The Perfect Serve: Nathalie Wenkos Weg vom Center Court zum Cocktail
Erst wenig mehr als ein Quartal ist rum, doch das Bar-Jahr 2022 wird in Wien stark von der „Parfümerie“ geprägt. Gilles Reuter und sein Team, schlicht „la famiglia“ genannt, haben nicht nur einen neuen Standort bezogen, mit dem „Loup Garou“ hat man sich auch um ein weiteres Lokal erweitert. Das winzige Aperitif-Beisl mit französischem Einschlag und kleiner Naturwein-Karte kam direkt neben dem „Wolfgang“, der Kaffee-Bar der Gruppe, dazu. Und auch die eigentliche Bar rückte näher an die beiden anderen Wirkungsstätten der „famiglia“ – statt Neustiftgasse heißt die neue Adresse Hermanngasse.
Sportlich! Vom Abstoß zum Aufschlag
„Das Publikum ist tatsächlich anders“, konstatiert Nathalie Wenko. Auch sie gehört zum Jahr der Neuerungen dazu, wenngleich nur in ihrer Rolle als Barchefin. Zur „Parfümerie“ fand sie bereits 2019, seit Mitte Jänner leitet sie das vierköpfige Team der neuen Bar. „Wobei drei von uns Frauen sind“, was die gebürtige Niederösterreicherin durchaus als USP verstanden haben will. Größer und mit Gastgarten versehen ist die Parfümerie 2022. Auch die Arbeit fällt dank eines nunmehr vorhandenen Speedracks deutlich leichter. Wobei auch die beengte Atmosphäre der „alten“ Wirkungsstätte Wenko nicht ins Schwitzen brachte. Denn schon in jungen Jahren stellte der Leistungssport ihr Steckenpferd dar.
„Wäre ich beim Fussball geblieben“, der in ihrer Heimat St. Pölten eine Hochburg hat, „hätte es vielleicht zum Nationalteam gereicht“. Doch dass die Zehnjährige stets mit zerschundenen Knien nach Hause, fand dann die Familie weniger prickelnd. Der „edlere“ Tennissport als Alternative erwies sich für die ehrgeizige Trainiererin schnell als ideal. Der weitere Aufstieg in den österreichischen Top 50 der Damen wurde dann aber durch eine Krankheit gestoppt, die Wenko ausgerechnet mit 17 Jahren zum Pausieren zwang. Ein College-Stipendium für die USA ging sich dennoch aus; drei Semester fungierte sie als sportliches Aushängeschild in der Universitäts-Mannschaft in Atlanta. Danach sollte es als Trainerin in Weiß weitergehen.
Das schnelle Feedback am Tresen
Drei der vier nationalen Ausbildungslevels hatte sie als Profi in jungen Jahren bereits erfolgreich hinter sich, doch irgendwann reizte sie ausgerechnet der Aspekt nicht mehr, der sie eigentlich ins Trainerlager gezogen hatte: „Ich wollte nicht mehr unterrichten.“ Die Gründe dafür wurden erst im Nachhinein auch für Wenko selbst fassbar. Ironischerweise war es die Arbeit an der Bar, die ihr den Unterschied plötzlich spüren ließ: „Hier ist der Erfolg einfach sofort da – oder nicht. Du bekommst unmittelbar Rückmeldungen, wenn Du dem Gast den Drink servierst.“ Während das Service im Tennis einmal den Eindruck vermittle, die Welt schon zu beherrschen, wenige Wochen später aber nicht einmal mehr einfachste Returns sitzen. „Das ist schon für dich als Aktiver schwer“, beim Unterrichten zweifle man aber viel schneller. Oder habe im Extremfall das Gefühl, den angehenden Cracks Zeit und Geld zu stehlen.
Wobei: Missen will sie jedenfalls weder den Sport, noch die Bar. Das macht ein Satz klar, der die komplementären Leidenschaften überdeutlich zusammenfasst: „Bei 35 Grad in der prallen Sonne fast zu verrecken, finde ich genauso sexy wie bis vier Uhr hinter der Bar zu stehen.“ Mitunter lässt sich das sogar verbinden, wenn etwa die Tennis-Trophy der Wiener Bar-Gemeinde ansteht. Die Einführung dafür erfolgt seitens Nathalie Wenkos, die damit auch eine Ausnahme von ihrer Entscheidung macht, keine Trainerstunden mehr zu geben.
Die Parfümerie Bar
Hermanngasse 7
1070 Wien
Di – Do 18 - 1 Uhr; Fr - Sa 18 - 2 Uhr
Kein Solo im Mannschaftssport Bar
Die konkreten Lehren Wenkos aus dem Leistungssport – „Ausdauer, Arbeitsmoral, Disziplin“ – klingen härter, als die 27-Jährige es in der Bar lebt. Zumal das Kreieren, Shaken und Gastgeben auch klarer Mannschaftssport sei. „Am Anfang habe ich nie auf das gehört, was mir Kollegen sagten“, war die Umstellung keine ganz leichte. Dass es überhaupt die Bar wurde, verdankt sich einer relativ spontanen Entscheidung des Jahres 2017. „Die Atmosphäre von Bars hat mir gefallen“, kann die Parfümerie-Mixologin heute nur mehr diffus den Grund angeben, warum sie einen Kurs in Christian Eberts Barschule belegt hat. Es war eine Wahl, die sich auch Wenkos Weigerung verdankt, mit dem Strom zu schwimmen. Sofort nach dem Sportgymnasium an die Uni zu wechseln „wie alle“, kam daher nicht Frage.
Bei der Abschlussfeier des Kurses stellte dann ein halb ernst gemeintes „Wenn ihr einmal jemand brauchen solltet….“ die Weichen. Denn Florian Mittendorfer von der „Ebert’s Bar“ konnte in der Tat jemanden an seiner Seite gebrauchen. Wenige Wochen später begann dann vor fünf Jahren die Bar-Karriere. Als ihren wichtigsten Mentor nennt Nathalie nach wie vor Florian Mittendorfer, er habe vor allem das Verständnis der Gastgeber-Qualitäten geprägt: „Da ist er sicher einer der Besten“, streut Wenko „Flo“ Mittendorfer Rosen. Während sie an Gilles Reuter als Chef der Parfümerie vor allem die Freiheiten schätzt, die sie als Barchefin hat.
Savoury Cocktails statt Mainstream
Das Schwimmen gegen den Strom (oder im Tennis-Jargon eher der „Topspin-Lob“) zeigt sich sogar bei den Cocktail-Vorlieben. Red Hook oder Greenpoint nennt Wenko da spontan, „aber gerne auch ein Bier“. Dazu kommt eine mehr als geheime Vorliebe für Maraschino und, eben erst wieder in Barcelona im „Sips“ getrunken: Tommy’s Margarita mit Mezcal und Salbei. Persönlich liebt sie Drinks ohne Säure, dafür gerne mit etwas Salz: „Mache ich bei jedem Sour.“
Die Leidenschaft für „Savoury Cocktails“, die gerne vernachlässigte Kategorie, reiht sich da schon fast nahtlos ein. Die Parfümerie als Bar sieht Wenko als durchaus noch unterschätzt an, will das aber nicht an Punkten und Auszeichnungen festmachen, sondern an der einzigartigen Atmosphäre: „So oft gibt es die Kombination aus Lässigkeit, ja: Schrägheit, und hoher Qualität der Drinks ja auch nicht.“ Wobei es im gesamtheitlichen Verständnis nicht einmal so wichtig sei, wie toll ein Drink aussehe oder „ob der Old Fashioned nur zu drei Viertel gut ist“.
Das Sündenregister des Bartenders
Vom Personal weitgehend ignoriert zu werden, selbst wenn man sich durch Fragen nach Cordials schon als Auskenner ausgewiesen hätte, geht für Nathalie als Barchefin gar nicht. „Von der Gastgeberschaft kannst Du halt kein Foto machen“, konstatiert sie die Reduktion auf die Optik im digitalen Zeitalter. Das sorgt aber auch dafür, dass der wichtige Faktor für die „emotionale Bindung von Gästen an eine Bar schwer zu kopieren ist“. Umso wesentlicher sei es daher, dass es mit jedem an der Bar sitzenden Gast zumindest einmal am Abend auch ein Gespräch geben muss. „Wo das nicht so erwünscht ist, merkt man ohnehin gleich“, so Wenko, „aber abseits der Bestellung gänzlich unangesprochen zu bleiben, kann nicht sein“.
Wie lange sie der Bar treu bleiben wird, wenn endlich auch die BWL-Abschlussarbeit geschrieben sein wird, lässt sich bei einem so spontanen Charakter nicht sagen. Klare Vorlieben sind jedenfalls „Reisen und Lehren“. Dass man auch bei der Parfümerie-Famiglia mehr in Richtung Gastro-Consulting machen möchte, passt da ja perfekt. „Die wissen, wie man mich bei Laune hält“, lacht dazu Nathalie Wenko.
Und wirft sich den Sport-Rucksack über.
Credits
Foto: Die Parfümerie
Doris Mayr
Ein wunderbarer Artikel über eine wunderbare und großartige junge Frau! Nathalie Wenko ist wirklich ein ganz besonderer Mensch. Und ich hatte die Ehre, mit ihr gemeinsam Teil eines Tennisteams zu sein. Ein Barbesuch in der “Parfümerie” wird mir jetzt ein Herzenswunsch sein!!