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Nonino ist die Nummer Eins im Mixology Taste Forum Williams-Birne

Das Traditionsunternehmen Nonino ist die Nummer Eins im Mixology Taste Forum Williams-Birne

Unter allen traditionellen Obstbrand-Gattungen ist Williams-Birne ganz klar die große einende Sorte des deutschsprachigen Raums. Von Baden bis nach Südtirol existiert eine faszinierende Vielfalt und Breite an Bränden aus dem bekanntesten Spirituosen-Kernobst. Das MIXOLOGY Taste Forum hat sich einen gewichtigen Querschnitt vorgenommen. Am Ende gab es mit Nonino aber einen Überraschungssieger aus Italien.

Dieser Beitrag erschien erstmals in der Print-Ausgabe Mixology 2-2022. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er inhaltlich gekürzt und formal angepasst. Informationen zu einem Abonnement findet sich hier, Bestellungen einer Einzelausgabe findet sich hier.

Das Thema Obstbrand trifft auf viel Interesse, gerade Kolleg:innen aus Österreich und Süddeutschland sind bestens mit der Materie vertraut. Was das Thema Brände in Cocktails anbelangt, gebe es noch viel Ausbaupotential, darüber ist man sich einig. Zwar seien Produkte wie Williams durchaus in der Gastronomie präsent, allerdings eher in Restaurants, insbesondere im Süden Deutschlands. Auf Barkarten und in Cocktails sind sie nach wie vor unterrepräsentiert. Manchen dürfte der Einstieg ins Thema allein aufgrund des riesigen, unübersichtlichen Angebots an Herstellern und Abfüllungen schwerfallen.

Für diese Ausgabe des MIXOLOGY Taste Forums hätten sicherlich auch 20 oder 30 relevante Produkte zusammenkommen können, die Auswahl fällt nicht leicht. Und doch lohnt sich die Auseinandersetzung mit der Thematik. Johannes Schellhorn serviert in der Bar Freundschaft beispielsweise gleich mehrere Birnenbrände als „Inbetweenitif“ – ein kleiner alkoholischer Zwischengang. Eine schöne Art, Gäste an das Thema heranzuführen und Vorstellungen vorgefertigter Geschmacksbilder aufzubrechen. Wer Williams bestellt, der will vor allem pures, unverfälschtes Birnenaroma. Aber was heißt das eigentlich? Die Aromenvielfalt ist hierbei größer als meist vermutet wird.

Birnenbrand harmoniert in vielen Cocktails

In Drinks funktioniert Williams-Birne etwas anders als pur. Hier suchen unsere Verkoster:innen nach einem aromatisch intensiven Allrounder mit guter Preis-Leistung. Sehr filigrane Noten können in Drinks schnell untergehen. Dafür funktionieren aromatische Brände hervorragend als Modifier in Drinks. Je nach Intensität reicht schon ein Barlöffel, das macht den Einsatz in Cocktails gut kalkulierbar, auch wenn die Flasche etwas mehr kostet.

Birne an sich ist ein Geschmack, der in vielen Cocktails hervorragend harmoniert, zum Beispiel mit Pisco, Mezcal, Wermut oder in Sours. Gerade der Trend zu authentischen Spirituosen und regionalen Aromen dürfte Edelbränden in die Hände spielen. Es fällt kaum eine zweite Spirituose ein, die so eine große aromatische Vielfalt abdeckt, kulinarisches Erbe erhält und Terroir erfahrbar macht. Wer sich auf das Thema einlässt, wird mit einer großen, nahezu exotischen Aromenwelt vor der eigenen Tür belohnt.

Nonino aus Norditalien können augenscheinlich nicht nur Grappa und Amaro, ihr Williams kann vielleicht sogar als Überraschungssieger bezeichnet werden. Intensiv fruchtig und zugleich fein und klar in der Nase, mit Birnenkompott, Lilie und einer schönen Frische. Am Gaumen reife Williams und Honig, eine schöner Balance. Im Nachhall etwas Dörrobst.
1. Platz – Il Pirus die Nonino (96 Punkte): Das Traditionsunternehmen aus Norditalien kann augenscheinlich nicht nur Grappa und Amaro, sein Williams kann vielleicht sogar als Überraschungssieger bezeichnet werden. Intensiv fruchtig und zugleich fein und klar in der Nase, mit Birnenkompott, Lilie und einer schönen Frische. Am Gaumen reife Williams und Honig, eine schöner Balance. Im Nachhall etwas Dörrobst.
Seit 1889 gibt es das Haus Morand, den Hersteller dieses eleganten Brands aus der Schweiz. In der Nase dominieren weiße Blüten, Bienenwachs und etwas Limette. Im Mund bleibt der Eindruck floral, dazu kommt Honig, Wiesenkräuter und gelbe Williams, die im Abgang an Präsenz gewinnt. Ein spannender Verlauf und somit verdient auf dem 2. Platz.
2. Platz – Morand Williamine (94 Punkte): Seit 1889 gibt es das Haus Morand, den Hersteller dieses eleganten Brands aus der Schweiz. In der Nase dominieren weiße Blüten, Bienenwachs und etwas Limette. Im Mund bleibt der Eindruck floral, dazu kommt Honig, Wiesenkräuter und gelbe Williams, die im Abgang an Präsenz gewinnt. Ein spannender Verlauf und somit verdient auf diesem Platz.
Faude feine Brände landet als bestplaziertes deutsches Haus auf unserer Liste auf dem 3. Platz. Die Williams-Christ-Birne riecht fruchtig, ätherisch und frisch nach grüner Birne. Beim Antrunk setzen sich kernige Aromen durch, die Frucht wirkt nun reifer. Ein vollmundiger Williams mit toller Textur und langem, angenehmen Finish.
3. Platz – Faude Williams-Christ-Birne (91 Punkte): Faude feine Brände landet als bestplaziertes deutsches Haus auf unserer Liste auf dem 3. Platz. Die Williams-Christ-Birne riecht fruchtig, ätherisch und frisch nach grüner Birne. Beim Antrunk setzen sich kernige Aromen durch, die Frucht wirkt nun reifer. Ein vollmundiger Williams mit toller Textur und langem, angenehmen Finish.

Hohe Menge an Ausgangsmaterial

Die Brände selbst werden saisonal produziert. Obst ist bei Weitem nicht so lagerfähig wie Getreide und muss schneller verarbeitet werden. Williams-Birnen müssen bei der Ernte komplett ausgereift sein und dürfen zugleich keinerlei faule Stellen haben, das wäre im Endprodukt deutlich schmeckbar. Folglich gibt es nur ein kurzes Zeitfenster für Ernte und Verarbeitung.

Für Brände braucht man außerdem ziemlich große Mengen des Ausgangsrohstoffs: Beim vorliegenden Beispiel Williams-Birne ist für einen Liter Brand meist von 12 bis 20 kg Birnen die Rede. Um Gerbsäure im Destillat zu vermeiden werden Stiele, Schale und Kerne vom Fruchtfleisch getrennt, eine aufwendige Prozedur. Die Früchte werden dann eingemaischt, der Zucker für die Fermentation muss zu 100% aus der Frucht stammen.

Brände müssen in neutralen Behältern lagern

Die Maische wird nach der Fermentation bei 12 bis 20°C vergoren, das kann sich über Tage, Wochen oder sogar Monate ziehen. Als Hilfsmittel können Reinzuchthefen, Enzyme oder Säuren zugegeben werden. Destilliert wird anschließend in der Pot Still oder in einer Art Kombination aus Pot Still und kurzer Column Still. Im ersten Fall wird zweimal destilliert, im zweiten Fall reicht ein Brenndurchgang. Für ein optimales Aroma wird der Mittellauf des Destillats mit weichem Wasser verschnitten und so auf etwa 42 bis 45% Vol. gebracht.

Doch damit ist man noch nicht am Ziel: Brände müssen Monate und teils sogar Jahre in neutralen Behältern aus Glas, Stahl oder Steingut lagern, um ihre Aromen auszubilden und sich zu homogenisieren – man spricht in diesem Fall aber ausdrücklich nicht von Reifung. Vom Massenprodukt ist man hier also weit entfernt. Edelbrände sind Kraft ihrer Definition praktisch immer Craft-Spirituosen und dadurch auch etwas teurer als viele andere Bar-relevante Produkte. Zugleich wird ihre Relevanz und Vielfältigkeit vielleicht unterschätzt.

Die eine Williams-Birne gibt es nicht

Etwa 1.500 Variationen Williams-Birne gibt es Weltweit. Über 700 Arten werden allein in Deutschland angebaut. Dazu lassen sich noch zahlreiche andere Birnen brennen, wie die Wahlsche Schnapsbirne, Champagner Bratbirne, Schweizer Wasserbirne oder Stuttgarter Geißhirtle. Schätzungsweise 5.000 Birnensorten gibt es weltweit. Zum Vergleich: Mezcal kann aus etwa 50 Agavenarten gebrannt werden.

Im Übrigen unterstützt man mit dem Kauf von heimischen Bränden man nicht nur kleine, traditionelle Betriebe. Man kann so auch den Erhalt alter Obstsorten und des Biotops Streuobstwiese unterstützen, indem man sie rentabel macht. Gerade in einer Zeit, in der Themen wie Regionalität und Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist das nicht unwichtig.

Ein weiterer spannender Denkansatz ist in diesem Zusammenhang das bereits erwähnte Terroir. Das Aroma der Birnen ist von der jeweiligen Sorte, aber auch von Klima, Boden und Landschaft abhängig. Brände können nur einmal im Jahr aus der aktuellen Ernte hergestellt werden, von Jahr zu Jahr schmecken sie unterschiedlich. Diese Faktoren sind im Grunde mit dem Terroir-Verständnis von Wein vergleichbar. Voraussetzung dafür ist, dass man sortenrein Obst einer Region verarbeitet und nicht dazukauft. Manche Brenner:innen versehen ihre Flaschen bereits mit Jahrgängen, wie im hier präsentierten Tasting Humbel oder Etter.

Die Aussicht in dieser Kategorie bleibt also spannend.

Die Verkostung für das MIXOLOGY Taste Forum fand in der Green Door Bar in Berlin statt, anwesende Verkoster:innen waren Johannes Schellhorn (Bar Freundschaft), Arun Puvanendran (Kink), Agata Wisniewska (Goldfisch), Ben Hanke (Velvet), Walter Bruch (Green Door) und Stefan Adrian (Mixology).

Credits

Foto: Editienne

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