TOP
nathanja & heinrich

Zu Gast bei Nathanja & Heinrich in Neukölln

In und um die Weserstrasse herum. „Wisst ihr wie der Laden hier heißt? Nathanja und Heinrich? Ah dann bin ich hier richtig“, fragt der Passant mit Rad und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Kiez-Charme, Potsdamer Bio-Bier und eine kleine, aber ausgesuchte Cocktailkarte locken das Publikum scharenweise in die Weichselstrasse.
Entlang der Weserstrasse reiht sich Bar an Bar, in den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten zur abendlichen Einkehr in Neukölln vervielfacht. Der Bezirk hat sich gemacht und zeigt viele Facetten. Ein Späti ist zugleich Lokal, Bier und Wein macht in lauen Nächten auf der Strasse die Runde. Dem Anspruch nach hoher Cocktailkunst wird im TiER nachgegangen und ein paar Meter weiter finden sich Bars in denen selten etwas anderes als Bier geordert wird. Die Qual der Wahl. Biegt man dann ab in die ruhigere Weichseltrasse Richtung Kanal, trifft man auf Nathanja & Heinrich und damit auf eine Art Kompromiss der verschiedenen Richtungen.
Basilikum und Roggen für den Sommer
Holzbänke säumen die Hauswand und laden zum Niederlassen in der Abendsonne, die weiten Fensterfronten geben den Blick frei auf das großzügig geschnittene Innere der Bar. Der Betrieb beginnt hier bereits mittags und so wird am Tage Kaffee mit Bio-Milch getrunken. Im Verlauf hin zum Abend blättert man in der schmalen Karte ein paar Seiten weiter, bis man auf eine kleine aber feine Cocktailauswahl stößt. Gut zehn Drinks, darunter Klassiker wie der Sazerac und Negroni und Erfrischendes wie ein Summer Rye oder der Gin Basil Smash. Letzterer scheint eine große Fangemeinde im Nathanja & Heinrich zu haben, denn die Basilikumsträucher säumen einen Teil der Bar. Die Karte wird unter Anderem ergänzt durch eine Reihe von Weinen und Bier der Potsdamer Braumanufaktur. Die Auswahl ist nicht groß, aber weiß viele Geschmäcker zu bedienen.
Orleander und Ohrensessel
Ungleich der vielen anderen Bars im selben Kiez ist die große Fläche, wohingegen das Mobiliar und die unverputzten Wände ein ähnliches Motiv wie die Mehrheit der Neuköllner Bars verfolgen. Nichts wirkt wirklich sperrmüllartig alt und zugleich scheint nichts neu zu sein. Ein Stil, den viele versuchen und manchmal nicht umsetzen können. Bei Nathanja&Heinrich funktioniert er. Die großen und kleinen Ansammlungen von Sitzgelegenheiten wirken einladend und nie prätentiös. Die Atmosphäre ist angenehm offen und da so viel Raum gegeben ist, kann sich das Publikum verteilen und so kommt selbst an starken Wochenenden kein Gefühl von Beengung auf. Der Ventilator an der Decke wird wohl erst an besonders heißen Sommertagen seinen Nutzen finden und anfangen, seine Runden zu drehen; bis dahin unterstützt er mit dem Orleander, der den Weg zum nächsten Raum vorgibt und zugleich den Rahmen für einen Ohrensessel bildet, ein Gefühl von Salon. Am langen Tresen steht Wasser mit Orangen und Zitronenscheiben in einer Karaffe, man kann sich selbst bedienen.
Alles im Nathanja & Heinrich schlägt vor und fordert nicht, das Publikum scheint für die Gegend relativ repräsentativ. Expats diskutieren auf Englisch, einige Tische weiter sitzt ein Paar, das vermutlich schon im Reuterkiez lebte bevor Neukölln beliebt wurde. Die Gäste sind unterschiedlich und alle finden sich hier wieder.
Verwässern lassen
An manchen Abenden gibt es auch live Musik. Heute ertönt Klezmer und der klingt bis raus auf die Strasse. Zu zweit wird mitten in der Bar drauf los gespielt, bald ist der Auftritt wieder vorbei, alles wirkt ein wenig improvsiert und deshalb so charmant. Auch das Tresenpersonal ist unaufdrinlich, kompetent und freundlich. Beim Abstellen des Pola Negri wird der Rat gegeben, die Eiswürfel etwas schmelzen zu lassen: „Der lebt vom Verwässern.“ Und das stimmt auch. Die Mischung aus fassgereiftem Genever, Chartreuse, Cognac und Cocchi Americano entwickelt mit dem geschmolzenen Eis ein breiteres Aromaspektrum als zu Beginn. Die Drinks bewegen sich um die 7 Euro herum und die Karte bietet jedem etwas.
Nathanja&Heinrich kann also immer beides- Qualitätsdrinks und Bierkneipe, tagsüber Café und abends Bar, drinnen im Winter und draußen wenn‘s warm wird, Tischrunden und Stehgrüppchen.
 

Credits

Foto: via Nathanja & Heinrich

Kommentieren