Martin’“, lacht er über seine aus heutiger Sicht naive Herangehensweise ohne viel Erfahrung im Barsegment im Gepäck. Durch einen Personal-Engpass seien die Betreiber letztendlich doch auf ihn zurückgekommen. „Ich musste einen Caipirinha mixen und habe völlig versagt!“, berichtet er. Trotzdem habe es gefunkt, und er dort viel über Kaffee, Gäste und ihre Gewohnheiten gelernt. Dass man einem Kaffee in allen Variationen auch „einen Schuss“ versetzen kann, erfährt er während der Wintersaison in einem Graubündner Vier-Sterne-Hotel unter einem österreichischen Barchef.
Auch Martin Bornemann geht durch die Barschule Rostock
„Dann wollte ich einen Schritt nach oben“, erinnert sich Martin Bornemann und trifft mit dem Erlangen des Barmixer-Diploms an der Barschule Rostock „eine richtige Entscheidung“. Im Alter von 27 Jahren ist er Barmanager des Victoria Jungfrau Grand Hotel Interlaken. Zu viel Druck, laufende Budgetfragen und ein Direktorenwechsel mit ihn irritierenden Veränderungen im Betrieb bewegen Martin Bornemann jedoch dazu, „nach der Luxushotellerie einen Schock zu brauchen“.
Diesen findet er nach einer bewussten, aber spontanen Bewerbung in der Basler Hinterhof Bar und arbeitet dort als Barchef-Stellvertreter von Christian Hausmann. „Genau das will ich“, zeigte er sich damals überrascht, „eine solch’ exzellente Bar in einem Techno-Club vorzufinden“. Vor drei Jahren hat der seit 18 Jahren in der Gastronomie tätige Allrounder bereits an der konzeptionellen Gestaltung des Werk 8, das als Quartierbeiz, Restaurant und Treffpunkt einheimische wie internationale Gäste zu jeder Tages- und Nachtzeit anzieht, mitgearbeitet.
Seit September 2017 leitet er aktiv das Bargeschehen. Gemeinsam hat die Crew ein Urban Gardening-Projekt rund um die Terrasse arrangiert. Von dort zieht auch das Barpersonal Kräuter, Obst und Gemüse und tobt sich kreativ mit infusionierten Spirituosen wie dem Urban Gardening Wermut und selbst hergestellten Sirups in der Küche aus.

Werk 8 Speakeasy in verschworener Runde

Einmal im Monat schließt das Werk 8 nach offizieller Sperrstunde, wird in Windeseile umgebaut, die Barkarte gegen ein nachtfüllendes Spirituosen- oder Cocktail-Thema zum kreativen Austoben und Austausch gewechselt; Plastik-Flamingos und Planschbecken dekorieren den verkleinerten Gastraum bei der Tiki-, ein Plastik-Alligator bei der New Orleans-Thematik; die Gesellschaft aus Gastronomen, Kollegen, Freunden und an Cocktailkultur interessierten Gästen bleibt bei „W8 Speakeasy“ eine geschlossene. Fotos sind nicht erlaubt. „Es geht schon mal verrückt und wild zu. Doch alles was passiert, bleibt unter uns und dringt nicht nach draußen“, umschreibt Martin Bornemann das Regelwerk.
Würde er sich selbstständig machen – und diese Frage stellt er sich definitiv mit seiner ihn auch dahingehend beratenden und unterstützenden Verlobten – dann in Basel. Mit einer Tagesbar, Day Drinking, „Käffchen“, Apéro, kleinen Häppchen und Digestifs, Schaumweinen und leidenschaftlichen Cocktail-Kreationen. „Aber das ist ein großer Schritt, der auch rentabel sein muss“, weiß der Gastgeber, dem in erster Linie das Wohl der Gäste am Herzen liegt.
Vorerst verfällt Martin Bornemann in kein Hamsterrad, sondern setzt auf Hamster Mo, und kann jedem Bartender in Sachen Haustier nur raten: „Schafft euch einen Hamster an. Sie sind nachtaktiv!“

Credits

Foto: Foto via Barrea

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