Mein Brauereivertrag und Ich
Finanzen und Vertragswesen in der Gastronomie sind hin und wieder etwas schwer verdaulich. Grund für uns, einmal das vorwiegend deutsche Phänomen der Brauereifinanzierung zu beleuchten und gerade potenziellen Gründern einige Hinweise und Beachtenswertes mit auf den Weg zu geben.
Den Gürtel etwas enger schnallen! So lautet seit einiger Zeit die Devise bei den großen Brauereien und Brauereikonzernen in Deutschland. Das Geld sitzt nicht mehr so locker wie noch vor einigen Jahren. Die Bierabsätze stagnieren und niemand möchte erahnen, wie viel das Phänomen Craft Beer tatsächlich vom großen Kuchen abknapsen können wird.
Damit nicht genug. Bei fünf großen Brauereien steht in diesem Jahr auch noch ein hausgemachtes, dickes rotes Minus in Millionenhöhe in den Bilanzen, weil illegale Preisabsprachen Anfang 2014 vom Bundeskartellamt mit insgesamt mehr als 300 Millionen Euro Bußgeld geahndet wurden. Die fetten Jahre scheinen vorbei. Und das merken nun mitunter auch Existenzgründer in der Gastronomie.
Woher nehmen?
Bisweilen gelten Brauereien als recht spendabel, wenn es um die Finanzierung von Träumen der gastronomischen Selbstständigkeit geht, bei denen Banken mit Verweis auf ein zu hohes Risiko, mangelhafte Businesspläne oder schlechte Schufa prinzipiell ablehnen.
Das große Brauhaus springt in die Bresche und nimmt die einst werbefreie Seele im Tausch gegen Startkapital und ein paar Werbekostenzuschüsse in Form von Stühlen, Sonnenschirmen und leuchtenden Beschilderungen. Ein Prinzip, das seit Jahren funktioniert, von der Eckkneipe bis zum Restaurant.
Inzwischen jedoch sind auch die Brauereien wählerischer, gar vorsichtiger geworden und wiegen den gegenseitigen Nutzen eines Darlehns genauer ab.
Branchenprimus Anheuser-Busch-InBev vergibt „seit 2010 nur noch Abschreibungsdarlehen, also mit einer Tilgung des Darlehns durch den Bierverkauf, ohne Raten und Zinsen“, berichtet Holger Ohme, Vertriebsmitarbeiter bei AB InBev. Und erklärt weiter: „So ist das Risiko für uns geringer, da auch die Geldmittelbindung kleiner ist. Eine Ausfallwahrscheinlichkeit besteht zwar weiter, diese ist aber ebenfalls geringer als bei einem reinen Tilgungsdarlehen.“
Scheitern schadet beiden Parteien
Dass dies inzwischen gängige Praxis ist, weiß auch Matthias Hentschler. Der Betreiber der Berliner Bars Sloppy Joe’s und Butcher’s zeigt sich über die Brauereiunterstützung vor allem dankbar und versteht „die Angst, sich zu binden“, die bei vielen Kollegen grassiert, nur teilweise.
„Gerade als kleine Gastronomie hilft es sehr, eine Brauereigruppe zu finden, die dir viel gibt“, erklärt Hentschler und fügt hinzu: „Wenn du von Hause aus einfach weniger Kapital mitbringst, ist es falsch, die Brauerei von vornherein als Feind zu sehen. Schließlich kann man mit den Leuten auch verhandeln.“
Und gerade dieses Verhandeln gewinnt in der letzten Zeit für beide Parteien an Bedeutung. Angebot und Nachfrage regeln die Inhalte des Bierbezugsvertrags und je nach Sinnhaftigkeit, Mehrwert, Bedarf und der allgemeinen Situation ergeben sich somit auch die jeweiligen Bedingungen. Wer ein gutes Konzept vorlegen kann und bereits Erfahrung auf der Bühne der Nacht vorweist, bringt sich und sein Projekt in eine bessere Position und kann sich die Partner auf Brauereiseite mitunter aussuchen.
Kommt es dann zum Aufsetzen eines Schankvertrages, „gibt es zum Einen durch das Unternehmen festgelegte Spielregeln, Verfahrensweisen und ein eindeutiges Vertragswerk“, sagt Ohme. „Das Unternehmen stellt uns dann einen betriebswirtschaftlichen Berater zur Seite und wir möchten Einsicht in Unterlagen wie Rentabilitätsvorschau, Umsatzanalyse und weitere Planungen des Gastronomen. Darüber hinaus sind aber auch Erfahrungswerte durch meine eigene, frühere gastronomische Tätigkeit entscheidend“, umreißt er die Abläufe weiter.
Aus Fehlern lernen
Und dennoch platzen viele finanzierte Träume, und einige Brauereien müssen überfüllte Lagerräume mit dem einst als Gegenwert und Sicherheit gedachten Barinterieur gescheiterter Projekte unterhalten. Zudem werden nicht selten, und gerade bei größeren Summen, auch andere Sicherheiten durch den Gastronomen gestellt.
Dies sind immer öfter Bürgschaften des Getränkefachgroßhandels, Lebensversicherungen oder auch der im Übereifer gekaufte,Sportwagen.
Präventiv bleiben einem dabei nur gute Vorbereitung, die möglichst genaue Errechnung der Absatzmenge und vor Vertragsabschluss in schwierigen Fällen eventuell sogar die Konsultation eines Anwalts. Eine Maxime, die auch die Brauereiseite vertritt, um ihr Risiko zu minimieren. „Man kann im Vorfeld gern über alles sprechen. Was aber schriftlich fixiert ist, sollte dann auch umgesetzt werden“, erklärt Holger Ohme und verweist zugleich darauf, dass es jedoch „bei groben Verstößen eindeutige Regelungen im Vertragswerk gibt“. Diese Regelungen sind für gewöhnlich die Kündigung der Vereinbarung sowie die Rückzahlung des offenen Saldos.
Harte Bandagen
Die Anzahl der Beispiele für solch schwierige Fälle ist deutschlandweit bei ziemlich jeder großen Brauereigruppe aktenschrankfüllend. Und nicht selten steht, gerade bei Gesprächen unter Gastronomen, auch das Wort „Knebelvertrag“ im Raum, wenn es um die Finanzierung geht.
Wie fest jedoch die Daumenschrauben seitens der Brauerei angesetzt werden, liegt nicht zuletzt an der Darlehenshöhe und der finanziellen Ausgangssituation. Stimmt beides nicht, können auch nach Tilgung und Erfüllung des eigentlichen Vertrags mehrjährige Bezugsverpflichtungen und das Einhalten der Bezugswege aufgezwungen werden – alles bei weiterhin bestehender Gültigkeit der anfangs angegeben Sicherheiten.
Ein zwar rechtlich grenzwertiges Vorgehen, aber dennoch Praxis.
Zudem behalten es sich einige Brauereigruppen vor, bei verfehltem Absatz solang am Konzept mit herumzubasteln, bis der Ausstoß nach Unternehmenssicht stimmig ist. Der Gastronom lernt dann schnell, dass den längeren Arm, samt fütternder Hand, in den meisten Fällen die Brauerei hat.
Redet miteinander!
Damit es soweit gar nicht erst kommt, sei daher jedem empfohlen, sich um ein gutes Verhältnis zu seinem Vertreter zu bemühen und die Auswahl der Brauereigruppe weise zu treffen. Pils und Weißbier sind meist die hopfigen Zugpferde, es gibt allgemeingefällige und auch eher verschlossenere Sude. Eine Auswahl hier entscheidet nicht selten über Erfolg oder Misserfolg.
Darüber hinaus nützt bereits im Vorfeld gegenseitiges Verständnis beiden Partnern. „Man sollte vorbereitet in Gespräche gehen und nicht immer grundsätzlich vom Leitsatz ausgehen: wenn es die Bank nicht macht – macht es die Brauerei. Ich persönlich nehme ohnehin an, dass sich im kommenden Jahr die Finanzierungsgewohnheiten bei allen Braugruppen weiter verändern werden“, meint Ohme.
Ein Punkt, den auch Matthias Hentschler beobachtet und deutet: „Das vorwiegend deutsche Phänomen der Brauereifinanzierung wird von den internationalen Konzernen in Bezug auf die zentralen Budgets immer kritischer gesehen. Ich kann verstehen, wenn sie das eventuell zurückschrauben.“ Neue Probleme für Gastrogründer sind dann inbegriffen.
Letztlich zählt neben allen Geschäften, Verträgen und Problem aber auch das persönliche Verhältnis. „Es kann wirklich Spaß machen!“, lacht Matthias Hentschler. „Vor allem, wenn du bei deinem Vertreter erstmal einen Platz im Herzen gefunden hast. Der rollt zwar immer mit den Augen, wenn er in meinen Laden kommt und neben seinem auch ein unabhängiges Bier sieht, aber Ärger gibt es deswegen nicht.“