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Freiraum

„Viele trauen sich nicht, etwas selbst in die Hand zu nehmen.“

Seit 2013 betreibt der 36-jährige Mehmet „MemoImrak die Bar-Kneipe Freiraum und ist so auch Mitbegründer der Bamberger Barszene. Im Interview verrät er, was das Geheimnis der dortigen Barkultur ist und warum Freiräume für ihn so wichtig sind.
Seit ein paar Jahren bereichern Bars wie das Schwarze Schaf, der Plattenladen sowie das Mini-Imperium von Till Deininger mit dem Dude, dem Kawenzmann und dem Schluckspecht die Bamberger Barkultur und machen diese auch aus.
Fester Bestandteil dessen ist auch das Freiraum von Mehmet Imrak, angesiedelt in einem dieser wunderschönen, fränkischen Fachwerkhäuser. MIXOLOGY ONLINE hat den sympathischen Hausherrn vor das Mikrofon gebeten.

Mehmet, man kann sich die Bamberger Barszene ohne Dich kaum vorstellen. Dabei sparst Du Dir die großen Wettbewerbe – was bedeutet es für Dich, hinter dem Tresen zu stehen?

Mehmet Imrak: Ich bin vor über zehn Jahren von Nürnberg nach Bamberg gezogen – nachdem ich bis 2003 noch in Istanbul gelebt habe und in Deutschland studieren wollte. Zunächst hatte ich wahnsinnige Orientierungsprobleme, die verschwanden aber, als ich anfing, in einer Bar zu arbeiten: Hinter dem Tresen zu stehen, bedeutet für mich in erster Linie, eine Art Safe-Place zu haben sowie auch die Möglichkeit, in Ruhe auf Menschen einzugehen. Zu Wettbewerben wie Made in GSA fahre ich als Gast zur Inspiration, aber was bringt es mir, mitzumachen? Wir würden dadurch nicht mehr Umsatz machen, und meine Gäste sind ja hier vor Ort und nicht in Berlin oder Basel.

Teil des Freiraums ist auch das Café Krumm & Schief …

Mehmet Imrak: Als wir hier die Räumlichkeiten mieteten, war klar, dass wir auch den unteren Teil sowie den Innenhof dazu nehmen müssen. Und darüber war ich sehr glücklich, hat ein Café noch mal eine andere Atmosphäre des Zusammenseins: So haben wir einen Kamin einbauen lassen, den wir hier oben natürlich nie haben könnten. Das Haus ist sehr alt, und Feuer gepaart mit Alkohol ist keine gute Mischung. Allerdings sind wir organisch gewachsen, wir haben mit dem Freiraum angefangen und vor zwei Jahren dann das Café eröffnet.

Als Ihr das Freiraum aufgemacht habt, steckte die Bamberger Barszene noch in den Kinderschuhen. Wie seid Ihr mitgewachsen?

Mehmet Imrak: Das waren noch ganz andere Zeiten. Wir hatten damals beispielsweise sechs Drinks auf der Karte, die allesamt auf Bourbon-Basis waren. Die wollte aber eigentlich niemand haben, stattdessen wurde oft nach einem Moscow Mule gefragt, den ich gar nicht kannte. Ich bin ja kein gelernter Bartender und habe mir alles selbst beigebracht. Nachdem ich mir ein Rezept besorgt hatte, habe ich mich gleich daran gemacht, eine Ingwerlimonade aufzusetzen. Meinen Gästen wiederum habe ich dann erklärt, wie ich den Moscow Mule genau mache, das sah für jemanden von außen bestimmt komisch aus, aber die Leute kannten einfach wenig. Heute kommen sie und fragen gezielt nach einem Drink.

Ist das ein genereller Umschwung?

Mehmet Imrak: Das ist die heutige Zeit. Wenn wir vor 20 Jahren mit dem Konzept hier aufgemacht hätten, wären wir gescheitert. Heute leben viele junge Menschen gesund, treiben Sport und gehen früher schlafen als sich zu besaufen, wie es noch vor ein paar Jahren der Fall war. Dementsprechend möchten sie auch etwas mit Qualität trinken und informieren sich über die Inhaltsstoffe. Gleichzeitig kommen Trends bei uns spät an; wenn man mal nach Nordeuropa schaut oder Berlin, kann man sich ja ungefähr vorstellen, was die nächste Welle, der nächste Trend, sein wird. Am wichtigsten für mich ist der Austausch mit meinen Gästen, ich bin wahnsinnig gerne Gastgeber. An Anfang hieß es immer „Der Kunde ist König“, das ist vollkommener Quatsch. Die Bar ist wie mein Wohnzimmer. Deshalb haben wir auch Spiele hier, einen Kicker und verkaufen auch Bier. Die Leute sollen zusammenkommen und sich unterhalten und dabei das trinken, was sie möchten.
Imrak

Bamberg ist einerseits eine Studentenstadt, andererseits bekommt man von Franken wenig mit. Welche Freiräume braucht es hier?

Mehmet Imrak: Man wird hier schnell schräg angeschaut, und viele trauen sich nicht, etwas selbst in die Hand zu nehmen und einfach zu machen. Wir wollten einen Gegenort dazu schaffen, wo die Leute wissen, es ist völlig in Ordnung, so zu sein, wie sie eben sind. Und das geht uns ja auch so: Es gibt wenige Ausgehmöglichkeiten. Ich höre total gerne Musik oder mag kulturelle Veranstaltungen, also machen wir das hier auch; um den Freiraum auszunutzen und unterschiedlich zu füllen.

Ist es dieser unkonventionelle Ansatz auch, der Euch als Szene ausmacht ?

Mehmet Imrak: Wir sind einfach mit Amateurgeist an alles herangegangen  – aus purem Eigeninteresse und Neugierde. Dazu kam noch ein bisschen Glück: Als wir 2013 aufgemacht haben, hatte kurz zuvor der Dude eröffnet und kurz danach das Schwarze Schaf. Besonders professionell waren wir alle noch nicht. Dann kam der Moritz Niederstrasser und hat den Plattenladen aufgemacht, eine große Studentenwelle kam dazu und plötzlich gab es eine Szene, die wahnsinnig lebendig war. Wir hatten ja auch nichts zu verlieren. Keiner von uns war bekannt oder arbeitete in einer großen Bar. Was vor allem bedeutete, dass wir so viele Fehler machen und uns ausprobieren konnten, wie wir wollten, weil es ja eigentlich auch niemanden interessierte.

Und heute seid Ihr aus den größeren Wettbewerben nicht mehr wegzudenken …

Mehmet Imrak: Es hat sich einiges verändert, wir werden teilweise auch zu ernst genommen. Aber nach wie vor unterstützen wir uns, sagen Bescheid, wenn wir an etwas Neuem sitzen, laden zu Tastings ein und geben ehrliche Kritik. Schwer nachvollziehbar sind unsere niedrigen Preise für Nicht-Bamberger, das liegt natürlich auch daran, dass die Studierenden hierher kommen sollen, und ich persönlich habe auch gar keine Lust auf ein bestimmtes Klientel. Ab Ende März brauen wir z.B. auch ein eigenes Craft Beer. Das wollte ich schon lange machen, wobei es auch nicht so leicht ist hier, weil zu teuer und die Leute es nicht unbedingt trinken. Aber wie schon mit unseren Drinks werden wir die Gäste einfach langsam daran gewöhnen. Uns soll ja schließlich auch nicht langweilig werden.

Credits

Foto: keine Angabe

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