O’gshaked is: Die neue, junge Barszene Münchens abseits der Big Player
Neue Bars in München: In München muss niemand auf dem Trockenen sitzen, das ist keine Neuigkeit. Aber es gibt auch unentdeckte Schätze und junge Bars, deren Entdeckung lohnt. Ohne viel Aufhebens darum zu machen, bringt nämlich eine neue Generation an Bartendern seit einiger Zeit mit Mut, Ideen und Eigensinn ihre liquiden Konzepte ins Glas. Wir haben sie unter die Lupe genommen.
Schumann’s, Die Goldene Bar, Zephyr Bar oder Pacific Times – über zu wenig berühmte Bars und sündige Tempel des gepflegten Trinkvergnügens kann sich München definitiv nicht beklagen. Dass man in der bayerischen Hauptstadt beinahe schon von einer Masse an Klasse sprechen kann, bewiesen nicht zuletzt die vier nach München gehenden Auszeichnungen bei den MIXOLOGY BAR AWARDS 2017. Aber heute soll es um neue Bars in München gehen.
Doch wer angesichts dieses liquiden Glanzes ein wenig die Augen zusammenkneift und einen verschärften Blick auf die südliche Barmetropole wirft, wird feststellen, dass das vergangene Jahr nicht nur schicksalshaft für die im Rampenlicht stehenden Mixologen und neue Bars in München gewesen ist. In den vergangenen Monaten sprossen nämlich aus dem von seiner langen Bartradition durchtränkten, Münchner Boden junge, wilde, neue Geschöpfe und Schöpfungen – beziehungsweise Mixologen und Bars. Vom Wissen klassischer Tresen-Legenden inspiriert und vom Können junger Pioniere beflügelt, eröffnete eine neue Generation Bartender ihre eigenen Spielplätze und Tresen-Horte – ganz ohne viel Aufhebens darum zu machen, aber mit jeder Menge Mut, Ideen, Können, Individualität und Eigensinn in der Hinterhand und Backbar. Es lohnt sich also durchaus, diese neue, aufstrebende Tresen-Klasse abseits der gewohnten Pfade aufzusuchen und mit entsprechendem Durst unter die Lupe zu nehmen: neue Bars in München.
The High – Welcome to High-iami
Was wäre, wenn die Cops aus Miami Vice in München feuchtfröhlich abtauchen wollten? Dann würden sie vermutlich im The High im Glockenbachviertel landen, das seit Frühling letzten Jahres von Ella Sinds und André Meier geführt wird. Denn in der kleinen Bar treffen bunte Flamingo-Farben auf rohe Wände, ein türkiser Marmortresen auf hohe Spiegel und jede Menge Palmen-Grünzeug auf Metallelemente. Neben diesem so wilden wie lässigen Interieur, welches von der zuvor als Stylistin und Designerin arbeitenden Sinds gestaltet wurde, bietet jedoch besonders die durchsichtige Karte aus Plexiglas visuelle und geschmackvolle Anreize.
Der zuvor im Zephyr – erst als Türsteher und später als Barmann – ansässige Meier serviert in gefühlter Überschallgeschwindigkeit ständig wechselnde Highballs, welche in kleinen Gläsern serviert werden und durch ihre virtuosen Kombinationen und überraschende Aromen die Inkarnation von Spaß im Glas darstellen. Trotz diverser, liquider Verrücktheiten, einer unprätentiösen Barcrew mit Tattoos und T-Shirt sowie dicken HipHop-Bässen aus den Boxen ist dem kreativen Duo vor allem die Qualität der Drinks wichtig. Die beiden möchten mit ihrem The High auf Grundlage der klassischen Mixologie einen Ort erschaffen, der dem Zeitgeist entsprich, und so kann man hier genauso einen Old Fashioned bestellen wie an einem Nashi Me aus Amaretini Infused Bulleit Bourbon, Cold Brew Coffee, Nashi Pear Juice, Lemon, Simple Sirup und Soda naschen. Dabei ist es vermutlich gerade die unkonventionelle und verspielt-künstlerische Herangehensweise der beiden Betreiber, welche das The High zu einem beliebten High-Away für ein recht kontroverses Publikum macht. Und so sitzen hier allabendlich Glockenbach-Skater, behemdete Architekten und Münchner Bar-Kollegen zusammen am Tresen, erquicken sich an drölfzig, kleinen Highballs und fühlen sich ein wenig wie im Kurzurlaub in Miami.
Bar Garçon – Klassische Harmonien mit lässigem Chic
Jung und wild geht auch anders. Im Falle von Mario Messigs Bar Garçon, ebenfalls aus der Kategorie neue Bars in München, sogar höchst geschmackvoll und ordentlich aufrührerisch. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der zuvor in der Loretta Bar beheimatete Mitzwanziger serviert in seiner ersten, eigenen Bar ausschließlich gerührte Drinks, welche genauso ausgewogen und harmonisch sind wie die Atmosphäre im Garçon selbst.
Nicht nur die Kreationen im Glase stammen dabei aus Messigs Geist und Hand, sondern auch das Interieur entwarf der studierte Architekt so treffsicher wie zielstrebig selbst, wobei seine Liebe zu Klassikern und einem entspannten Laissez-faire auf Karte wie im Barraum gleichermaßen erkennbar ist. So sitzt man in der im April letzten Jahres eröffneten Bar entweder auf Ledersesseln im Fifty’s Style oder an einem langen, niedrigen Tresen aus weißem Marmor, welcher auch als Mixstation dient und dem Gast so erlaubt, Messig direkt auf die elegant im Glas kreisenden Rührlöffel zu schauen und dabei mit dem stets herzlichen Gastgeber ganz entspannt zu plaudern. Dieses Wohnzimmergefühl und der persönliche Gästekontakt sind Messig dabei genauso wichtig wie die dargereichte Qualität im Glase. Auf der in weiches Leder gebundenen Karte stehen insbesondere vielfältige, gaumenschmeichelnde Variationen von Klassikern wie Negroni oder Manhattan, wobei das Aroma der Grundspirituosen stets im Vordergrund steht und lediglich durch zugegebene und – natürlich à la Maison fabrizierte – Sirups oder Säfte abgerundet wird. Wer auf der Suche nach allzu trendigen und gurkenvollen Cocktails ist, wird im ersten Moment wohl enttäuscht den Mund verziehen – denselben jedoch schon bald sinneserweiternd gefüllt bekommen. Und spätestens bei einem Schluck French Canadian mit Cognac, Port, frischer Orange, frischer Limette, Ahornsirup und Angostura Bitters oder einem Black Proof mit Black Bottle Scotch, Cynar 70 Proof, Cocchi Vermouth Di Amaro und Chocolate Bitters sind sämtliche Gürkchen oder andere allzu wilde Kreationen ganz schnell vergessen.
Zum Wolf – Familybusiness, Bourbon und Blues
Zugegeben – blutjung ist die Bar Zum Wolf mit ihren fünf Jahren nicht mehr, hier und heute dennoch in die Kategorie neue Bars in München, aber a bisserl wild schon. Und selbst bei Münchnern ist die unscheinbare Location im tendenziell verhipsterten Glockenbachviertel vielfach unbekannt – oder jedenfalls grob unterschätzt. Denn wenn man es am wahlweise freundlich lächelnden oder auch mal dominant türsteherischen Besitzer Wolfi a.k.a. Wolfgang Götz vorbei geschafft hat und den schummrig-beleuchteten Barraum mit seinen rot-weiß-karierten Tischen und dem hölzernen Tresen betritt, könnte man zuerst denken, man befände sich in einer Bier-lastigen Boaz’n.
Doch obwohl es im Wolf auch frisch gezapftes Helles gibt, sollte man sich von der rustikalen Atmosphäre nicht täuschen lassen. Das Kennerauge erblickt nämlich bei genauerem Hinschauen eine so weitläufige wie ausgewählte Sammlung von etwa 300 Whisk(e)ysorten, welche auditiv von Rhythm and Blues untermalt und visuell durch liebevoll angeordnete Bilder musikalischer Südstaatengrößen eingerahmt wird. Und auch nach einem Blick in die Karte muss man feststellen, dass man im Wolf der gepflegten Trinkkultur frönt. Denn von den so bodenständigen wie freigeistigen Jungs am Brett werden neben kräftigen Klassikern auch Eigenkreationen wie beispielsweise ein Kentucky Lightning mit Wood infused Bulleit Bourbon, Laird’s Applejack, Honey und Bitter’s serviert, welche den Trinker Schluck für Schluck Richtung Südstaaten-Entspannung schubsen. Wer später dann nicht nur die Wölfe heulen, sondern auch den Magen knurren hört, stolpert einfach auf die andere Straßenseite in Münchens erstes und einziges Smoker-Restaurant, den Little Wolf, welchen Götz gemeinsam mit seiner Frau Corinna vor anderthalb Jahren eröffnete. Es bleibt eben ois in der Familie.
Kiss – It’s all about the neighborhood
Kunterbunte Gemüsehändler, Dönerbuden und rauchige Sisha-Kneipen. Die Landwehrstraße ist weder schick noch hip, sondern – für Münchner Verhältnisse – recht multikulti und lebendig. Wer sich einmal hierher, in die Gegend zwischen Bahnhof und Westend, verirrt hat, erwartet so ziemlich alles, außer einer hochkarätigen Bar. Doch ein ebensolches Exemplar reiht sich hier harmonisch und mit der Umgebung verschmelzend in die bunten Ladenzeilen ein, wobei die exotische Nachbarschaft wie von selbst auf die Bar abgefärbt zu haben scheint.
Das Kiss, welches seit etwa einem Jahr mit David Metz als Barchef einen so entspannten wie spannungsvollen Gegenpool zu so mancher Innenstadt-Bar bietet, wartet mit einer orientalisch-inspirierten Cocktailkarte sowie einem Restaurantkonzept auf, welches sich veganen Mezze-Kreationen verschrieben hat. Wer sich im nilgrün gestrichenen Barbereich mit seinem durchaus unterhaltsamen Straßenblick-Panoramafenster niedergelassen hat, macht sich wahlweise über die nach Ländern geordnete Raki-Karte her oder bestellt sich einen Signature Drink wie den Baklava Baghdadiye, welcher mit Pistachio Nuts-infused Rum, Lemon, Honey und Rose Sirup beinahe wie ein flüssig gewordener, orientalischer Desserttraum aus tausendundeiner Nacht schmeckt. Freunde weniger zauberhafter Umdrehungen bekommen hingegen von der so ambitionierten wie sympathischen Crew rund um Metz ganz nach morgenländischer Tradition eine anti-alkoholische Erfrischung wie eine hausgemachte Limonada oder eine Granatapfel-Zimt-Schorle serviert. Neben dem Kiss wird man Metz in der nächsten Zeit auch häufiger im „Blitz“ antreffen, dem neuesten Projekt der Kiss-Crew, welches den alten Kongresssaal auf der Museumsinsel in einen weitläufigen Spielplatz bestehend aus Restaurant, Bar und Club verwandeln wird, wobei das flüssige und bissfeste Programm von den temperamentvollen Aromen Lateinamerikas geprägt sein wird.
Das Kopper – Liquider Glanz und puristische Innovationen
Ein weiterer Kandidat aus der Kategorie neue Bars in München: Im Kopper ist der Name eindeutig Programm, denn der lange, kupferfarbene Tresen, metallisch-schimmernde Artworks an den Wänden und Lampen im Industrial-Style verleihen der seit November letzten Jahres geöffneten Bar eine so elegante wie glänzende Atmosphäre. Trotz dieses schönen Scheins und einer kleinen Prise gewohnter Maxvorstadt-Hipperia geht es im Kopper durchaus entspannt und lässig zu, deshalb gehört auch sie in die Kategorie neue Bars in München.
Zum Einen liegt das an dem sympathischen Team rund um den allseits beliebten und bekannten Betriebsleiter Manuel Pinciroli sowie seinen charismatischen Barchef Alexander Sevruk. Zum anderen schlägt auch das innovative Bar- und Foodkonzept angenehm aus der Art und konterkariert geradezu jegliche aalglatte Spritz- und Tonic-Karte, welche im Viertel rund um die Universität keinesfalls eine Ausnahme darstellt. So findet der Gast, wenn er sich am glänzenden Tresen niederlässt, weder Cocktailklassiker, altbekannte Lieblingsdrinks oder phantasievoll betitelte Neukreationen, sondern die liquiden Schätze des Hauses sind lediglich nach ihren Hauptbestandteilen benannt und geordnet. Hinter dem Horseradish verbirgt sich beispielsweise eine Kreation aus Meerrettich-Mezcal, Tequila, gelber Chartreuse, Fino Sherry und Limetten, wobei es keinesfalls Zufall ist, dass diese Art der Präsentation an das puristische Menü eines Sternerestaurants erinnert. Betriebsleiter Pinciroli ließ sich bei Karte und Konzept nämlich durch seine kulinarischen Ausflüge in Foodtempel rund um den Globus inspirieren, wobei ihn bei Flüssigem und Festem insbesondere die Küche Südamerikas und Japans beeinflusste.
Der Hungrige und Durstige kann sich demnach auf die ein oder andere Mezcal-Variation im Glase und virtuose Tellerkreationen à la „Udonnudel trifft Salsa” freuen, wobei die Tatsache, dass das Kopper bereits zur Daydrinking-fähigen Lunchtime seine Türen öffnet, die Laune eines jeden Cocktailprofis gleich doppelt erhellt.
Neue Bars in München: Sehen und Schmecken lassen
Neues auf Basis legendärer Klassiker und die perfekte Mischung aus lässiger Revolte und anspruchsvollster Mixologie – die Szene rund um neue Bars in Münchens kann sich definitiv sehen und schmecken lassen. Bemerkenswert dabei ist, dass diese neue Klasse junger Bartender trotz allgemeiner Mieten-Panik, den hohen Ansprüchen des Münchner Barpublikums sowie der hohen Qualität zahlreicher, ausgezeichneter Nachbar-Tresen den Schritt zum eigenen Laden so mutig wie leichtfüßig gegangen oder vielmehr gesprungen ist. Vielleicht mit weniger extremen, rotzfrechen oder vogelwilden Konzepten wie es sie in anderen Städten in GSA-Landen gibt, doch sicherlich mit dem Potential, durch qualitätsbewusste Ideen und eine angenehm entspannte Herangehensweise an das Thema Bar die Szene Münchens im Kleinen und die Mixologie im Größeren zu bereichern – und vielleicht sogar Schluck für Schluck zu beeinflussen.
Credits
Foto: Foto via Verena Borell.