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Die MIXOLOGY-Verkostungsrunde August 2015

Rum mit Revolte, zurückkehrender Vodka, ein fantastischer Kakao-Brand oder doch der vielleicht exklusivste Gin aus GSA-Land? Die Verkostungsrunde tritt zusammen. Außerdem dabei: der brandneue Faradai Likör und das gewagte Selo Soda aus Kaffeekirschen. Es verspricht, eine aromatische Runde zu werden.

Das schöne an unserer allmonatlichen MIXOLOGY-Verkostungsrunde: genügend Produkte stehen stets zur Auswahl. Der Nachteil: jeden Monat muss eine Auswahl getroffen werden. Wenn man nur vorher wüsste, was einen erwartet? Für den August können wir jedoch voller Zufriedenheit sagen: eine farbige, spannende Runde mit Produkten, die ihre Kategorien infrage stellen und neu definieren wollen. Und noch eine Besonderheit: alle Produkte der Verkostungsrunde stammen diesmal aus GSA-Land. Doch lesen sie selbst, was wir bei unserem Streifzug durch die spirituellen Weiten der Heimat herausgefunden haben. Cheers!

Homecoming Vodka

Wo hört Obstbrand auf und wo beginnt Vodka? Diese Frage könnte man stellen, wenn eine Flasche des aus Heidelberg kommenden Homecoming Vodka auf dem Tisch steht. Denn gebrannt ist das Destillat mit 40 % Vol. aus Äpfeln. Keine Frage, laut Definition darf Vodka auch aus Früchten hergestellt werden. Sollte also eher der Grad der Rektifikation für die Einordnung als Vodka sorgen? Die Flasche des Homecoming sagt jedenfalls ausdrücklich: Premium, da will ich hin: eine kompakte, schwere Flasche mit leicht konischer Form, edlem Glasstopfen und minimalistischem, quadratischen Etikett, die so auch einem New Western Gin Asyl bieten könnte.

Der Inhalt wiederum verhehlt seine Herkunft keinesfalls. So dringt ein voller Apfelduft mit leichten Anklängen von Kornblumen und Phenol in die Nase, bevor der Vodka am Gaumen die Granny-Smith-Walze noch etwas kraftvoller und mit dezenter, Vodka-typischer Süße auffahren lässt. Ein sehr sauberes Produkt, dem allerdings sein Label zum Verhängnis werden könnte: denn der klassische Vodka-Trinker wird mit dem Homecoming nicht das finden, was er sucht. Und für den Einsatz in vielen Cocktails wirkt der Brand wiederum ein wenig zu filigran. Es sollen ja nicht nur Appletinis dabei herauskommen.

0,5 l
40 % Vol.
ca. 23 €

Revolte Rum

Viele Freunde hat dieser deutsche Rum schon gefunden an den heimischen Bars. Dazu dürfte zunächst das markante Packaging beigetragen haben. Die monolithische Flasche mit der elegant verlaufenden Mattierung und dem zurückhaltenden, wertigen Label samt rotzigem Monogramm ist nicht nur in sich ein gekonnter Stilbruch, sondern sie bricht auch den Ästhetik-Begriff der Gattung Rum komplett auf. Eine glatte „1“ für den Auftritt.

Und während ein ansehnliches, durchdesigntes Äußeres manchmal den Anschein erweckt, als wolle es vom Inhalt ablenken, ist der Revolte Rum eine wohltuende Abwechslung von diesem Trott. Zunächst überrascht ein volles Trauben-Aroma, das an einen Grappa oder Pisco erinnert. Hinzu treten Melasse-typische Noten von Muskat und ein wenig Piment, was fehlt, sind Töne von Kräutern oder Zitrus. Ein weißer Rum, der überraschend „dunkel“ duftet. Im Mund überzeugt der Revolte erst durch seine Ausgewogenheit, bevor die beim Nosing vermisste Fruchtnote gewaltig nachgereicht wird: ein „Kaugummi“-Moment im positiven Sinne überrollt die Verkoster mit deutlichen Aromen leicht überreifer Papaya, Mango und Banane, das alles mit einem eleganten, trockenen Finish. Besonders die Lust auf einen Revolte-Mojito kann kaum zurückgehalten werden. Ein weißer Rum, der jeden Penny wert ist.

0,5l
41,5 % Vol.
ca. 23 €

Ginn & Ginnie

Schon etwas länger im Umlauf, aber — wahrscheinlich auch aufgrund des mehr als hohen Preises — noch selten in Bars anzutreffen. Die beiden kleinen, schwarzen Apothekerfläschchen mit zweierlei verschwesterten Gin-Spielarten vom Bodensee haben das Zeug zum Polarisieren. Darf Gin soviel kosten? Denn selbst für heutige Preisgefüge ist ein Literpreis von umgerechnet ca. 275 Euro ein Schritt in eine empfindliche Richtung. Wer seine Cocktailspreise nicht in schwindelerregende Sphären hochkalkulieren will, der dürfte bei Ginn & Ginnie von vornherein skeptisch sein.

Die Aufmachung der Gins ist hingegen grandios und bleibt in jedem Falle hängen: zwei identische Flaschen, die sich nur in Beschriftung und Inhalt unterscheiden. Dazu ist der Korken elegant mit Schnur fixiert, damit der kostbare Inhalt ja nicht verloren geht.

Welchen Grund die Zweiteilung hat, scheint direkt klar: „Ginn“ möchte klassisch sein, während seine Begleitung „Ginnie“ moderne Gaumen zu becircen sucht. Ginn mit 51% Vol. spielt die Wacholderkarte selbstbewusst aus, nicht ohne dabei einem präsenten Bergamotte-Akzent sowie Grapefruitzeste und Rosmarin viel Raum zu lassen. Der Eindruck eines Parfums scheint nicht ungewollt.

Ginnie hingegen lädt zum Spaziergang vom Garten in den Wald ein: Gurken, Blüten, Fichtenzapfen, Moos, eine leicht beerige Note. Dabei ist Ginnie im Mund angesichts von 52% Vol. unheimlich mild, bekömmlich, aber auch hochkonzentriert und extraktreich. Überraschenderweise trotz des höheren Alkoholgehalts zugänglicher als ihr Bruder. Zwei sehr gute Produkte, die neben einer gewissen Exzentrik auch eine enorme Mixability mitbringen. Wenn da nur der Preis nicht wäre…

0,2 l
Ginnie: 52 % Vol.
Ginn: 51 % Vol.
je 55 €

Dactari Cacao Spirit

Bereits zuvor haben wir uns positiv über die Produkte aus dem Hause Dactari geäußert. Nach Vodka und Gin freuen wir uns also nun auf ein Produkt, dessen „Kategorie“ hierzulande bislang fast ausschließlich durch den Mozart Dry repräsentiert wird. Ein Kakaoschnaps, also kein Likör, soll es sein. Wünschenswert ist so etwas allemal — scheuen doch viele Bartender das Spiel mit Schokoladenaromen oft deswegen, weil die meisten einschlägigen Produkte zugleich eine immense, oft unnatürlich wirkende Süße mitbringen.

Nicht so beim Dactari, der es uns einfach macht. Das heißt zunächst: er duftet voll und betörend nach dunklem, aromatischem Kakao. Nicht nach Schokolade, sondern nach reinem Kakao. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Manchmal gibt es Fälle, in denen mangelnde Komplexität nicht langweilig, sondern fokussiert wirkt. Obwohl der Dactari dabei nicht ganz so knochentrocken ist wie das oben erwähnte Referenzprodukt, bleibt er schlank und filigran, mit feiner Bitterkeit. Nur eine mehr als verhaltene Süße trägt mit der Zeit zu einem leichten Eindruck von Nougat bei. Am Schluss mündet der Brand in ein cremiges Finish. Eine absolute Empfehlung!

0,5 l
35 % Vol.
ca. 36 €

Faradai

Manchmal kann es ganz einfach sein. So auch am Vortag dieser Verkostungsrunde: unerwarteter Besuch auf der Redaktionsterrasse. Dabei handelt es sich um den gelernten Koch Nicolas Wenz, der aus gesundheitlichen Gründen den Kochlöffel an den Nagel hängen musste. Im Gepäck: eine Flasche „Faradai“. Die Idee für das Produkt brachten Wenz und seine beiden Partner Felix Arhelger und André Athari von ihren weltweiten Reisen und den Inspirationen aus den Küchen der bereisten Länder mit. Besonderen Eindruck hat dabei die Blüte der Para-Kresse hinterlassen, die nun gemeinsam mit einer Schwarztee-Infusion das Rückgrat für den Faradai bildet, der bereits manches renommierte Rückbüffet in Deutschland ziert.

Der Faradai macht im Glas einen sehr naturbelassenen Eindruck, sowohl durch die rostbraune Färbung als auch durch die leichte Trübung. Offenbar verzichtet man hier auf kosmetische Eingriffe, die zu Ungunsten des Geschmacks ausfallen könnten. Dementsprechend ist das Bukett sehr reichhaltig, aber harmonisch: ein wenig Schokolade, Rosinen, Hefe, kandierte Orange und eine leichte Rauchnote, die fast an einen Lapsang-Souchong erinnert. Im Antrunk ist dann vor allem der Tee sehr präsent, positiv fällt außerdem die erdige Süße auf, die an Agave oder Ahornsirup gemahnt. Dazu kommt ein feines, zartes Prickeln auf der Zunge. Die Blüten scheinen sich vor allem in Form einer klaren Note von Eukalyptus und Enzian niederzuschlagen. Ein komplexer Likör mit dem Potenzial, einigen Klassikern neues Leben einzuhauchen.

0,5 l
35 % Vol.
ca. 28 €

Selo Soda (Kaffeekirschen-Drink)

Nicht die Kaffeebohne, sondern die komplette Kaffeekirsche kommt im Selo Soda zum Einsatz. Die Macher haben sich mit ihrem Produkt auf die Fahnen geschrieben, eben nicht den typischen Geschmack der gerösteten Bohnen, sondern das volle Aroma der ganzen Kaffeefrucht in einem alkoholfreien, belebenden Erfrischungsdrink abzubilden. Dafür werden die Kaffeekirschen zunächst getrocknet und dann verarbeitet. Einzige weitere Zutat sind laut Etikett frischer Saft aus Orangen und Zitronen. Die Flasche scheint liebevoll gestaltet und spricht eine zeitgemäße, aufgeräumte Sprache, die sich gut in die derzeitige Landschaft von Limonaden und ähnlichen Drinks einfügt.

Dabei riecht das Soda einer Mate-Limonade nicht unähnlich. Aromen von Tabak, Heu, Gras und Leder dominieren, flankiert von der Erwartung einer leichten Süße. Diese bleibt jedoch aus, sodass der Drink im Mund sehr stark auf die bitter-saure Seite zu kippen droht. Hier wäre tatsächlich das Gegensteuern mit einem minimalen Anteil Süße wünschenswert gewesen. Das Selo bleibt daher tatsächlich eher das, was es laut Label sein möchte: ein Soda (ähnlich z.B. der Tonic-Interpretation bei Golden Monaco). Für Freunde von Mate oder Cold Brew-Kaffee vielleicht eine spannende Alternative, dürfte es das Produkt in der Masse sehr schwer haben.

0,25 l
0 % Vol.
ca. 3,30 €

Credits

Foto: via S. Liewehr

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