Zwischen Dessert und Dirty: Das Finale der österreichischen Martini Masters im Rückblick
Vier Jahre ruhte der Mix-Bewerb um den besten Vodka-Martini, und auch der Name hat sich aufgrund der Weltlage dezent verändert. Die perfekte Temperatur und ein regionaler Einschlag zählten beim Österreich-Finale in der „Sacher-Bar“ Salzburg aber unverändert. Der Sieg ging mit Laura Peez aus dem Sputnik in Wien an die einzige weibliche Finalistin. MIXOLOGY-Autor Roland Graf, der in der Jury vertreten war, mit einem Rückblick.
Wer das vor sechs Monaten auf dieser Webseite veröffentlichte Dossier gelesen hat, weiß um den schwierigen Stand, den Vodka – ungeachtet seiner Provenienz – aktuell hat. Und so nimmt es auch nicht Wunder, dass man aktuell keine „Stoli“-Hinweis oder gar die Langversion „Stolichnaya“ auf den Werbematerialien findet, die Amber Spirits in Salzburg mithat. Und mehr als einer der achte Teilnehmer weist explizit auf die Herstellung von „elit“ in Lettland hin. Es sind kurze Momente, in denen man sieht, wie die Politik auch den hedonistischen Freiraum Bar in ihre Fänge nimmt – auch wenn sie dort in der Regel keinen Platz als Gesprächsthema oder Attitude hat.
Vier Jahre Pause sind nun genug!
Doch auf der Haben-Seite der „Martini Masters“ stehen zwei anderen Empfindungen: Es macht allen Bartendern aus drei Bundesländern sichtlich Spaß, mit Vodka zu arbeiten – und es ist immerhin der Gral in seiner Ypsilon-Gestalt, der auf dem Prüfstand steht. Denn egal, ob Puristen auf der Bezeichnung „Wodkatini“ bestehen, bleibt die Aufgabe selbst der Prüfstein: Mixe einen Drink aus zweieinhalb Komponenten, der einen kreativen Zugang verrät und doch klar als Martini-Schrägstrich-Wodkatini erkennbar ist [nomenklatorische Anmerkung: wir bleiben ab jetzt beim simplen „Martini“].
Darüber wacht in der Sacher Bar u. a. der Londoner Todd Austin, noch aus dem leider verblichenen „Scout“ bekannt und heute mit der Agentur „Supernacular“ als Consultant aktiv. Ihm zur Seite sitzt der Gewinner des letzten Bewerbs – und zwar nicht nur der Austro-Ausscheidung 2018, sondern des globalen Finales: Tom Sipos, Barschul-Betreiber aus Wien. Für MIXOLOGY war Roland Graf Teil des Trios, das sich bei Kaiserwetter an der Salzach als schluckstark erweisen sollte.
Martini mit Sushi-Reis und als Dessert
Während noch gescherzt wird bei der Startreihenfolge-Ermittlung, zieht tatsächlich der „Hausherr“ die Nummer 1. Andreas Portz, der „Hat-Bartender“ im Sacher, stellt seine Idee des ikonischen Drinks vor, die sich vor allem an Frische (Zitrusfrüchte) und Mundgefühl (Sushireis!) abarbeitet. „Du kannst nicht nur Vodka shaken“, sorgt dann Steven Daevel („Fitzcarraldo“, Wien) für Lacher – er wollte es bewusst simpel halten. Weshalb sein „5th Element“ mit gesalzenem Eigelb als Garnish für Extra-Aromatik zum Drink sorgt. Doch gerade die kunstvoll geschabte Dekoration will partout nicht am Löffel bleiben – so geht der Wiener leider in die Overtime. Clemens Waschkau wiederum erfüllt sich einen persönlichen Traum bei der (ersten) Competition: „Ich wollte immer schon einen „boozy“ Dessert-Drink machen, der gerührt wird“. Mit rein österreichischen Zutaten, darunter Marillenlikör, erweist der Mann aus „Dino’s Apothecary“ dann auch der Nachspeise der Oma eine Hommage: Martini goes Marillenknödel!
Vom Reime-Schmieden und Rad fahren
Das Kontrastprogramm liefert der einzige Tiroler im Finale mit einem „Martini, der so ist, wie er bei uns in der Bar getrunken wird: ultra-trocken“. Fabio Vorraber meint damit das Innsbrucker „Liquid Diary“ und kombiniert die 5 cl Vodka mit einem trockenen Winzer-Wermut von Horst Gager, vor allem aber mit Zitrus-Bitters und einer fermentierten Salz-Limetten-Mischung. „So passt der auch perfekt zu Austern“, gibt der gelernte Koch auch noch eine Pairing-Empfehlung ab.
Ganz anders fällt die Erläuterung bei Maurizio Mayer aus, der mit Reimen („2 cl of this fine wine//will make our Martini fine“) die Zubereitung seines „Green Root Martini“ begleitet. Die Zutaten wurden vom Wiener „Hammond“-Bartender per Fahrrad zusammengetragen, auch das Kürbiskernöl für den „fat wash“ seiner Kreation. Mike van Bruggen, der neue Mann in „The Bank“ (Park Hyatt, Wien), wiederum packte einen „vergessenen Drink“ aus, die modernisierte Fassung des „Clubland“ soll an dieses erste populäre Vodka-Rezept (1937) erinnern. Als persönlicher Twist kommt Rote Rübe zum Einsatz, die mit ihrem erdigen Geosmin-Duft dem Cocktail-Namen „Beet Club“ alle Ehre macht. Zumal auch alle Reste – als Chips und Espuma – Verwendung finden.
Lieber aufgewärmt oder tiefgekühlt?
Mit dem simplen Satz an Zutaten rückt vor allem die Temperatur in den Mittelpunkt der Competition. Und hier erweist sich Alex Öhler („Neni am Prater“, Wien) als besonders akribisch. Mit vorgefrostetem elit-Vodka folgt der gebürtige Südtiroler dann quasi der Schule Hidetsugu Uenos: „Mein Martini erwärmt den Vodka eher, als er ihn abkühlt“. Die ausgeklügelte Mischung eines Grapefruit-Rosmarin-Öls setzt anstelle eines Bar Bitters die drei Glanzlichter alias „dashes“ in der Coupette und auch das Konzept passt: „“Simplicity“ ist mein Drink für unsere komplizierte Welt“. Und ein finaler Check mit dem Infrarot-Thermometer, wie sich die -20Grad im Glas entwickeln, beeindruckt die Jury.
Und es ist dann fast eine Ironie, dass der Sieg an einen Drink geht, „der gar nicht so eiskalt getrunken werden sollte“. Denn die Inspiration für Laura Peez Martini-Twist ist ein Eis-Sundae und wie zwei weitere Teilnehmer im Finale wirft auch sie ihren Drink. Der aromatische Kick kommt hier aus einem Milk Punch, der Himbeere in austariert kleiner Menge als cremig-fruchtige Komponente in die klassische Dualität aus Vodka und Wermut einführt. Die Barchefin des „Sputnik“ (Wien) legt damit selbst einen Raketenstart hin. Denn auch wenn sie selbst den Cocktail nicht als sanftere Variante betrachtet, lobt die Jury genau dieses Öffnen des „harten“ Drinks für neue Klientel. „Es ist aber immer noch ein Martini“, lobt etwa Tom Sipos – und der Sieger des 2018er Wettbewerbs bietet auch spontan eine Trainingseinheit an.
Ob es einen zweiten Austro-Sieg in Folge gibt, entscheidet sich aber erst in einigen Wochen. Im sonnigen Athen. Abseits der frostigen Temperaturen eines Martini. Und des politischen Klimas.
Dirty Sundae
Laura Peez, Sputnik, Wien
4,5 cl Elit Vodka
2,5 cl Sissi Wiener Wermut
1 cl Milk Clarified Himbeer-Kompott*
Glas: Nick&Nora
Garnitur: Eiswaffel, frische Himbeeren
Zubereitung: Alle Zutaten im kleineren Teil eines TinTin-Shakers kombinieren und fünf bis sieben Mal mit viel Eis „werfen“. In das vorgekühlte Glas abseihen.
*Milk Clarified Himbeer-Kompott
1 Glas “Staud’s” Himbeer-Kompott (180 ml)
7 cl Zitronensaft
7 cl Milch
Alle Zutaten verrühren, für mind. acht Stunden kalt stellen und durch ein Passiertuch oder Kaffeefilter abseihen.
Credits
Foto: Melliphera