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Ming River Baijiu Cocktail

Ming River Baijiu bringt das chinesische Traditionsdestillat nach Europa

Baijiu hat trotz komplexer und ungewöhnlicher Aromatik keinen relevanten Platz auf den hiesigen Cocktail-Karten. Ming River Baijiu möchte das ändern. Peter Eichhorn wirft einen Blick auf die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte der Marke, die mit einem deutschen Expat und einer kleinen Bar in Peking beginnt.
Lasst uns einen Baijiu trinken! Einen was? Tatsächlich ist das Traditionsdestillat aus China trotz einer komplexen und ungewöhnlichen Aromatik ein ausgewiesener Nebenakteur in den Rückbüffets hiesiger Bares. Könnte sich dies ändern? Das wird sicher nicht so einfach, aber der Wunsch, die Spirituose verstehen zu wollen, ist eine hervorragende Grundlage, der Faszination und den Besonderheiten des Destillats, dessen Name „Weißer Alkohol“ bedeutet, auf den Grund zu gehen.
Das magische Qu
Gerne bildet Sorghum Hirse die Grundlage des Destillats. Unumgänglich dazu das mysteriöse und beinahe magische „Qu“, jene Mischung aus Getreide, Hefen und Mikroorganismen, die auf wundersame Weise für Destillation sorgt. Jede Destillerie verfügt über ein eigene Qu-Kultur, die sich allesamt aromatisch unterschiedlich auswirken und aus denen ein großes Geheimnis gemacht wird. Wenn es ein Außenstehender jemals zu Gesicht bekommt, dann höchstens in der pulverisierten Form, die für den Brennvorgang entsprechend aufbereitet ist.
Eine prächtige Einführung in die Geschichte und Fertigung des chinesischen Nationalgetränks gab vor geraumer Zeit bereits an dieser Stelle Philipp Gaux. Knapp zwei Jahre später können wir nun an seine Eindrücke anknüpfen, denn vier pfiffige Baijiu-Liebhaber, die sich in China kennenlernten, bringen Baijiu nun auch den Mitteleuropäern näher. MIXOLOGY ONLINE traf zwei Mitglieder des Viergespanns von Ming River Baijiu in der Stadt der Quadriga, um mehr von ihrer Marke zu erfahren.
Ming River Baijiu Cocktail

Destillats-Dolmetscher und Baijiu-Liebhaber

„Wir sind Dolmetscher. Wir übersetzen dieses typisch chinesische Produkt, so dass es die Menschen im Westen verstehen können“, erklärt Matthias Heger. Er ist in der deutschen Spirituosenlandschaft kein Unbekannter, gründete er doch vor fünf Jahren die Marke „Westkorn“ und zählte damals zu den Pionieren des Doppelkorn-Revivals, dessen Früchte wir heute verstärkt an den Bartresen erleben dürfen.
Sein Kornprojekt koordinierte der studierte Sinologe größtenteils von China aus, wo er als Wirtschaftsberater tätig war. Der Gedanke, Westkorn an chinesische Konsumenten heranzuführen, brachte ihn auf die Idee, eine Bar in Peking zu eröffnen. Den Gedanken entwickelte er mit Bill Isler weiter, der damals die dortige Cocomo Bar betrieb und der heute der CEO von Ming River Baijiu ist.
Am Ende wurde daraus die kuriose Erfolgsgeschichte einer Baijiu-Bar. Heger erinnert sich: „Möglicherweise war die Idee Ausdruck einer Midlife Crisis, aber in einem Hutong (traditionelle Gassen-Siedlung, Anm.) wurde eine Hütte frei, in der vorher ein Kiosk und Prostituierte ihre jeweiligen Dienstleistungen angeboten hatten. Der Vermieter meinte, es ist kein Problem mit einer offiziellen Lizenz, was dann aber doch nicht so war, und so wurde es eine illegale Bar. Aber wir stellten uns freundlich mit den Polizisten. Es lief ziemlich zäh an. Unsere Freunde kamen nicht, weil wir kein Essen hatten. Baijiu wird in China üblicherweise zum Essen serviert.“

Ming River Baijiu und die Krise als Chance

Eigentlich wird es eher gesoffen. Getrunken wird Baijiu aus winzigen 1cl-Gläschen, und in der Regel wird eine angebrochene Flasche auch am selben Abend geleert. Der Durchbruch für die sonderbare Bar, die Baijiu auch und insbesondere als Cocktails verarbeitete – in China sonst eher unüblich -, kam durch einen Journalisten des Wall Street Journals.
Dieser schrieb über die verrückten Ausländer, die Baijiu liebten und anders servierten als alle anderen. Eben als Cocktail. In der Folge kamen immer mehr Journalisten und dann auch immer mehr Gäste. „Zu Beginn kamen 70% Ausländer und 30 % Einheimische. Heute ist es umgekehrt“, erinnert sich Heger. „Aber die Einblicke, wer welchen Geschmack von Baijiu bevorzugt, half uns sehr bei der Entwicklung unserer eigenen Marke.“
Zeitgleich recherchierte nach seinem Philosophie-Studium der Amerikaner Derek Sandhaus zu Themen der chinesischen Geschichte und Kultur. Er verfasste Bücher zum historischen Peking und zu Hongkong, bevor das Thema der Getränkekultur und 9.000 Jahre alter Alkoholtradition im Reich der Mitte seinen Weg kreuzte. Er schlug dem Verlag Penguin Books ein Buch zum Thema Baijiu vor. Der Verlag begriff rasch, dass eine Publikation in Form einer Einführung für den westlichen Leser noch überhaupt nicht verfügbar war und stimmte dem Projekt zu. Das Ergebnis war Sandhaus’ Buch “Baijiu: The Essential Guide to Chinese Spirits”. Bei einer Buchpräsentation lernte er seine heutigen Ming River Kollegen kennen und man freundete sich an.
Ming River Baijiu Cocktail

Baijiu im Westen zu unbekannt für hohe Preise

Begleitet wurde die Bareröffnung und das Baijiu-Interesse der Freunde von der größten Krise der Baijiu-Industrie in China. Die neuen Anti-Korruptions-Gesetze von 2013, die sich auch auf Cognac- und Whisky-Marken auswirkten, sorgten für Einbrüche bei den Verkaufszahlen im Bereich von 50 – 70%.
„Die Industrie wurde auf uns aufmerksam, weil wir eine Zielgruppe bedienten, die normalerweise keinen Baijiu trinkt“, berichtet Heger. Sandhaus wurde als Berater für einige Marken tätig, die nun verstärkt Märkte im Ausland erobern wollten. Viele dieser Versuche scheiterten, denn sie bemühten sich um das Hochpreis-Segment, aber in der westlichen Welt war die Kategorie viel zu unbekannt, als dass jemand 100 oder 150 Euro für einen Baijiu zahlen würde.
„Dann erhielt ich einen Auftrag meiner Lieblings-Marke Luzhou Laojiao aus Sichuan. Diese stellt heute unseren Ming River Baijiu her“, so Sandhaus.

Ming River Baijiu kommt im schweren Stil

Der Entschluss war geboren, einen eigenen Baijiu für den westlichen Markt zu fertigen. Klar war dem Team, zu dem nun auch Simon Dang zählte, der die „Capital Spirits Bar“ mitbegründet hatte, dass dieser folgende Kriterien erfüllen musste: Er musste a) in Cocktails funktionieren und b)einfach zu handhaben sein, mit einem verständlichen und eingängigen, westlichen Namen. So chinesisch wie möglich, so international wie nötig.
In zahlreichen Verkostungen und Sitzungen mit dem Master Blender der Luzhou Laojiao Destillerie entschieden sie sich für den „Schweren Stil“, der mit 70% Anteil an der Produktion der beliebteste ist und gerne Noten von Ananas, Anis, floralen Anklängen und auch einem funky Hauch Käse aufweist. Daneben existieren noch die Baijiu-Stile Reis, Leicht und Soße.
Die beiden Unternehmer berichten: „Wir haben etliche Blends ausprobiert und mit New Yorker Bartendern verkostet und gemixt. Mit ihrem Feedback haben wir unseren Blend immer weiterentwickelt. Uns war es wichtig, ein authentisches Erzeugnis zu machen. Unser Ming River Baijiu würde man auch in China trinken.“

Innovativ und gewöhnungsbedürftig

Heute stellen die Ming-River-Macher auf ihren Vorträgen nicht nur ihr eigenes Produkt vor. Sandhaus und Heger erläutern: „Erst wenn die Leute die Kategorie und die unterschiedlichen Qualitäten verstehen, werden sie Baijiu als Destillat begreifen und angemessen handhaben können. Viele Artikel über Baijiu wurden von Leuten geschrieben, die Baijiu nicht mögen oder nur in Peking waren und dort lediglich mit dem Light Style in Berührung kamen. Baijiu ist nicht gleich Baijiu. Wir werden mit Ming River Baijiu erst erfolgreich sein, wenn die gesamte Kategorie erfolgreich ist, deswegen sind wir mit vier Produkten unterwegs. Und wir freuen uns, dass Bartender in USA und Europa bereits fasziniert mit unserem Produkt arbeiten!“
Dem kann man sich nur anschließen. Am besten mit ein paar Rezepten.

Credits

Foto: Ming River

Comments (1)

  • Old Tom

    Klingt interessant. Die Rezepte sind aber schon sehr speziell, da ist es mit dem Kauf der Flasche Baijiu (in meinem Fall) leider nicht getan.

    reply

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