TOP
Mendez Bar Murales

Mr Mendez, ein Husarenstück in Wien

Die ungarischen Macher des Mr Mendez zeigen, wie man in Wien internationale Gäste abholt: mit mexikanischem Flair. 
Charmanter Witz, verspielte Cocktails und das Know-how der Budapester Boutiq’ Bar schaffen einen Ort, der für sich spricht. Hinten wie vorne.
Wenn der Wiener etwas weiß, dann alles besser. Kommt also ein international bekannter Bartender und eröffnet am Karlsplatz, dann wird ihm nicht gratuliert von Gastro-Wien. Lieber zählt Herr Miesepeter die verschwundenen Lokale an der windgepeitschten Rückseite der mondänen Ringstraße auf: Bergstation Tirol, Lobsterdock, Noodles … Nun, die Halbwertszeit von einigen dieser Nachbarn hat das Café Mendez in seiner zehnmonatigen Existenz schon übertroffen.
Warum es jetzt erst Zeit wird, das Lokal zu besuchen, hinter dem immerhin Zoltan „Zoli“ Nagy von der Budapester Boutiq’ Bar steht, hat einen anderen Grund. Denn der bekannteste Bartender Ungarns ging es in Wien so entspannt an, als wäre man hier tatsächlich in Mexiko und ein Tag am Meer wichtiger als das Polieren des Tresens.

Dem Geduldigen fliegen Murales zu

Die üblichen Behördenwege bis zur Genehmigung (Stichwort: doppelter Eingang) und ein windiger Handwerker verzögerten zunächst einiges im Hinterzimmer des Cafés, das als Mr Mendez (ohne Punkt!) drei Tage die Woche als Bar fungiert. „Work in progress“ nennt Ferenc Haraszti das zum Konzept gewordene Zuwarten beim Namen. Denn auch wenn man knapp noch im Oktober 2017 eröffnet hat, gibt es noch keine finale Karte. Dafür aber jede Menge witziger Illustrationen, die sich dort finden werden und – viel wichtiger – bereits jetzt starke Drinks.
Der schrittweise Ausbau hatte ja auch seine Vorzüge. So konnte der mexikanische Murales-Maler Miguel Valverde bei seinem Wien-Besuch die gesamte Rückwand der Bar mit einem die Beleuchtungskörper umarmenden Skelett bemalen, das auch beim Künstler daheim in Chihuahua stehen könnte. Und die Hoshizaki-Maschine, die für zusätzlich noch mit Stempel „mendez-iertes“ Eis sorgt, bescherte ein Firmenkonkurs den gechillten Bar-Machern in der Zwischenzeit zum Sondertarif.
Dass sich das auch wirtschaftlich rechnet, stellt das Café Mendez sicher. Was der Chef der 2008 gegründeten Budapester Boutiq’ Bar beim ersten Treffen versprach – „internationales Niveau der Gastfreundschaft, und dazu gehört die englische Sprache“ – haben Nagy und Haraszti nicht nur eingehalten, sondern es hat sich auch schnell herumgesprochen: Ein Eck-Stück vom Kuchen gratis, wenn gerade frisch gebacken wurde, ein Kost-Schluck vom Eistee, während man die Klemmbrett-Karte studiert, ja sogar der Mantel wird einem im überschaubaren Lokal abgenommen, als wäre es das weitläufige Café Landtmann. Übrigens auch am Sonntag bis 17 Uhr, wenn die K.u.k.-Flanierzonen die US-Geisterstadt mimen – mit durch die Straßen gepeitschten „heute“-Zeitungsfetzen statt rumwehenden Tumbleweed.

Mr Mendez und die frühe Fangemeinde im Frack

Denn eines haben die „G’scheiterln“ in Wien, die der ungarischen Frischzellenkur im toten Winkel drei Monate Lebenszeit prophezeiten, übersehen: Direkt vor dem Mr Mendez hält so ziemlich jeder Sightseeing-Bus, der nicht in die historische City will oder darf. Während also die Spanier, Japaner (ihr Wallfahrtsort „Musikverein“ liegt um die Ecke) oder Polen die Edel-Einkaufstaschen und obligaten Schnappschüsse der Karlskirche gegenüber vergleichen, servieren „Feri“ Haraszti, Akos und Max Kaffee. Einen hervorragenden übrigens. Nicht wenige der Zeichnungen der Touristen, für die man Blätter zum Bemalen verteilt, erzählen von der Qualität der Mr Mendez-Bewirtung.
Neben den Touristen hat sich eine breitere Stammgäste-Schar herauskristallisiert. Die Bürohengste zwischen Schwarzenberg- und Karlsplatz hat man mit den frischen Burgern aus der einsehbaren, „ehrlichen“ Küche, wie es „Feri“ nennt, eingekocht. Vor allem die Musiker des Musikvereins lieben mittlerweile ihr Feierabend-Bier ebenso wie den kräftigen Espresso vor der Probe. Und nicht nur die Kenner der Klassischen Musik kommen ins Schwärmen, wenn sie sehen, dass die Bandmaschine über der Bar keine Deko ist, sondern tatsächlich den Soundtrack zu Quesadillas und Kuchen liefert.

Fotogen! Der Cocktail aus der Bong

Das wäre aber nur der analoge Teil der Mr Mendez-Welt, denn die Instagrammer zieht es Schlag 20 Uhr in das Hinterzimmer, als würde hier mit hohem Einsatz „Stoß“ gespielt. Derweil sind die Trümpfe hier ganz anderer Natur, das Herz-As hört quasi auf den Namen Mary Jane. Man kann das auch unschuldig (und Turner-Slang-unkundig) für eine Spiderman-Hommage halten. Allerdings nur, bis der Cocktail aus Bacardi und Myers Rum, Marillenbrand und Muskatnuss-Hanf-Sirup am Gästetisch steht. Denn serviert wird der zeitgenössische Tiki-Drink in einer Bong, die Minzeblätter stecken als Weed-Ersatz gleich drinnen.
Wer das blöd findet und das Handy gar nicht erst auspackt wie alle anderen Freunde des Mr Mendez, den holt Haraszti mit seinem Bartender’s Choice-Trick ab. „Ich frage den Gast nach seinem Lieblingsmusik oder -film bzw. dem letzten Urlaubsziel“, der Rest ergibt sich dann praktisch von selbst. Zumal es zu den meisten Themen des Lebens witzige Püppchen im Matrjoschka-Stil gibt, mit denen der Drink serviert wird.
Der Schalk sitzt der Kunstfigur Señor Mendez ständig im Nacken, das zeigt sich auch bei der Lucky Number Six, einer Runde von sechs Shots, die man per Würfelwurf auch kostenfrei genießen kann, vorausgesetzt, man wirft dreimal die Sechs. Das endgültige Drinks-Menü, das jeweils zu einem thematischen Bild zwei Cocktails präsentiert, wird diesen ironischen Blick auf die Bar-Geschichte fortführen.
Die Illustrationen stammen von einem Ex-Kollegen aus der Boutiq’ Bar, der mittlerweile Tätowieren erfüllender findet. Das Artwork verspricht neben All I want is fruit, So 90’s (mit einem Twist auf den Sex on the Beach), Sparkling and sexy (as You are) auch die Seite No, thanks, I am Driving. Sie ziert Thomas Magnum samt Ferrari 308 GTS, um einen Begriff vom pophistorisch-ironischen Sturm und Trank des Herrn Mendez zu geben. Dazu liefern Gloria Gaynor und Aerosmith schon jetzt die passende Sound-Kulisse.

Mr Mendez Wien: Verspielte statt verkrampfte Themenbar

Verspielt ist man hier am Wiener Karlsplatz gerne, selbst die Kaffeemühlen bedecken die Catcher-Masken der „Luchadores“. Sie weisen thematisch den Weg in die noch mexikanischere Welt im zweiten Gastraum. Dort finden sich die Totenköpfe in Material-Vielfalt und diversen Größen, zwischen den „calaveras“ bleibt aber immer noch Platz für einen Kaktus oder Tequila-Liebeserklärungen. Ein wenig hat man den Charakter des Stadtwohnzimmers auch hier gewahrt, wo die strengen Drinks (Maker’s Mark-Highballs gibt es vorne auch zu den Burgern) serviert werden.
Als da der Black Salted Sour wäre. Sirup aus getrockneten Tomaten, Bourbon und ein Hawaii-Salz-Rim, mehr braucht es für den Anfang nicht. Die sich daraus ergebende Mischung hat witzigerweise eine an Banane erinnernde Fruchtigkeit. Der 12-Euro-Drink zeigt aber vor allem, dass man diese Trinkstätte bei allem Dekor nicht unterschätzen sollte. Merke: Nicht überall, wo Softporno-Bilder am Herren-WC hängen, schmecken die Cocktails, als wären sie im Entstehungsjahr der Aufnahmen kreiert worden.
Für die Wochenenden kommt Roland Lukács als „Munkakör“, wie die Ungarn einen Headbartender nennen, zur Unterstützung an den Karlsplatz. Dass man im Vorfeld einiges ausbaldowert hat mit der Boutiq’-Crew, ist aber jetzt schon schmeckbar. So wird der Not Dry at all Martini (10 Euro) mit Muskateller, Bentianna und Martini Ambrato plötzlich auch den Verächtern einer „boozy“ 6:1-Variante sympathischer gemacht.

Das Mr Mendez, ein Wiener Husarenstück

Wer an den Klassikern nicht schrauben will, halte sich an den Mezcal Negroni, den die Jungs gerne auch selbst trinken. Ebenfalls aus der Mexiko-Abteilung stammen die beiden Barrel Aged-Drinks El Revolver und El Hunter, auch sie sollen auf der endgültigen Karte einen Fixplatz haben. Die einzige echt ungarische Hommage findet sich mit dem Caribbean Hussar am provisorischen Menü. Für den Unicum Szilva, die Pflaumen-Variante des legendären Bitterlikörs, hat „Zoli“ Nagy einst die Signature Serves entworfen, hier reitet der Zwetschken-Husar mit Rum und Ginger Ale auf einem neckisch kleinen Eisball einher.
Auch andere Drinks könnte man mit dem Zusatz „u.U.“ (=ungarisches Understatement) versehen. Der Casino 2020 wird wohl nicht bei vielen die erste Wahl sein, wenn auch noch Erdbeere und Vanille als Zutaten angeführt sind. Doch der Prosecco als Filler kommt hier mit den hausgemachten Ocean Drops, einem Traubenkern-Bitter, daher. „Der macht mit seiner Bitterkeit den Prosecco beinahe trocken“, erklärt Ferenc Haraszti die Idee dahinter. So trinkt man abwechselnd den Erdbeer-Vanille-Teil oder mischt sich nach Gutdünken einen Spritz.
„Ein dekonstruierter Frauen-Drink“ oder auch „eine süße Pickleback-Variante“, könnte der Bar-Geek nun fachmännisch kommentieren. Muss er aber nicht. Man kann seine Zeit bei Herrn Mendez auch einfach genießen. Denn es ist eine gute Zeit. Hinten wie vorne.

Credits

Foto: Foto via Roland Graf

Kommentieren