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Mohammad Nazzal über den Austritt der DBU aus der IBA

Die Deutsche Barkeeper-Union (DBU) trennt sich vom internationalen Dachverband IBA. Die Gründe für den Austritt sind vielfältig, wie Mohammad Nazzal erklärt. Vor allem möchte die DBU eine zeitgemäße Perspektive auf den Bartender-Beruf werfen, wie der Kölner Pressesprecher im ausführlichen Interview erklärt.

MIXOLOGY ONLINE: Mohammad, zum Einstieg: Was sind deine Aufgaben im Verband?

Mohammad Nazzal: Ich bin auf der einen Seite Vorsitzender der Sektion NRW und ich mache im Moment den Pressebereich, also Pressesprecher, aber auf der anderen Seite arbeite ich noch als Externer. Da bin ich als Berater für die Professionalisierung und Umstrukturierung zuständig. Alles, was seit 2014 nach außen hin gelaufen ist, ging über meinen Schreibtisch. Da geht es um Recht, Bildung und was den Verband sonst tagtäglich tangiert. Ich mache zum Beispiel auch das Partnermanagement, organisiere Lehrmaterialien und schreibe Konzepte, die dann Stück für Stück umgesetzt werden.

MIXOLOGY ONLINE: Wie lange existierte die Idee innerhalb der Führung der DBU für den Austritt aus der IBA?

Mohammad Nazzal: In der jüngeren Generation war ein Austritt immer wieder ein Gesprächsthema, bei den Alten gar nicht. Der Stein ist da schleichend ins Rollen gekommen. Ich bin seit zehn Jahren im Vorstand und seit 2009 bei den Sitzungen mit dabei, aber das gab es nie. Wir hatten ein Vorsitzendentreffen im März, da wurde dann darüber debattiert, und alles ging plötzlich sehr schnell. Hauptgrund und Auslöser war das IBA-Boardmeeting in Kopenhagen vergangenes Jahr, während der Weltmeisterschaft, da sind einige Diskussionspunkte entstanden. Unseres Erachtens läuft in der IBA zu viel falsch und das nicht erst seit gestern. Wir sind natürlich Gründungsmitglied der IBA und das macht es zu einer großen Sache, doch als wir im März abgestimmt haben, waren alle 12 Vorstandsmitglieder für den Austritt, ohne Enthaltung.

“Viele Punkte der IBA haben in der realen Welt keinen Stellenwert mehr.”

MIXOLOGY ONLINE: Wie geht es jetzt weiter? Was ist nach dem Austritt wichtig?

Mohammad Nazzal: Ich glaube, jeder aus unserer Branche hat mal von der DBU gehört, dazu muss man sich nicht zwingend mit ihr identifizieren. Trotzdem ist ein Interesse an der DBU wichtig, und das wollen wir wieder wecken. Die IBA geht da die falschen Wege, und jetzt sind wir losgelöst.

MIXOLOGY ONLINE: Das stand so auch in der Pressemitteilung, dass die inhaltlichen Zielsetzungen von DBU und IBA nicht mehr ausreichend übereinstimmen. Woran lässt sich das festmachen?

Mohammad Nazzal: Da gibt es viele Punkte. Fangen wir an mit der Lehre. In der Geschichte unseres Verbands ist das erste Mal ein Barhandbuch veröffentlich worden, darin steht alles, mitunter die Meinung der DBU über das, was eine Bartenderin oder ein Bartender wissen muss. Zum Beispiel Cocktailrezepturen. Wir wollten uns da nicht mehr an die IBA-Rezepturen halten. Noch eine Problematik der IBA ist das Tohuwabohu auf ihren Veranstaltungen. Es wird festgelegt, wie du gekleidet sein musst, wie du arbeiten musst, was wie vorgekühlt werden muss. Das hat in der realen Welt keinen Stellenwert mehr. Du musst heute keine bunte Krawatte und keinen Blazer mehr tragen, um ein Bartender zu sein. Es gibt Läden, da steht man in Shorts und mit Strohhut hinter dem Tresen, ob das richtig oder falsch ist hat unser Verband nicht zu bewerten. Wenn die Behörden etwas hygienetechnisch auszusetzen haben, sollen sie das überprüfen, aber wir als Verband sollten uns da zurückhalten.

MIXOLOGY ONLINE: Die DBU bemüht sich ja trotzdem schon etwas länger um ein neues Image. An welchen weiteren inhaltlichen Veränderungen macht sich das fest? Ist der Austritt nur eine Konsequenz? Oder hat sich die IBA unabhängig von den Änderungen innerhalb der DBU in die falsche Richtung etabliert?

Mohammad Nazzal: Die IBA öffnet sich schlichtweg nicht gegenüber Veränderungen, auch nicht historischen Veränderungen. Der Austritt passierte auf Grund der Notwendigkeit, sich entwickeln zu können. Die Gastronomie bietet heute viel mehr Möglichkeiten, das sind alles Herausforderungen, denen sich der Dachverband, nach unseren Augen, nicht gestellt hat. Ein anderes, großes Problem ist für uns auch die Struktur des Dachverbandes. Rund alle drei Jahre wird ein neuer Präsident gewählt. Bis 2014 war Derrick Lee Präsident. Der stand nicht für Weiterentwicklung. Dann wurde ein Ron Gutman gewählt, auch nicht der Progressivste, aber er wollte etwas ändern, und man hat ihn nicht gelassen. Es wurde gezielt gegen ihn gearbeitet. Der Dachverband sieht nicht, dass wir uns weiterentwickeln müssen, dass wir Perspektiven bieten müssen. Wir wollen Content stellen und keine Regeln machen. Regeln muss jeder Betrieb für sich aufstellen. Wir wollen Partner sein für unsere Mitglieder, das hat die IBA so alles nicht gemacht. In Kopenhagen wurde erneut gewählt, auf eine ganz komische Art, das war alles so ein bisschen na ja. Das Ergebnis lautete am Ende: Pepe Dioni. Den Namen muss man nur googeln, dann weiß man genug. Das haben unseres Erachtens die spanischsprachigen und asiatischen Länder so gepusht, weil die in der Überzahl sind, dadurch haben wir eine neue Struktur auf eine sehr unschöne Weise bekommen und das war dann nochmal ein Beweggrund. Hinzu kommt auch die Struktur der WM. Es dreht sich immer alles nur um die WM, aber bei uns im Verband geht es nicht nur um einen Wettbewerb. Über die Jahre hat alles an Wertigkeit verloren und das letzte, was geblieben ist, war vielleicht noch der familiäre Gedanke, aber auch der ist verloren gegangen. Man kann uns Deutschen, als Gründungsmitglieder, natürlich den Austritt vorwerfen. Aber die Werte stimmen einfach nicht, die Bildungsmaterialien stimmen nicht, die Familienzusammengehörigkeit stimmt nicht. Es geht mehr um Intrigen und Verleumdung; die Strukturen stimmen nicht überein und der Wettbewerb schon mal gar nicht. Wenn du vor der WM ganze 90 Arbeitsstunden dafür aufwenden musst, sind das einfach zu viel aufgewendete Mittel, dann würde ich die eigentlich gerne anderweitig benutzen.

MIXOLOGY ONLINE: Es hieß, dass diese Mittel, die für die Mitarbeit in der IBA verwendet wurden, nun in die konkrete Verbandsarbeit vor Ort fließen sollen. Wie können solche Aktivitäten aussehen?

Mohammad Nazzal: Zum Beispiel in Bildungsreisen, auch individuell gestaltete. Außerdem sind wir gerade dabei, immer mehr die Berufsschulen zu unterstützen; wir bieten Schulungen an, auch für Berufsschullehrer. Dann digitalisieren wir gerade unseren Verband, das wollen wir weiter vorantreiben, auch um Statistiken erheben zu können, was in unserer Branche passiert. Wir wollen wissen, was die Bedürfnisse sind, was gut oder schlecht läuft.

“Jeder, der mit dem Beruf zu tun hat, solle Mitglied werden, damit wir Gehör bekommen.”

MIXOLOGY ONLINE: Die DBU ist innerhalb der heimischen Szene nach wie vor nicht  unumstritten, mit ihren Mechanismen und ihrer mixologischen Linie. Wie hat sich eure Vorstellung von einem Wettbewerb geändert?

Mohammad Nazzal: Unser Wettbewerb ist nicht mehr ein reiner Wettbewerb. Was wir in unseren Seminaren an Inhalten bieten, das sucht seinesgleichen. Es ist eine Veranstaltung, bei der du über zwei Tage verschiedene Workshops und Infos holen kannst, und auch der Wettbewerb ist nicht mehr der typische Wettbewerb. Ein Bartender kann selber entscheiden, wann er mixen will und wann er zu den Seminaren möchte. Er schreibt sozusagen seinen eigenen Stundenplan zusammen und kann zwei Tage für sich autark gestalten.

MIXOLOGY ONLINE: Erklärtes Primärziel, das nun noch einmal bekräftigt wurde, ist die weitere gesellschaftliche Etablierung des Bartender-Berufs und der langfristige Wunsch, den Beruf als Lehrberuf fest in der Agenda der professionellen Gastronomie zu verankern. Wie sieht im Zuge der Verabschiedung von antiquierten IBA-Standards die Strategie dafür aus?

Mohammad Nazzal: Unseren Beruf als Ausbildungsberuf zu etablieren, das ist ein Ziel, aber ich persönlich glaube da noch nicht dran. Vielleicht kann man mal die Zusatzqualifizierung ein bisschen spitzer machen, aber es ist noch kein Ziel, das ich in drei oder vier Jahren sehe, eher vielleicht in zehn. Ein Ausbildungsberuf braucht Zeit, um geschaffen zu werden. Wir wären bereit, ihn mit zu schaffen, auch Geld in die Hand zu nehmen, um einen Ausbildungskatalog zu schaffen. Wir würden das sofort machen, aber im Moment sind wir halt nur ein Verband mit 1.200 Mitgliedern, dafür muss man viel stärker sein. Jeder, der mit dem Beruf zu tun hat, solle Mitglied werden, damit wir Gehör bekommen. Wir sind erst am Anfang des Imagewandels, und langsam hören uns die Gastronomen wieder zu. Andreas Till und Klaus St. Rainer wollen zum Beispiel nichts mit der DBU zu tun haben, und ich gehe denen trotzdem immer wieder damit auf den Sack, muss ich gestehen, weil das Leute sind, die ich ziehen will, da sie Leute begeistern können. Da geht es ja nicht um die Thematik, ob ich die DBU mag oder nicht, sondern darum, einer von vielen sein zu können, die eine Lobby stellen. Wir sind ein Interessenverband, wir vertreten Interessen von euch Bartendern. Wir sind ein Verband, es geht nie um nur eine Person.

Credits

Foto: Tim Klöcker

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