Ein starkes Vermächtnis: Der Mother-In-Law Cocktail
Mysteriöse Rezepturen von noch mysteriöserer Vorfahren sind in der Bar- und Spirituosenszene mittlerweile keine Seltenheit. Mit etwas Ironie könnte man sagen, es gab vor einigen Jahren mal eine Zeit, in der das gute alte, auf dem Dachboden oder im Keller gefundene Rezept zum festen Bestandteil einer guten PR-Story gehörte.
6 cl Bourbon
1 BL Maraschino
1 BL Zuckersirup
1 BL Dry Curaçao
2 Dashes Peychaud’s Bitters
2 Dashes Angostura Bitters
2 Dashes Amer Picon
Zubereitung: Gerührt. Mit einer Orangenzeste abspritzen.
Mother-In-Law Cocktail taucht aus dem Nichts auf
Wäre der Mother-In-Law Cocktail ein Produkt, das man mit so einer Story versehen will, könnte man es auch kaum besser machen. Allerdings stimmt die Geschichte. Vermutlich. Wahrscheinlich. Hoffen wir einfach mal. Es war nämlich im September 2003, als der in New Orleans geborene und in Los Angeles lebende Cocktail-Enthusiast Chuck Taggart eine Email eines gewissen Brooks Baldwin erhielt.
In dieser schreibt der in New York lebende Baldwin, dass seine Großmutter, eine Mrs. Monte M. Lemann (geboren in New Orleans 1895), kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges von ihrer Schwiegermutter, einer Mrs. Lucien E. Lyons, ein Rezept vererbt bekommen hätte. Dieses bestünde aus Bourbon, Maraschino, Orange Curaçao, Amer Picon, Zucker, Angostura Bitters und Peychaud’s Bitter. Ob Taggart einen Pre-Prohibitonsdrink mit dieser Rezeptur kenne?
Vom Zazarac zum Mother in Law
Taggart wandte sich mit der Rezeptur an Alex „Dr. Cocktail“ Ott, der mutmaßte, dass das Rezept nicht von einem Bartender stammte. Ursprüngliche Mengenangaben wie „Teelöffel“ würden eher auf eine Privatperson hindeuten, nicht auf professionelle Barsprache. Nach etwas weiterer Recherche kam der Mixologe zum Schluss, dass der Drink wohl eine Abwandlung des Zazaracs gewesen sei. Ein Drink, der erstmals als Zazarack 1910 im Jack’s Manual aufgezeichnet wurde. Dort steht er in einer Kombination aus Bourbon, Zucker, Angostura und Absinth und ist somit vielmehr ein Old Fashioned mit Absinth. Im Savoy Cocktail Book aus dem Jahre 1930 allerdings ist er als Zazarac mit Rum, Anisette, Gommesirup, Canadian Club, Angostura Bitters, Orange Bitters und Absinth aufgeführt.
Natürlich kann der Mother-In-Law-Cocktail als Sazerac-Twist betrachtet werden, weist er doch die klassischen Bitters auf, auch wenn der originale Sazerac ein Cognac-Drink war und nicht, wie heute größtenteils üblich, ein Rye-Cocktail. Die zusätzlich süße Kombinaton aus Maraschino sowie Zuckersirup schiebt ihn wiederum in die Richtung der Improved-Kategorie, weswegen man bei der Wahl des Curaçao zu einem trockenen Vertreter greifen sollte. Schließlich ist da noch das Zünglein an der Waage, der französische Bitter Amer Picon, der klar die Sprache eines Brooklyn spricht (der ebenfalls im Jack’s Manual erstmals schriftlich erwähnt wird).
Mother-In-Law Cocktail
Zutaten
6 cl Bourbon
1 BL Maraschino
1 BL Zuckersirup
1 BL Dry Curaçao
3 Dashes Peychaud’s Bitters
2 Dashes Angostura Bitters
2 Dashes Amer Picon
Ist die Mother-In-Law Geschichte Märchen oder Wahrheit?
Aber stimmt die Geschichte nun? Hat es diesen Brooks Baldwin und seine weiblichen Vorfahren, Mrs. Monte M. Lemann und Mrs. Lucien E. Lyons, wirklich gegeben? Wir haben versucht, Chuck Taggart zu erreichen, haben aber keine Antwort bekommen. Es gibt im Grunde nichts, was dagegen sprechen würde. Im Internet hat der Mother-In-Law ohnein bereits sein kleines Eigenleben entwickelt. Und das zu Recht, handelt es sich doch um einen aromatisch feinen Drink.
Ursprünglich, so schreibt der Enkel, hätte seine Großmutter den Drink in Litermaßstäben in einer alten Zinnvase abgemischt und aufbewahrt. Als er sie darauf hingewiesen hätte, dass das Ursachen für Vergiftungen sein würden, hätte diese bloß geantwortet: „Es ist eine schöne Vase … also Ruhe!“ Und da sie die Rezeptur von ihrer Schwiegermutter bekommen hätte, hätten die Nachfahren das Rezept schließlich Mother-In-Law Cocktail genannt.
Und diesen trinkt man am besten in einem schönen Nick & Nora Glas. Es lohnt sich.
Credits
Foto: Sarah Swantje Fischer