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Volle Frucht voraus: Die MIXOLOGY-Verkostungsrunde im November 2022

Bei der letzten Verkostungsrunde in diesem Jahr gibt es viel Whiskey, aber auch viel Frucht. In die Gläser von Verkoster Marco Beier kommen Hermano Pisco Acholado, House of Natural Taste Velvet Mandarine, Stork Club Sakura Rye, Two Stacks Irish Whiskey und Angel’s Envy Port Finished Bourbon.

Hinweis: Die Verkostung basiert auf ausschließlich redaktioneller Basis. Die Flaschen wurden MIXOLOGY für die Verkostung unentgeltlich zur Verfügung gestellt oder ungefragt zugesandt.. Es erfolgt weder eine Einflussnahme auf die Bewertung, noch erfährt MIXOLOGY finanzielle Zuwendungen durch eine Veröffentlichung.

Pisco Acholado wie dieser von Hermano ist ein Blend aus verschiedenen Rebsorten
Pisco Acholado wie dieser von Hermano ist ein Blend aus verschiedenen Rebsorten

Hermano Pisco Acholado

Pisco kommt immer mehr aus seiner Nische heraus. Die Bargänger verlieren langsam ihre Scheu und probieren auch einmal einen anderen Drinks als den ewigen Pisco Sour. Vielleicht hilft es auch einfach, dass man Pisco nicht mehr als „südamerikanischen Grappa“ vorstellt, denn rein aromatisch haben beide Kategorien quasi nichts miteinander zu tun außer das Weintrauben in beiden Fällen das Ausgangsprodukt ist.

Pisco Acholado ist ein Blend aus verschiedenen Rebsorten und eine der Hauptsorten peruanischen Piscos. Die Verwandtschaft zum Wein zeigt sich bereits in der Flaschenform, die sehr stark an eine Weinflasche erinnert. Das schlichte, schwarze Etikett mit weißem „Hermano“ Schriftzug verrät ausserdem, dass die Destilleria 16 für die Produktion verantwortlich ist, die auch die Premium-Piscos 1615 produziert. Die Beschriftung, ob man nun einen Acholado oder Quebrante in Händen hält, könnte etwas größer sein, aber wer es weiß, wird schnell fündig. Im Glas dann eine klare Flüssigkeit. Viel Frucht in der Nase, vor allem dunkle Beeren und Waldfrüchte rufen sich sofort in Erinnerung. Auf der Zunge dann eine leichte, angenehme Frische, wieder viel dunkle Frucht und eine angenehme Vollmundigkeit die lange anhält. Tatsächlich macht dieser Pisco auch pur Spaß, macht vor allen Dingen aber einen unfassbar guten Pisco Sour.

Flaschengröße: 700 ml
Alkoholgehalt 40 % Vol.
UVP: € 23,95
Vertrieb: Barrel Brothers

House of Natural Taste Velvet Mandarine

House of Natural Taste nennt sich das junge Unternehmen vom Chiemsee (hinter der u.a. Daniel Scheer steckt, ehemals Becketts Kopf oder Lang Bar Berlin), deren Idee keine geringere ist, als den Aperitivo-Markt auf den Kopf zu stellen – und zwar ausschliesslich mit besten natürlichen Zutaten. Per se ein sehr sympathischer Ansatz, den Aromenkeulen aus dem Labor einmal etwas entgegenzusetzen. Und nur weil „Aperitivo“ empfohlen wird, kann man ja als neugieriger Bartender dennoch auch andere Kombinationen probieren. Der Vorweihnachtszeit geschuldet, soll es in der Verkostung die Mandarine sein. Einfach, weil es in dieser Aromatik generell zu wenig Spirituosen gibt, und weil ich selbst großer Fan der kleinen orangenen Früchte bin.

Optisch verspricht die Flasche einiges. Zwei Tiger schleichen um eine Zitrusfrucht und setzen zur Attacke an. Die Angst, dass sich Tigeraroma durchsetzen könnte ,wird aber alsbald genommen. Kaum ist die Flasche geöffnet, verbreitet sich ein toller Duft von frisch geschälten Mandarinen. Das Etikett verspricht weiterhin einen Hauch Wacholder, der sich in der Nase zwar gegen die Übermacht der Zitrus nicht behaupten kann, aber im Geschmack durchaus in Erscheinung tritt. Beim ersten Schluck auch eine weitere angenehme Überraschung: sehr dezente Süße und kein klebriger Likör, sondern sehr frischer Geschmack, eine leichte Süße perfekt eingebunden und mit einer tollen Viskosität. Dazu noch ein klares und deutliches Aroma von Mandarine. Wirklich großartig. Die vorgeschlagenen Aperos funktionieren sicherlich hervorragend, aber die konzentrierte Aromatik kann sicher auch in anderen Drinks überzeugen.

Flaschengröße 500 ml
Alkoholgehalt 15 % Vol.
UVP: € 22,-
Vertrieb: House of Natural Taste

Der Tiger setzt zum Aperitif-Sprung an: Der Velvet Mandarine von House of Natural Taste überzeugt
Der Tiger setzt zum Aperitif-Sprung an: Der Velvet Mandarine von House of Natural Taste überzeugt
Mit dem Stork Club Sakura Rye gelingt Destillateur Steffen Lohr ein kleines Meisterwerk
Mit dem Stork Club Sakura Rye gelingt Destillateur Steffen Lohr ein kleines Meisterwerk

Stork Club Sakura Rye

Kommen wir zum Whiskey. Stork Club hat kürzlich eine neue Sonderabfüllung auf den Markt gebracht, bei der ordentlich experimentiert wurde. SAKURA nennt sich die Abfüllung aus der Experimental-Serie, und Purist:innen dürften an den ersten Infos schwer zu schlucken haben. Destillateur Steffen Lohr hat bereits in der Maische mit einer guten Portion Sauerkirsche gearbeitet, daraus wurde dann ein normaler Rye gebrannt und kurz vor der Abfüllung wurde das Ergebnis noch mit einem Auszug aus Brandenburger Kirschen und vor allem Kirschblüten abgerundet.

Und ja, man kann da von einer absolut kirschrunden Sache sprechen. In der Nase eine ganz leichte Süße, die die sonstigen Rye-Aromen mit den stolzen 47% Vol. sehr schön umspielt. Im ersten Moment lässt sich eher die Kirschblüte erahnen als die Frucht, aber probieren wir doch einmal. Volle Frucht voraus. Die Kirsche ist im Geschmack sowohl als Blüte, aber auch als Frucht sehr präsent und funktioniert hervorragend mit den bekannten Aromen des Rye. Bemerkenswert, wie sich die Charakteristik von Stork wiedererkennen lässt. Wären nicht die 47%, könnte man beinahe von einem Bottled Cocktail sprechen. Mit einem minimalen Spritzer Zucker und ein wenig Bitters kalt gerührt, hat man jedenfalls einen äußerst ansprechenden Old Fashioned in der Hand. Ein Jammer, dass die Flaschen so limitiert sind.

Flaschengröße 500 ml
Alkoholgehalt: 47 % Vol.
UVP: € 69,90
Vertrieb: Stork Club

Two Stacks Irish Whiskey – The First Cut

Two Stacks möchte als Marke an der Spitze des Irish Whiskey-Revivals stehen, so der eigene Anspruch. Warten wir einmal gespannt ab, ob es ein solches Revival wirklich geben wird, oder ob da gerade ein Trend aufgeblasen wird, der keiner ist? Wir werden sehen. Was auf jeden Fall sehr sympathisch ist, ist dass man sich bei Two Stacks auf eine beinahe vergessene Tradition im Whiskey zurückbesinnt, dem Blending. Aus ganz Irland werden Fässer gekauft und verschiedene Stile gefunden und bei Two Stacks dann verkostet, nachgereift, umgefüllt und abgefüllt. Und sehr schön etikettiert, denn der interessierte Käufer wird komplett aufgeklärt, aus welcher Sorte Fässer der Blend kreiert wurde; sehr offen, sehr informativ.

Und im Glas? Strohgelb und sehr hell. Ein im ersten Moment sehr zurückhaltendes Aroma entströmt dem Glas. Apfel und Birne lässt sich erahnen, das Getreide kommt dennoch deutlich durch. Im Weiteren ist der Irish Whiskey vollmundig und direkt. Keine großen Schnörkel, keine aromatischen Ausreißer, aber ein grundsolider und wohlschmeckender Tropfen, der sich ganz hervorragend als Basis für Drinks eignet.

Flaschengröße: 700 ml
Alkoholgehalt: 43 % Vol.
UVP: ca. € 36,95
Vertrieb: Barrel Brothers

Two Stacks gibt sich transparent: Käufer:innen werden auf dem Etikett aufgeklärt, aus welcher Sorte Fässer der Blend kreiert wurde
Two Stacks gibt sich transparent: Käufer:innen werden auf dem Etikett aufgeklärt, aus welcher Sorte Fässer der Blend kreiert wurde
Angel's Envy als Vorreiter: Das Nachreifen von Bourbon in alten Portwein-Fässern war in den späten Nuller-Jahren keine Selbstverständlichkeit
Angel's Envy als Vorreiter: Das Nachreifen von Bourbon in alten Portwein-Fässern war in den späten Nuller-Jahren keine Selbstverständlichkeit

Angel's Envy – Port Finished Bourbon

Zum Abschluss ein Bourbon, der schon eine Weile (auch auf dem deutschen Markt) ist: Angel’s Envy. Aus der Idee heraus, mit seinem Sohn Wes einen Bourbon zu kreieren, verließ Lincoln Henderson den Ruhestand mit der Idee, etwas Neues zu machen; etwas, das in den späten 2000ern nicht alltäglich war: Das Nachreifen von Bourbon in alten Portwein-Fässern. Schaut man sich die Geschichte von Angel’s Envy an, so könnte man in der reinen Theorie von einer schönen Familiengeschichte sprechen, in der mittlerweile drei Generationen involviert sind. Seit 2011 sind die ersten Flaschen erhältlich, sie wurden direkt zu Sammlerobjekten und weckten Begehrlichkeiten bei Whiskeyliebhabern auf der ganzen Welt.

Unter anderem auch bei Bacardi, die sich die Rechte an Angel’s Envy gesichert haben und mittlerweile in Deutschland sogar einen eigenen Brand Ambassador ins Rennen schicken, um die Marke mit der markanten Flasche mit den Engelsflügeln zu pushen. Aber genug drum rum, wie schmeckt denn der Bourbon nun? Recht hell in der Farbe steigt eine Menge an Aromen aus dem Glas. Eine leichte angenehme Schärfe, die auf der Zunge fortgeführt wird, langanhaltend und mit einer sehr schön eingebundenen, milden Süße. Beim zweiten Schluck öffnet sich dann ganz langsam der Portwein. Dezent, aber vorhanden erschlägt er den Bourbon nicht, sondern gibt eine kleine, weitere Facette.

Flaschengröße: 700 ml
Alkoholgehalt: 43,3% Vol.
UVP: ca. € 53,-
Vertrieb: Bacardi

Credits

Foto: Marco Beier

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