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Mauritius

Mauritius brennt: Eine eindrucksvolle Insel und ihr Rhum Agricole

Mauritius ist bekannt für seinen Rhum Agricole, die drei großen Destillerien heißen Labourdonnais, Chamarel und St. Aubin. Mit einer Visite des abgelegenen Inselstaats beginnt eine MIXOLOGY ONLINE-Serie, in der unser Autor Robert Schröter den afrikanischen Kontinent auf seine Trink- und Destilliergewohnheiten untersucht.
Mauritius. Mauritius? Wo liegt eigentlich nochmal Mauritius? Knapp tausend Kilometer vor Madagaskar verbargen sich La Réunion und Mauritius für Jahrhunderte im Indischen Ozean. Von menschlichen Einflüssen verschont, konnte sich hier der Dodo gemächlich entfalten, bis 1507 Kolonialherren ihre Flagge pflanzten. Damit begann ein gemächlicher Aufstieg der hiesigen Industrie. Verschiedene europäische Imperien gaben sich die Klinke in die Hand, Zuckerrohr erfuhr aufgrund des vorteilhaften Klimas einen Aufschwung, der Dodo dadurch wiederum seinen finalen Abschwung.

Mauritius: eine Insel, mehrere Herzen

Seit dem späten 19. Jahrhundert wird Zuckerrohr auf Mauritius industriell angebaut. Und da die umtriebigen Briten lange die Geschicke von Mauritius lenkten, brachten sie auch ihr umfangreiches Zucker-Knowhow aus der Karibik mit. Eine der Erfahrungen war die Weiterverarbeitung von Zuckerrohrabfall oder Produktionsübermengen zu Rum. Es sprossen also verschiedene Destillerien aus dem Boden, schön gleichmäßig über die Ebenen der Insel verteilt. Davon sind heute noch Labourdonnais, Chamarel und St. Aubin prominent erhalten. Und da wird es schon zum ersten Mal ungewöhnlich: britische Insel, französische Namen?
Da MIXOLOGY ONLINE kein Geschichtsmagazin ist, kommt hier in einem Shotglas nur so viel: Die Geschichte der Insel beherbergt Briten, Portugiesen, Napoleon, Niederländer und eine halbe Million „Vertragsknechte“ vor allem aus Indien. Je nach Region ist die Insel demnach niederländisch, französisch, britisch oder auch indisch geprägt. Und obwohl die französische Ära nur den kleineren Teil der Historie ausmacht, hat sich sowohl Französisch als Sprache, als auch der Rumstil Rhum Agricole durchgesetzt. Bezeichnendes Beispiel dieses ungewöhnlichen, sprachlichen Hybriden ist das Rum-Schlösschen samt Plantagen und Destillerie Labourdonnais. Welches von einem Briten auf- und ausgebaut wurde.

Rhum Agricole von Labourdonnais

Hier, ganz im Norden der Insel, begann die Urbarmachung Mauritius’, entstanden die ersten Zuckerrohrplantagen im 18. Jahrhundert. Der Rhum der hiesigen, für die Augen der Öffentlichkeit leider verschlossenen Destillerie, wird wie fast jeder Rhum der Insel aus Zuckerrohrsaft gewonnen.
Melassebasierte Rums sind in Mauritius historisch eine große Ausnahme. Labourdonnais erfrischt uns mit Abfüllungen unterschiedlichen Alters. Auf der Insel am beliebtesten sind neben den jungen, gefilterten Abfüllungen auch die aromatisierten Rumliköre. Zitronengras, Rosinen, Nelken, Zimt, Orangen, Vanille, Kaffee oder Ingwer werden von Labourdonnais genau so verwendet wie von den zwei größten Mitbewerbern.
Im Export hingegen punkten eher die lange gelagerten Abfüllungen. Jahrgangsabfüllungen aus ehemaligen Cognac-Fässern oder Einzelfassabfüllungen sind die Flagschiffe der im Norden gelegenen, mit einem wahrlich märchenhaften Schloss ausgestatteten Domaine Labourdonnais. Ein komplett ausgestattetes, herrschaftliches Anwesen, von der Destillerie nur von gigantischen Mango- und Mahagonibäumen getrennt.

Von Labourdonnais zu Chamarel

Wir schlängeln uns weiter über geschwungene Landstraßen durch endlos scheinende Zuckerrohrplantagen gen Süden. Im bergigen Zentrum passieren wir Gischt versprühende Wasserfälle, Teeplantagen, gigantische, hinduistische Statuen und Tempel, welche auch von der religiösen Diversität der Insel zeugen.
Wir müssen uns in nebelige Höhen hinaufwinden, um am Hang des mit 828 Metern höchsten Berges der Insel die Destillerie Chamarel zu finden. Versteckt im Hochland, wird hier Rum in mehreren Monaten des Jahres für Besucher sichtbar hergestellt, das Zuckerrohr teils selbst in direkter Umgebung angebaut.
Wie bei Labourdonnais findet sich auch hier ein beschauliches Restaurant und wir haben die Möglichkeit, Sonderabfüllungen zu verkosten. Zwar fühlt sich die Tour touristisch und weniger inspiriert an; doch erhält man interessante Einblicke, während man direkt durch die verarbeitende Maschinerie und Lagerräume wandeln darf, um im Anschluss die klassischen, Ti-Punch-inspirierten Liköre und jungen Abfüllungen kostenlos probieren zu dürfen.
Ich hingegen setze mich lieber noch ins Restaurant und probiere mich durch die gelagerten Preziosen dieser Rhumerie. Mit VS-, VSOP- und XO-Abfüllungen orientiert man sich klar am Cognac und nutzt teils auch französische Eiche zur Lagerung. Die klaren Ecken der größtenteils in einer Kolonne gebrannten Rohbrände werden hier angenehm eingebunden. Noten von Gewürzen und getrockneten Früchten gewinnen dank Eichenfasslagerung langsam die Oberhand über das mitunter grasige, florale Aroma der jungen Rhums. Diese Gläser sind hervorragende Gesellschaft, um den nächsten Regenschauer des vor der Insel wütenden Zyklons durchzustehen; um es danach weiter zur letzten der drei Produktionsstätten zu wagen, ohne auf der Straße weggeschwemmt zu werden.

Der südliche Charme von Mauritius

Die in der Nähe der napoleonischen Seeschlacht um Mauritius gelegene Plantage St. Aubin wurde bereits 1819 gegründet und erhält sich viel ihres kolonialen Charmes. Eine breite Kiesauffahrt führt vorbei am herrschaftlichen Haus inklusive Restaurant und kleinem Museum. Gegen eine kleine Gebühr können Vanilleplantagen, tropische Gärten, ein kleiner Zoo und das Haus besucht werden. Ach ja, und auch die Destillerie.
Nur bei der Vanilleplantage lohnt sich für mich ein längerer Stopp, hier werden seltene Einblicke gewährt. Anschließend gilt es jedoch, den Mitarbeitern im kleinen Produktionshäuschen der Destille bei der Arbeit live zuzuschauen. Saft-Abpressen, Reinigung der Brennblasen, Büroarbeit und Flaschenabfüllung passieren bei offenen Fenstern und Türen. Tropische Luft trägt Fermentationsgerüche durch alle Räume. Es ist überaus erquicklich, dass auch heutzutage eine Destillerie noch so ungezwungen und nahbar funktionieren darf.
Im Verkostungsraum sind die Ausschenkenden ebenso leicht euphorisiert wie die Kostenden. Beim Flaschenabfüllen per Hand wird gesungen, und im Büro sitzt bei offener Tür ein freundlich grüßender, älterer Herr an einem etwas in die Tage gekommenen Computer. Es ist alles reinlich und ordentlich, der Natur wird nur rund um die Produktionsstätte ihr Willen gelassen.
Das Restaurant und Herrenhaus sind zwar nicht so beeindruckend wie bei der Konkurrenz, doch ist St. Aubin auch die kleinste der drei besuchten Destillerien und produziert in diesem verschlafenen Winkel von Mauritius primär für den heimischen Markt. Der Konkurrenz ähnelnde Abfüllungen erreichen nicht ganz deren Qualität, sind dafür aber für die lokale Bevölkerung erschwinglich.

Rundum Rhum

Unterm Strich kann Mauritius sowohl als Strandparadies als auch für eine Destilllerie-Entdeckungstour herhalten. Die freundliche, aufgeschlossene und hoch gebildete Bevölkerung versucht zwar, aus den Zuckerrohrfeldern heraus zu kommen, doch gibt es einen spürbaren Zug hin zu hochwertigem Rhum Agricole mit lokalem Kolorit. Kostenswert auf Englisch und Französisch – am besten jedoch ohne Zyklon!

Credits

Foto: Shutterstock

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