Der schräge Nachtvogel und die Krähe
Rauchiger Scotch ist nicht jedermanns Sache, und in Cocktails gibt er sich gern etwas kauzig. Und dann auch noch Champagner dazu – ein Kuriosum? Doch der vermeintliche Exot aus der Hand von Markus Blattner entpuppt sich als unscheinbar-eleganter Gaumenschmeichler mit schottisch-schweizerischem Charme.
Es begann alles sehr unscheinbar. Ein Rob Roy mit rauchigem Whisky, und dann mit dem Wermut spielen. Dieser wurde schließlich ersetzt durch die Kombination von Portwein, Zucker und ordentlich Bitters – und siehe, es ward ein neuer Cocktail geboren!
Die rauchigen Islay-Whiskys sind schwierige Freunde, und zur Entstehungszeit des Drinks war es weniger üblich als heute, Cocktails mit Rauch-Bomben zu mischen. Man entschied sich also, die just erprobte Mischung „Nightshade“ zu nennen in Anlehnung an den leicht anrüchigen Ruf, den die Nachtschattengewächse genießen.
Nachtschattengewächse, oder eben „Nightshades“ auf Englisch, sind eine Pflanzengattung mit verschiedensten Vertretern. Bei der Taufe des Getränks dachte man wohl mehr an gefährliche, sagenumwobene Nachtschattengewächse, wie die Alraune oder die Schwarze Tollkirsche, als an gewöhnlichere Vertreter, etwa Kartoffel oder Tomate. Eine Tollkirsche wäre natürlich sehr passend als Garnitur, aber nicht jede Barfly wähnt sich als einen mit allen Mittelchen und Wässerchen gewaschenen Poe-Verschnitt, dem nur die tödlichste Garnitur gut genug ist. No garnish, also. Doch genug der Scherze. Was folgt, ist eine zahmere, aber auch spannendere Variante.
Fortsetzung folgt: Champagner und Scotch
Das war 2011, und Protagonist war Markus Blattner noch Bartender in der Widder Bar in Zürich. Inzwischen ist er Mitbesitzer der „preisgekrähten“ Old Crow Bar. Und genau dort findet sich auch die Fortsetzung dieser Erfindung auf der Karte. Die Nachfolge-Kreation fügt der Mischung eine gute Portion Champagner zu und nennt sich dann „Nachtvogel“. Nachtvögel seien ja bekanntlich etwas kurios. So wie die Mischung von Scotch und Champagner.
Kurios sicher, aber auch sehr überzeugend. So verleiht der Champagner dem Getränk Eleganz und Charme, zügelt den Rauch des Whiskys. Lässt ihn leicht und zum Spielen aufgelegt erscheinen. Der Portwein gibt dem Cocktail Körper und liefert einen Hintergrund, vor dem das spannende Spiel von Whisky und Champagner stattfinden kann.
Damit fängt der Cocktail bestens die Stimmung des Old Crows ein. Klassische Cocktails auf höchstem Niveau, hier und dort ein Augenzwinkern, ein Kuriosum. Ein Nachtschattengewächs oder ein Nachtvogel, die sich zwischen den unzähligen Flaschen verstecken.
Ursprünglich wurde der Cocktail mit dem Black Bottle Blended Scotch gemischt. Bis vor kurzem enthielt dieser, unter anderem, Whisky von jeder Destillerie in Islay, die noch in Betrieb ist. Als Key Malt diente der leicht getorfte Bunnahabhain, und dazu gesellten sich schwerere Kaliber wie Bowmore oder Caol Ila. Das machte ihn zu einer sehr beliebten und gleichzeitig auch preiswerten Empfehlung. Im Jahre 2013 allerdings wurde jener Black Bottle neu aufgelegt: neue Flasche, neue Rezeptur, weniger Rauch. Markus Blattner empfiehlt darum heutzutage den Caol Ila 12 Years für seinen „Nachtvogel“. Es bieten sich natürlich auch Islays mit Port Finish an, derer gibt es mittlerweile ja genug.
Der Champagner sollte trocken sein, eine gut ausgebaute Säure haben und weniger Fokus auf Zitrus-Aromen oder Hefe setzen. Delamotte bietet sich hier an, oder auch Perrier-Jouët. So wurde er zum Beispiel in der Goldenen Bar in München gemischt, wo er auch auf der Karte stand. Nachtvögel unter sich, also.
Willi
Danke für wieder einen sehr überzeugenden & interessanten Beitrag, Herr Colic!
Tolle Stilistik, die bisherige Themenwahl überzeugt – auch abseits ausgetretener Pfade, innovative Anregungen wie beim polished Rusty Nail… Super! Freue mich auf mehr!
Nico
Lieber Willi
Vielen Dank für Deinen lieben Kommentar! Trying to keep up the work 🙂 Cheers!
– Nico
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