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Negroni del Dottore

Für rauchende Stammgäste: Mattia Pastori und sein „Negroni del Dottore“

Mailand oder Madrid? Hauptsache Campari. Das „Camparino“ ist Mailands Hochburg des Aperitifs, wie Mattia Pastori mit seinem „Negroni del Dottore“ unterstreicht. Der Cocktail, entstanden als Hommage an einen Stammgast, ist ein Twist auf den Boulevardier und führt tief hinein in das Selbstverständnis der lombardischen Metropole.

Piazza Duomo, Mailand. Eine bessere Adresse gibt es nicht in Italiens zweitgrößter Stadt. Und das war auch schon 1867, knapp nach der Unabhängigkeit von Österreich-Ungarn, so. In diesem Jahr gründete Gaspare Campari das zunächst schlicht Caffé genannte Lokal in der heute mondänen Geschäftsgalerie. Die Spezialitäten der Gründerzeit waren ein Cordial und der später weltberühmte Bitter. Eigentlich füllte Campari hier seine Kreationen ab, der Verzehr vor Ort war Nebensache. Immerhin kam in der Galleria Vittorio Emanuele II auch sein Sohn Davide zur Welt.

Camparis späte Rückkehr in die Galleria

Erst 1915 wurde formell der Barbetrieb aufgenommen, als Brand Home, wie man heute sagen würde, war die Bar mit den Papageien-Mosaiken nicht geplant. Was sich auch am späteren Verkauf der Schanklizenz (die Location selbst gehört bis heute der Stadt Mailand) an Carlo Zucca zeigt. Doch auch unter der Ägide der Rhabarber-Likör-Hersteller stand natürlich ein Aperitivo in Bitter-Süß im Mittelpunkt.
2012 kehrt Campari auf die Fassade der Bar zurück, mit dem Engagement von Mattia Pastori soll die Deutungshoheit über den Aperitif wieder übernommen werden. Pastori, 2016 bester Bartender Italiens, hat zuvor die Fünf-Sterne-Häuser Mailands bespielt. Im Park Hyatt stand er ebenso am Brett wie in der Bamboo des Armani Hotels, im Viu oder in der Mandarin Oriental-Bar. Doch schon nach der Schule daheim in Pavia half er gerne in der elterlichen Bar mit, ehe er von der lokalen American Bar Pozzo nach Mailand wechselte.

Bier in Mailands Ikone? Ma, certo!

Das Programm „Camparino in Galleria 2.0”, das der seit diesem Jahr als Head-Bartender agierende Mattia Pastori leitet, hat eine klare Mission, wie im Gespräch schnell klar wird. Eine der Aufgabenstellungen der Offensive, die er anführt, „ist ein Schaufenster für den italienischen Stil des Aperitivo zu sein”. Das beste Beispiel dafür sei der Campari Seltz, den es nur hier mit dem gefrorenen Sodaschaum (eine Stickstoff-Düse macht’s möglich) gibt. „Vier Grad kaltes Wasser, acht Bar Druck und ein drei Zentimeter hoher Schaum”, sind dafür die Vorgaben.
Bei aller Strenge, die es für einfache, aber perfekte Cocktails braucht, liebt der mit italienisch schmaler Krawatte mixende Pastori auch das Spielerische. So ließ er den einigermaßen bilderstürmerischen „Beer Americano” seines Kollegen Tomaso Cecca nicht nur auf der Karte. Er promotet ihn auch: „Mit jedem Bier schmeckt der anders“, und vor allem ließe sich damit auch „ganz leicht Saisonalität in eine Barkarte bringen“. Bockbier im Herbst, Session IPA im Frühjahr – auch das ist Aperitivo 2.0.

Der unaussprechliche Boulevardier wird zum Negroni del Dottore

Doch seine eigene Kreation weist eine ganz andere Geschichte auf. Eine, die es konsequent verweigert, den Gast zu belehren. „Immer wieder kam ein Arzt, der um die Ecke seine Praxis hatte, zu uns und bestellte einen ‘Negroni, aber mit Bourbon’“. Statt jetzt einen Vortrag über das Wesen des Boulevardiers vom Stapel zu lassen, entschied sich der Italiener zum stillen Zubereiten des Drinks. Die Geschichte wiederholte sich, aber auch das Ritual, mit dem der Gast den Genuss unterbrach. „Immer wieder ging er nach draußen, um seine Toscani (= italienische Zigarrenmarke, berühmt aus Sergio Leones Western, Anm. d. Red.) zu rauchen“.
Und so entstand als Hommage der „Negroni del Dottore“, dessen Clou darin besteht, dass er eigentlich ein Boulevardier ist, wenn auch ein gesmoketer. „Denn zur Zigarre trank der Stammgast immer einen Espresso“, erklärt Pastori, warum bei ihm Kaffeebohnen in die Smoking Gun kommen. Doch auch bei diesem Drink gibt es klare Anweisungen vom zweimaligen italienischen World Class-Sieger: „Den Kaffee nur grob brechen, sonst verbrennt er zu schnell.“ Und das soll ja auch die Zigarre nicht tun, die diesen Drink inspiriert hat.

Credits

Foto: Tim Klöcker

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